ORF-BÜRGERANWALT, 11.02.2012 MIT VOLKSANWÄLTIN MAG. TEREZIJA STOISITS

14. Februar 2012

Unüberwindbare Einkommenshürde im Staatsbürgerschaftsgesetz

 

Der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft einer seit 1976 in Österreich lebenden gebürtigen Uruguayerin wird wegen Bezuges von Sozialhilfe abgewiesen. Als anerkannter Flüchtling verfügt die 37-Jährige lediglich über einen Konventionspass. Sie leidet außerdem unter einer starken psychischen Beeinträchtigung, einer geregelten Arbeit kann sie auf Grund ihrer Behinderung von mehr als 50% nicht nachgehen. Deshalb bezieht sie seit 2008 die bedarfsorientierte Mindestsicherung und erhöhte Familienbeihilfe. Das ist auch die Grundlage für den negativen Bescheid der Wiener Landesregierung, welche den Antrag der jungen Frau abweisen musste.

Die Behörde verfügt seit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 über keinerlei Ermessensspielraum, welcher eine Verleihung der Staatsbürgerschaft erlauben würde. Bis zu der am 23.6.2006 in Kraft getretenen Novelle wäre es möglich gewesen, den Antrag trotz Bezugs von Sozialhilfe aufgrund der unverschuldeten Notlage, in welcher die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Behinderung zweifellos ist, stattzugeben.

In der Sendung diskutierte Volksanwältin Terezija Stoisits mit dem Stiefvater der Betroffenen und mit Beatrix Hornschall, Abteilungsleiterin der MA 35 für Einwanderung, Staatsbürgerschaft, Standesamt, über den Fall. Die Volksanwältin hielt fest, dass seit der Gesetzesnovelle vermehrt Fälle auftreten würden, in welchen Betroffene aufgrund ihrer unverschuldeten finanziellen Notlage keine Chance auf Einbürgerung hätten. Diese gesetzliche Schieflage betrifft Menschen, die unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gedrängt wurden genauso, wie beispielsweise Folteropfer des irakischen Hussein-Regimes, die aufgrund der Folgen ihrer Misshandlung keiner geregelten Arbeit nachgehen können.

Der Stiefvater der Beschwerdeführerin bezeichnete die gesetzliche Regelung als ungerecht, beschämend und einem Staat wie Österreich nicht würdig, da die Einbürgerung in diesem Fall die Republik ja auch keinen Cent kosten würde. Die von ihm bei Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerden werden allerdings als nicht aussichtsreich eingeschätzt.

Volksanwaltschaft, MA35 und Beschwerdeführer stimmen in einem Punkt überein: Die seit 36 Jahren in Österreich lebende Frau verfügt ohne Staatsbürgerschaft über keinerlei politische Rechte und ist von politischer Teilnahme in ihrem de facto Heimatland ausgeschlossen. Eine Gesetzesänderung, welche die positive Bearbeitung von Härtefällen wie diesem ermöglicht, ist dringend erforderlich. Volksanwältin Stoisits hofft daher auch auf eine positive Reaktion auf dieses Anliegen im Parlament.