Volksanwaltschaft präsentiert aktuellen Bericht an den burgenländischen Landtag

29. November 2017

Volksanwaltschaft präsentiert aktuellen Bericht an den burgenländischen Landtag
Am 29. November 2017 präsentierte die Volksanwaltschaft (VA) ihren aktuellen Bericht an den burgenländischen Landtag. „Im Berichtszeitraum 2015-2016 wandten sich 305 Burgenländerinnen und Burgenländer, mit einer Beschwerde an die VA. Sie fühlten sich von der Burgenländischen Landes- oder Gemeindeverwaltung nicht fair behandelt oder unzureichend informiert“, so die derzeitige Vorsitzende der Volksanwaltschaft Dr. Gertrude Brinek. Die meisten Beschwerden im Burgenland bezogen sich auf den Bereich Raumordnungs- und Baurecht. Aber auch Jugendwohlfahrt und Mindestsicherung, Landesfinanzen und -abgaben sowie Landes- und Gemeindestraßen waren Schwerpunktthemen.

Seit dem 1. Juli 2012 ist die VA für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig. Gemeinsam mit sechs Kommissionen werden Einrichtungen unangekündigt kontrolliert, in denen es zum Entzug oder zur Einschränkung der persönlichen Freiheit kommt oder kommen kann. Im Burgenland wurden im Berichtszeitraum insgesamt 37 Kontrollbesuche durchgeführt und fünf Polizeieinsätze beobachtet. Dabei wurden vierzehn Alten- und Pflegeheime, zehn Jugendwohlfahrtseinrichtungen sowie fünf Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen besucht.

Die Berichte der Volksanwaltschaft bringen Potenziale über die Anliegen der burgenländischen Bevölkerung zum Vorschein, die Landtagspräsident Christian Illedits in seiner täglichen Arbeit berücksichtigt: „Als externes Kontrollorgan liefert die Volksanwaltschaft eine besonders konstruktive Perspektive auf die Verwaltungsprozesse und stellt damit einen wichtigen Partner für das Land dar. Ziel ist die Zahl der Umsetzungen der Empfehlungen der Volksanwaltschaft zu erhöhen.“ Abschließend betonte Illedits, dass ihm der regelmäßige Austausch mit der Volksanwaltschaft eine Herzensangelegenheit ist. „Eine eigene Landesvolksanwaltschaft steht nicht zur Debatte. Uns steht mit der Volksanwaltschaft in ihrer derzeitigen Form ein ausgezeichneter Partner zur Seite.“

Im Folgenden wurden exemplarisch einige Prüffälle der Volksanwaltschaft aus dem aktuellen Bericht bzw. aus aktuellem Anlass vorgestellt.

Undurchsichtige Widmungspolitik

Rund um den Neusiedlersee wird gebaut – in den nächsten Jahren sollen in der UNESCO-Weltkuturerbe Region zahlreiche neue Projekte umgesetzt werden. So soll etwa in der Marktgemeinde Weiden am See auf einem 9.800 m2 großen Grundstück das „Ferienzentrum Seepark Weiden“ entstehen. Das Projekt wurde in Abstimmung mit der Gemeinde beschlossen – die Burgenländische Landesregierung erließ jedoch bis heute keinen diesbezüglichen Bescheid und beabsichtigt die Genehmigung zu versagen, da das Projekt dem Landesentwicklungsprogram widerspricht. „Diese lange Verfahrensdauer ist nicht nachvollziehbar. Die Landesregierung wäre verpflichtet gewesen, spätestens nach sechs Monaten einen entsprechenden Bescheid zu erlassen,“ kritisiert Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek, „Das Land darf die Bürgerinnen und Bürger und die Gemeindeverwaltung nicht hinhalten.“

„Bauvorhaben dieser Größenordnung in einem sensiblen Gebiet bedürfen einer fairen, transparenten und auf Sachverständigengutachten basierenden Vorgehensweise,“ fordert Volksanwältin Brinek.

Teure Trauungen

Mehrere Frischvermählte beschwerten sich bei der VA, dass sie – obwohl sie bereits im Vorfeld der standesamtlichen Trauung sämtliche Kosten und Gebühren bezahlt hatten – kurz nach der Heirat eine Kostennachforderung vom Standesamt erhielten.

Die Standesämter begründeten die überraschenden Nachforderungen mit einer Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom Mai 2015. Standesbeamten steht demnach eine Gebühr zu, sobald sie zur Abhaltung einer Trauung ihr Büro verlassen müssen. Dies betrifft alle Trauungen außerhalb der Amtsräume, auch wenn es sich um nur wenige Schritte entfernte Räumlichkeiten handelt.

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer kritisierte den Erlass der Burgenländischen Landesregierung: „Darin wird das Wort „Amtsraum“ viel zu einschränkend ausgelegt.“ Erfreulicherweise hat das Amt der Burgenländischen Landesregierung den Erlass bereits geändert – der Begriff Amtsräume umfasst nun sämtliche Amtsräume einer Gemeinde.

Darüber hinaus forderte Volksanwalt Fichtenbauer, dass die Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft endlich um die ausgegliederten Rechtsträger erweitert werden. „Da lassen wir nicht locker. Es kommt dem Bohren harter Bretter gleich, aber die Schieflage, die durch die aktuelle Rechtslage entsteht, muss beendet werden.“

Einflussnahme der Landesregierung gegenüber KRAGES-Geschäftsführung

Die burgenländische Landesregierung hat den ehemaligen Geschäftsführer der aus der Landesverwaltung ausgegliederten KRAGES ähnlich einem weisungsgebundenen Leiter einer nachgeordneten Dienstelle betrachtet. Zu diesem Ergebnis kommt die VA in einem soeben abgeschlossenen Prüfverfahren, das sie aufgrund einer Individualbeschwerde durchgeführt hat. Auch wenn eine gewisse Toleranz bei der Kommunikation einzuräumen ist, widerspricht eine "Erwartungshaltung" des unverzüglichen und unwidersprochenen Erfüllens von Vorstellungen der Politik zweifelsfrei den gesetzlichen Bestimmungen. Die VA stellte daher einen Missstand in der Verwaltung fest.

Volksanwalt Günther Kräuter: „Ich erwarte mir durch die Missstandsfeststellung ein starkes Signal für die künftigen Abläufe zwischen Landesregierung und KRAGES sowie eine präventive Wirkung weit über das Burgenland hinaus.“ Für die VA ist es wichtig festzuhalten, dass die Prüfung der Verwaltung aufgrund der Beschwerde eines Bürgers völlig unabhängig von einem etwaigen anhängigen Verfahren vor Arbeits- oder Zivilgerichten erfolgt.

Inakzeptable Zustände in sozialpädagogischer Wohngemeinschaft

Anlässlich eines – wie stets unangekündigten – Besuches einer Expertenkommission der VA in einer nordburgenländischen sozialpädagogischen Wohngemeinschaft am 22. November 2017 fordert Volksanwalt Günther Kräuter sofortiges Einschreiten: „Die Einrichtung scheint mit der Aufgabe der Betreuung, Versorgung und dem Schutz der Kinder völlig überfordert zu sein.“ So baten die befragten kleineren Kinder unter Tränen, die Einrichtung verlassen zu dürfen, berichteten zum Teil von Übergriffen älterer Kinder und einem Klima der Angst. Obwohl BH und das Land durch verschiedene Gefährdungsmeldungen – auch seitens der VA – davon Kenntnis erlangt hatten, dass beispielsweise ein 15-Jähriger seit Jahren Mädchen und Burschen vermutlich sexuell missbraucht hat, wurde nichts unternommen. Dass nun endlich mit 1. Dezember 2017 eine Verlegung des 15-Jährigen geplant ist, ändert nichts am jahrelangen Behördenversagen. Insgesamt werde in dieser Einrichtung nicht dem gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe entsprochen, so Kräuter: „Kinder haben ein Recht auf ein Aufwachsen ohne Gewalt.“ Die VA kündigt nach Vorlage des Gesamtberichtes der zuständigen Expertenkommission weitere Feststellungen an.