Der Anlassfall findet sich auch im aktuellen Steiermark-Bericht der Volksanwaltschaft, der im Jänner im Landtag Steiermark behandelt wurde. Ursprünglich hatte die Volksanwaltschaft auf das Thema bereits 2019 in einem Sonderbericht aufmerksam gemacht. „Seitdem gab es viele Diskussionen und verbale Unterstützung, auch einige Pilotprojekte laufen, aber immer noch werden Beschäftigte in sogenannten ‚Behindertenwerkstätten‘ mit einem Taschengeld abgespeist, und sie haben keine Chance, sich eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen, weil sie nicht pensionsversichert sind.“
Eine Frau mit einer Behinderung war gezwungen, sich trotz extrem niedrigen Einkommens selbst in der Krankversicherung zu versichern. Sie erhielt die Leistungen „Trainingswohnen für Menschen mit Behinderung'' und „Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt'' im Rahmen der Behindertenhilfe. Dadurch war es ihr möglich, in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen zu arbeiten. Sie erhielt 165 Euro Familienbeihilfe, den Kinderabsetzbetrag von 58 Euro sowie eine Prämie von 56 Euro (Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt), also insgesamt 279 Euro an Einkommen im Sinn des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG).
Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)
Krankenversichert war sie nicht, sie musste sich also selbst versichern und dafür 114 Euro bezahlen. Paradoxerweise wäre sie krankenversichert gewesen, wenn sie nicht gearbeitet hätte. Deshalb hat ihr die Behörde geraten, zu Hause zu bleiben und keiner Beschäftigung nachzugehen. Volksanwalt Achitz: „Das steht klar im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet hat. Menschen mit Behinderung haben das Recht auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben, und dazu gehört natürlich auch, dass sie einer Arbeit nachgehen können.“
Die Volksanwaltschaft richtete in ihrem Sonderbericht folgende Empfehlungen an die Bundesregierung und an alle Landesregierungen:
- die Einteilung von Menschen mit Behinderung in arbeitsfähige und nicht arbeitsfähige (unter 50 Prozent Arbeitsfähigkeit) abzuschaffen,
- eine eigene, auf ihre Tätigkeit bezogene, sozialversicherungsrechtliche Absicherung für Menschen, die in Beschäftigungstherapiewerkstätten arbeiten, zu schaffen,
- neue Modelle der Entlohnung anstelle des bisherigen „Taschengeldsystems“ zu prüfen.