Keine Waisenpension für Menschen mit Behinderung ?

9. März 2013

Anerkennung von Ausbildungen für Menschen mit Behinderung gefordert

Ein junger Vorarlberger mit einer minderen geistigen Behinderung absolviert im integrativen Ausbildungszentrum Vorarlberg eine Anlehre zum qualifizierten Helfer im Bereich Industrie- und Gewerbehelfer. Der Betroffene erhielt von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) bis zu seinem 18. Geburtstag im September 2012 eine Halbwaisenpension. Danach lehnte die PVA eine Weitergewährung der Waisenpension ab.

Das Gesetz kennt drei Ausnahmen, die einen Weiterbezug der Waisenpension auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres ermöglichen: Wenn und solange sich die betroffene Person in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet; wenn und solange ein freiwilliges Sozialjahr absolviert wird; wenn seit dem 18. Geburtstag oder dem Abschluss der Ausbildung infolge von Krankheit oder Gebrechen eine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Die PVA begründete ihre Ablehnung damit, dass beim Betroffenen keine Berufsausbildung im Sinne des Gesetzgebers vorliege. Die PVA habe sich in ihrer Entscheidung auf die Judikatur berufen, da der Begriff der „Schul- und Berufsausbildung“ im Gesetz nicht näher bestimmt ist, so Mag. Berndt Pokorny von der PVA. „Der OGH spricht davon, dass eine Berufsausbildung darauf vorbereitet, dass jemand am allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar ist. Der Betroffene wird aber auf einen geförderten Arbeitsplatz vorbereitet und das entspricht nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt“, erklärt Mag. Pokorny.

Bei der zweijährigen Ausbildung des Betroffenen handelt es sich zwar um keinen staatlich anerkannten Lehrberuf, sie erfolgt aber in ähnlicher Form wie eine „klassische“ Lehre. Zudem eignet sich diese Anlehre besonders für Menschen mit Behinderung und bereitet diese auf einen künftigen (allenfalls auch geförderten) Arbeitsplatz vor. Die Volksanwaltschaft kritisiert die Begriffsauslegung der PVA. Eine breite Definition von „Schul- und Berufsausbildung“ ist notwendig, die alle Ausbildungsformen inkludiert, die auf eine spätere Berufsaufnahme vorbereiten.

Mittlerweile gibt es ein Gerichtsurteil gegen die Entscheidung der PVA. Das Gericht entschied, dass die Anlehre des Vorarlbergers einer Berufsausbildung entspricht und stimmt somit der Rechtsansicht der Volksanwaltschaft zu. „Hier geht es auch um eine allgemeine Diskussion der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Österreich hat sich verpflichtet, ein Höchstmaß an Unterstützung für Menschen mit Behinderung zur Erlangung der Selbstständigkeit und beruflichen Fähigkeiten aufzubringen“, sagt Volksanwalt Dr. Peter Kostelka in der Sendung. Auch die PVA müsse hier zu einer moderneren Terminologie und Entscheidungsstruktur übergehen.

Eine Nichtanerkennung dieser Ausbildungen führe mittelbar zu einer Diskriminierung. Denn Menschen mit Behinderung verbleibe oft nur die Möglichkeit, eine Ausbildung in einem besonderen Umfeld zu absolvieren. „Entscheidend ist die volle Anerkennung aller beruflichen Lehren, auch für Menschen mit Behinderung. Die Bestimmungen der Behindertenrechtskonvention müssen erfüllt werden“, betont Volksanwalt Kostelka.

 

Nachgefragt: Kampf um Schadenersatz

Der Fall des ehemaligen Polizisten, der bei einem Diensteinsatz vor zehn Jahren schwer verletzt wurde und seither um Schadenersatz kämpft, war bereits Thema in mehreren Bürgeranwaltssendungen.

Der Sicherheitswachebeamte war am 22. Juli 2003 als Ordnungsdienst bei einem Fußballspiel im Innsbrucker Tivoli-Stadion im Einsatz. Ein gewalttätiger Zuschauer verletzte ihn dabei schwer, operative Eingriffe waren erforderlich. Insgesamt befand sich der Betroffene neun Monate im Krankenstand. Danach musste er sich in den Innendienst versetzen lassen, da seine Verletzungen keine körperlichen Anstrengungen mehr zuließen. Hinzu kamen hohe Einkommensverluste.

Der Betroffene brachte 2006 eine Zivilklage wegen Schmerzengeld und Verdienstentgang beim Landesgericht Innsbruck ein. Seine Schadenersatzforderung beläuft sich auf knapp € 100.000. Das Verfahren zieht sich bereits seit sieben Jahren hin. Zwar kam das Gericht Ende 2010 zu einem Urteil, aber dieses musste aufgrund von Verfahrensfehlern wieder aufgehoben werden. Momentan steht das Verfahren allerdings still, da der Beklagte (der für die Attacke verantwortliche Zuschauer) einen Antrag auf Privatkonkurs gestellt hat. Laut Gesetz müssen anhängige Rechtsstreitigkeiten dann unterbrochen werden.

„Der betroffene Polizist braucht endlich ein Urteil in diesem Verfahren. Es ist wenig zufriedenstellend, dass das Verfahren so lange dauert und die ihm zustehende Schadenersatzzahlung nach wie vor ausständig ist“, sagt Volksanwalt Peter Kostelka.

Momentan wird eine Regierungsvorlage des Verbrechensopfergesetzes im entsprechenden Ausschuss des Nationalrates behandelt, die allerdings nichts an der gegenständlichen Problematik des ehemaligen Polizisten ändert. Eine weitere Betreibung des Anspruches nach dem Verbrechensopfergesetz und nach dem Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz ist nur bei Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung sinnvoll.

„Es ist nur fair und richtig, dass Polizistinnen und Polizisten, die für uns Bürgerinnen und Bürger ihre Gesundheit riskieren, die ihnen zustehende Hilfe auch bekommen“, betont Volksanwalt Kostelka. Nun sei es vor allem wichtig, dass das Verfahren schnell zu einem Abschluss kommt.

Die Sendung ist auch sieben Tage nach Ausstrahlung in der ORF-TVTHEK abrufbar.