Verletzungen von Menschenrechten vermeiden: Petra Niederhametner im Gespräch

7. Dezember 2016

In der neu erschienenen Publikation „Verletzungen von Menschenrechten vermeiden“ widmet sich Autorin Petra Niederhametner der Prävention von Menschenrechtsverletzungen in Pflegeheimen und psychiatrischen Einrichtungen. Die in Buchform gebrachte Aufarbeitung zahlreicher einschlägiger Studien und dokumentierter Wahrnehmungen nationaler und internationaler Kontrollinstanzen soll zeigen, wo menschenrechtliche Probleme bestehen und wie diese ausgeschaltet werden können.

Niederhametner stellte das Buch zum Forschungsprojekt, welches von der Volksanwaltschaft und der OeNB unterstützt wurde, Ende November 2016 im Rahmen einer Sitzung des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) in der Volksanwaltschaft vor. Wie Volksanwalt Kräuter betonte, beinhaltet die Publikation auch für die Arbeit der Volksanwaltschaft wichtige Grundlagen.

Im Gespräch mit dem Fachverlag facultas spricht Niederhametner über die Entstehung und die Hintergründe ihrer Publikation.

 

Was war der Anlass für dieses Buch?
Die Volksanwaltschaft erhielt im Jahr 2012 den verfassungsgesetzlichen Auftrag, Einrichtungen zu kontrollieren, in denen es zu Freiheitsbeschränkungen kommen kann. Dazu zählen auch psychiatrische Abteilungen und Pflegeheime. Diese Kontrollen sollen Menschenrechtsverletzungen verhindern und den Schutz der Patienten und Bewohner erhöhen. Das Forschungsprojekt sollte diese neue Aufgabe unterstützen.

Welche Ziele haben Sie selbst verfolgt?
Mir war wichtig, die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das noch immer wenig beachtet wird, obwohl es große Teile der Bevölkerung betrifft. Immerhin wird der Anteil der älteren Bevölkerungsgruppen immer größer, Demenzerkrankungen und psychische Erkrankungen nehmen zu. Wichtig war mir, einen konstruktiven Ansatz zu verfolgen, das Thema abseits von Skandalen zu behandeln. Im Buch geht es ja primär nicht um die Feststellung von Menschenrechtsverletzungen, sondern um Fragen der Prävention: Wie können Gefährdungen identifiziert und möglichst vermieden werden?

Wie sind sie bei der Studie vorgegangen?
Ich habe acht Themenkreise genauer untersucht, darunter die Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, Gewalt, Medikation etc. Ich habe Studien rezipiert, die Hinweise geben, unter welchen Voraussetzungen der Eintritt von Gefährdungen, etwa das Auftreten von Gewalt, wahrscheinlicher wird. Es sollten Schutzfaktoren identifiziert werden. Daraus wurden präventive Maßnahmen abgeleitet, um diese Gefahren zu verringern. Ich habe dafür mehrere Hundert Forschungsarbeiten und klinische Studien aufgearbeitet, Interviews mit Fachleuten geführt und anonymisierte Prüfprotokolle der Volksanwaltschaft ausgewertet.

Vor Kurzem war in den Zeitungen zu lesen, dass in einem Pflegeheim in NÖ Bewohner gequält worden seien. Lassen sich derartige Vorfälle verhindern?
Die Medien haben einen Verantwortlichen zitiert, dass es „besonders perfide“ sei, schwer pflegebedürftige Personen zu misshandeln. Das stimmt natürlich. Dazu muss man aber auch wissen, dass gerade besonders pflegebedürftige Personen sehr gefährdet sind, Opfer von Gewalt zu werden, und deshalb entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden müssten. Das Wissen um die Risiken ist ein erster Schritt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Thema Gewalt in den Einrichtungen diskutiert ist, Gewaltvorfälle systematisch aufgearbeitet werden und intern überprüft wird, ob sich die Mitarbeiter an die Grundsätze der gewaltfreien Pflege halten. Das erfordert natürlich auch, dass entsprechende Konsequenzen gesetzt werden, wenn dem nicht so ist.

Ist Gewalt ein generelles Problem in Pflegeheimen oder psychiatrischen Abteilungen?
Nein, die Einrichtungen können nicht über einen Kamm geschoren werden. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit Freiheitsbeschränkungen. Gemeint sind damit u.a. Fixierungen, die auch eine Form der Gewalt darstellen. Viele Studien belegen, dass Einrichtungen unterschiedlich häufig freiheitsbeschränkende Maßnahmen setzen und diese Unterschiede nicht mit bestimmten „Merkmalen“ der Bewohner und Patienten begründbar sind. Einrichtungen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kultur, also im Führungsstil, in der Personalausstattung, in der Zusammenarbeit usw. Diese Faktoren beeinflussen wiederum, wie man sich in einer Einrichtung mit präventiven Maßnahmen auseinandersetzt oder eben konkret mit der Frage, wie Freiheitsbeschränkungen möglichst vermieden werden.

Was waren für Sie wichtige Einsichten und Momente während der Arbeit?
Überraschend war für mich, wie wenige Informationen und Daten über Pflegeheime und psychiatrische Abteilungen es in Österreich gibt. Und im Vergleich zu skandinavischen Ländern ist dieser Bereich auch weitgehend unerforscht.

Mag. Petra Niederhametner ist Juristin mit langjähriger Erfahrung im Personalmanagement und Verlagswesen. Seit 2008 ist sie selbstständig im Bereich angewandte Forschung und Corporate Publishing tätig, unter anderem für die Volksanwaltschaft.

Das Interview kann in der Winterausgabe 2016 des facultas Magazin „Wissen“ und unter diesem Link nachgelesen werden.