Verstoß gegen die Schulpflicht - Großmutter zu Unrecht bestraft

30. Mai 2017

Im Fall eines Wiener Schulkindes, das in einem Schuljahr knapp 700 Fehlstunden anhäufte, ortete das Magistrat ein Verstoß gegen die Schulpflicht und schickte einen Strafbescheid an die Großmutter. Da allerdings im Vorhinein nicht überprüft wurde, ob ihr die Erziehungsberechtigung im Sinne des Schulpflichtgesetzes tatsächlich zukam, wandte sich die Dame an die Volksanwaltschaft.

Für (vereinfacht gesagt) Kinder ab sechs Jahren besteht in Österreich die sogenannte allgemeine Schulpflicht. Den Kindeseltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten obliegt nach dem Schulpflichtgesetz unter anderem die Verantwortung dafür, dass ein schulpflichtiges Kind regelmäßig die Schule besucht.

Bei Verstößen gegen die Schulpflicht hat die Schule gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten Maßnahmen zu vereinbaren („Fünf-Stufen-Plan“), um den regelmäßigen Schulbesuch durch das Kind sicherzustellen. Sind diese Maßnahmen dennoch erfolglos, hat die Schulleitung eine Strafanzeige an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten.

Im Fall eines Wiener Schulkindes, das im Schuljahr 2014/15 knapp 700 Fehlstunden anhäufte, wandte sich dessen Großmutter an die Volksanwaltschaft, da ihr der Magistrat der Stadt Wien vorwarf, nicht für den regelmäßigen Schulbesuch ihres Enkels gesorgt zu haben. Zum Beschwerdezeitpunkt war der behördliche Strafbescheid bereits rechtskräftig. Die 65-jährige Beschwerdeführerin wurde mangels Zahlung der verhängten Geldstrafe aufgefordert, die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten.

Im Zuge des Prüfverfahrens stellte sich heraus, dass die Schulleitung korrekt vorging und nach erfolgloser Durchführung des „Fünf-Stufen-Plans“ eine Strafanzeige gegen die damals allein erziehungsberechtigte Kindesmutter erstattete. Der Magistrat der Stadt Wien begründete die Bestrafung der Beschwerdeführerin damit, dass sowohl die Mutter als auch der Vater des Schülers keinen gemeldeten Wohnsitz in Österreich besaßen, aber bekannt war, dass der Schüler bei seiner Großmutter wohnte. Daher ging die Behörde davon aus, dass die Beschwerdeführerin erziehungsberechtigt und zur Verantwortung zu ziehen sei.

Volksanwalt Dr. Fichtenbauer kritisierte diese Vorgehensweise der Behörde, da nicht überprüft wurde, ob der Betroffenen die Erziehungsberechtigung im Sinne des Schulpflichtgesetzes tatsächlich zukam. Die Volksanwaltschaft stellte fest, dass dies nicht der Fall war, und regte an, die behördliche Entscheidung zu revidieren.

Der Magistrat der Stadt Wien folgte dieser Anregung und hob den Strafbescheid von Amts wegen auf.