NGO-Forum der Volksanwaltschaft: „Human Rights First – trotz Sparpaket“ - Frauenrechte

Die Volksanwaltschaft diskutiert jedes Jahr ein gesellschaftspolitisch und menschenrechtlich relevantes Thema mit der Zivilgesellschaft. Das heurige NGO-Forum widmete sich am 19. Mai dem Thema „Human Rights First – trotz Sparpaket“. „Trotz Budgetdefizit und Sparkurs dürfen die Förderung und Weiterentwicklung der Menschenrechte nicht an den Rand der politischen Agenda gedrängt werden“, so Volksanwalt Bernhard Achitz, der das NGO-Forum moderierte. Etwa 80 Vertreter*innen von NGOs waren ins Parlament gekommen, um zu diskutieren, wie das gelingen kann und worauf dabei der Fokus gelegt werden sollte. Die Teilnehmer*innen wurden über die im NGO-Sounding-Board der Volksanwaltschaft vertretenen Organisationen eingeladen. Der Fokus lag auf zwei konkreten menschenrechtlichen Themenbereichen: Die Rechte von Frauen und die Rechte von Menschen mit Behinderung. Der Vormittag widmete sich ersterem Thema.

Bauer (Frauen- und Mädchenberatung): Gewalt gegen Frauen kostet 7,3 Milliarden Euro pro Jahr

„Strukturelle Hürden führen dazu, dass Frauen ihre Rechte nicht wahrnehmen können“, sagte Jenny-Kerstin Bauer vom Netzwerk österr. Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Sie zählte einige davon auf: Eine von drei Frauen ist von Gewalt betroffen, Frauen verdienen um zwölf Prozent weniger als Männer, ihnen wird 65 Prozent der unbezahlten Sorgearbeit aufgebürdet – und aus all dem folgt dann, dass sie um 40 Prozent weniger Pension bekommen als Männer.

Gewalt gegen Frauen ist auch finanziell relevant: Folgekosten etwa bei der Polizei, in der Justiz, im Gesundheitssystem und durch Arbeitsausfall würden in Österreich 7,3 Milliarden Euro pro Jahr ausmachen. „Entsprechend hoch ist der volkswirtschaftliche Nutzen von Investitionen in Beratungsstellen“, plädierte Bauer für Investitionen in die Gewaltprävention, aber „die Situation ist prekär, es gibt nur kurzfristige, projektbezogene Förderungen für Frauen- und Mädchenberatungsstellen.“

Achleitner (Momentum): Sparpakete gehen zulasten von Frauen

Auf dem Papier haben Frauen alle Rechte, „aber in der Praxis werden sie oft untergraben – oder auch einfach nicht finanziert“, sagte Sophie Achleitner, Ökonomin beim Momentum Institut. „Sparpakete gehen zulasten von Frauen“, Frauen seien stärker auf öffentliche Dienste und Sozialversicherungstransfers angewiesen. Wenn etwa Familienleistungen nicht erhöht werden, trifft das Frauen überdurchschnittlich, denn sie beziehen zum Beispiel 94 Prozent des Kinderbetreuungsgelds. Sozialleistungen machen mehr als ein Viertel des Einkommens von Alleinerziehenden aus – und 83 Prozent aller Alleinerzieher*innen sind weiblich.

In der Verfassung gebe es die Verpflichtung zum Gender Budgeting, aber „in den Budgets kommen Frauen trotzdem zu kurz“, sagte Achleitner. Gleichstellungsziele müssten mit Budgetmitteln und Ressourcen verknüpft werden. Als Beispiele für die wenig zufriedenstellende Umsetzung nannte sie die Corona-Hilfszahlungen, von denen nur 42 Prozent Frauen zugutekamen. Auch von der Abgeltung der Kalten Progression profitierten zu 59 Prozent Männer.

Laut Achleitner fehle neben einem echten Frauenbudget – die Mittel des Frauenministeriums betragen nur 0,026 Prozent des Budgets – eine gerechte Finanzierungsstruktur: „Haushalte tragen viel mehr zum Sparpaket bei als zum Beispiel Unternehmen.“ Ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit wären etwa Erbschafts- und Vermögenssteuern oder eine Erhöhung der Körperschaftsteuer.

Ecker (FPÖ): Unterhaltsrecht – In der Praxis trifft es die Mütter, wenn die Väter nicht zahlen

Abschließend diskutierten Abgeordnete der Parlamentsparteien. „Wir haben hohe Gewaltschutzbudgets, aber das ist nicht alles. Frauenrechte müssen auch in den Köpfen ankommen, das ist nicht bei allen so“, sagte Rosa Ecker (FPÖ). Sie vermisse schmerzlich eine Reform des Unterhaltsrechts: „Es soll nicht sein, dass erwachsene Kinder während des Studiums den eigenen Vater verklagen müssen auf Unterhalt. In der Praxis trifft es die Mütter, wenn die Väter nicht zahlen.“

Bogner-Strauß (ÖVP): Luft nach oben beim Gender Budgeting

„Auf dem Papier haben wir ein wunderbares Gender Budgeting, aber in der Umsetzung gibt es noch Luft nach oben“, sagte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Ihr „Auftrag an uns selbst“: Die Politik sollte bei jedem Ressort herausrechnen, wie viel davon für Frauenrechte aufgewendet wird. Denn das Budget des Frauenministeriums sei nicht alles, was verwendet wird, um sich für Frauen und gegen Gewalt einzusetzen. In den Gemeinden müsse man sich anschauen, ob die Ausgaben Männern oder Frauen zugutekommen: „Ein Kindergarten kann mindestens so schön sein wie ein Feuerwehrhaus.“

Schatz (SPÖ): Gender Pay Gap: Es gibt noch immer einen „Mutterschaftsmalus“

Für Sabine Schatz (SPÖ) gibt es einen massiven Aufholbedarf beim Schließen des Gender Pay Gaps: „Es gibt immer noch einen ‚Mutterschaftsmalus‘. Bei Männern bedeuten Kinder hingegen einen Lohnknick nach oben.“ Sie forderte mehr Lohntransparenz in den Unternehmen. Zum Sparpaket sagte sie: „Wir sparen nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wir müssen. Denn die vorige Regierung hat uns leere Töpfe hinterlassen.“ Jedenfalls sei es gelungen, eine Senkung des Frauenbudgets zu verhindern, und auch wichtige Maßnahmen wie das zweite verpflichtende Kindergartenjahr konnte vereinbart werden.

Brandstötter (NEOS): Kindergärten-Öffnungszeiten müssen Müttern Vollzeit-Arbeit ermöglichen

Henrike Brandstötter (NEOS) forderte mehr Kindergartenplätze, die mit Vollzeitarbeit der Mütter vereinbar sind. „Was immer als Wahlfreiheit verkauft wird, gibt es nicht, wenn die Kindergärten zu Mittag zusperren. Ohne Wahl gibt es auch keine Freiheit. Das führt zur Abhängigkeit vom Partnereinkommen und später zu Altersarmut.“ Außerhalb Wiens ist laut Momentum Institut nur jeder vierte Kindergartenplatz Vollzeit-tauglich. Brandstötter thematisierte weiters die reproduktiven Rechte von Frauen: „Im Burgenland gibt es keine Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch. Das Thema muss endlich enttabuisiert werden!“

Disoski (Grüne): Politik muss Gleichstellung fördern – Budget macht das Gegenteil

Meri Disoski (Grüne) bedauerte, dass „das Frauenbudget erstmals nach fünf Jahren nicht erhöht wurde – das ist eine faktische Kürzung.“ Unter der Nicht-Evaluierung von Familienleistungen würden vor allem Frauen leiden. „Gerade wenn Spardruck das ist, muss man weiter dorthin Geld geben, wo Gleichstellung gefördert wird. Das Budget macht das genaue Gegenteil“, kritisierte sie. Auch der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch sei ihr ein großes Anliegen: „Sicher, legal, ohne dass es eine Geldfrage ist. Ich schaue sehnsüchtig nach Frankreich, wo das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankert wurde.“


Gruppenbild mit Volksanwalt Achitz und Nationalratsabgeordneten Volksanwalt Bernhard Achitz mit den Nationalratsabgeordneten Henrike Brandstötter (NEOS), Sabine Schatz (SPÖ), Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), Rosa Ecker (FPÖ) und Meri Disoski (Grüne)