Stoisits: Symposium

30. November 2010

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits ist in ihrer täglichen Prüfarbeit mit einer Vielzahl an Problemen beim Vollzug des Staatsbürgerschaftsgesetzes konfrontiert. Aus diesem Grund lud sie am 30. November zu einem Experten-Symposium zum Thema Staatsbürgerschaftsrecht. Dabei wurden Probleme bei der Vollziehung der Staatsbürgerschaftsgesetzes in den einzelnen Bundesländern genauso thematisiert wie die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Einbürgerungsgesetzgebung.

„Die Zahl der Beschwerden in der Volksanwaltschaftzum Thema Einbürgerungen hat seit dem Jahr 2006 drastisch zugenommen, sich in Jahr 2007 sogar verdoppelt. Hintergrund war die entsprechende Gesetzesnovelle 2005, die im März 2006 ganz ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten ist. Diese hatte entscheidende Auswirkungen auf die Einbürgerungspraxis. Wurden 2004 41.645 Personen in Österreich eingebürgert, waren es 2009 nur mehr knapp unter 8.000 Personen, führte die Volksanwältin bei der Eröffnung des Symposiums aus.

Bei den Beschwerden rund um das Thema Einbürgerung geht es häufig um die Voraussetzungen für die Sicherung des Lebensunterhalts. „Gerade der finanzielle Aspekt ist oft sehr problematisch, weil die Behörden keinerlei Ermessensspielraum haben. Hier führt das fehlende Einkommen mehrfach zu schlimmen Härtfällen, führte Stoisits aus. Das trifft besonders Menschen, die unverschuldet in Notlagen geraten sind und dann vom Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sind. „Die Volksanwaltschaft ist jederzeit bereit, Missstände in der Verwaltung zu prüfen, hier geht es allerdings nicht um eine falsche Handhabung der Gesetze durch die Behörden, sondern um problematische Regelungen im Gesetz selbst. Daher ist es mir ein besonders Anliegen, heute Experten aus unterschiedlichen Bereichen zu einem Meinungsaustausch in der Volksanwaltschaft zu begrüßen, so Stoisits. Voraussetzung für eine Einbürgerung ist unter anderem auch ein mindestens zehnjähriger ununterbrochener Aufenthalt. „Auch hier gibt es eine Gruppe, die ganz besonderer Härte ausgesetzt ist. Subsidiär Schutzberechtigten wird der Zugang zur Stataatsbürgerschaft massiv erschwert oder unmöglich gemacht", erläuterte die Volksanwältin.

Die lange Verfahrensdauer ist ebenfalls Thema zahlreicher Prüfverfahren der Volksanwaltschaft. „Man kann mit Fug und Recht sagen, dass mehrjährige Verfahren keine Ausnahme, sondern eher die Regel sind. Dabei wird aber oft vergessen, dass es dabei nicht um statistische Größen geht, sondern sich dahinter jeweils individuelle und teilweise sehr berührende Einzelschicksale verbergen, so die Volksanwältin .

Volksanwältin Stoisits listete die Probleme im Staatsbürgerschaftsrecht aus Sicht der Volksanwaltschaft wie folgt auf:

1) Voraussetzung der hinreichenden Sicherung des Lebensunterhalts (§ 10 Abs.1 Z 7, Abs. 5 StbG) nicht erfüllt

- Sozialhilfebezug nur für kurze Zeit oder wegen Behinderung bzw. gesundheitlicher Probleme des Fremden (Konventionsflüchtlinge als Folteropfer!)

- Einkommen für große Familie zu gering: Alleinverdiener; Kinderkarenz; Ausbildung etc.

- Gesetz verlangt "feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen": Probleme bei Ausgleichszulage (Qualifikation als Versicherungsleistung erst durch Erkenntnis des VwGH geklärt); Pflegegeld gilt nicht als Einkommensbestandteil aufgrund strenger Zweckwidmung; kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen Stiefelternteil etc.

2) Voraussetzung des mindestens zehnjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts, davon fünf Jahre niedergelassen (§ 10 Abs. 1 Z 1 StbG), nicht erfüllt

- Befristete Aufenthaltsberechtigung von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 begründet keine Niederlassung.

- Der Aufenthalt von Fremden als Träger von Privilegien und Immunitäten gilt nicht als Niederlassung im Sinne des Staatsbürgerschaftsgesetzes (§ 9 StbG).

3) Dauer der Staatsbürgerschaftsverfahren jahrelange Verfahren sind keine Ausnahme

- Novellierungen des StbG ohne Übergangsbestimmungen: z.B. Abzug regelmäßiger Belastungen macht seit 1.1.2010 Vorlage und Prüfung weiterer Unterlagen erforderlich.

- Erfordernis der mehrmaligen Wiederholung "externer" Ermittlungen: z.B. Verfahrensdauer bei der Sicherheitsdirektion zur Beurteilung der Unbescholtenheit; Sozialhilfebezug; Gewerberegister etc.

- Kooperation mit anderen Behörden (Fremdenpolizei, Asylbehörden etc.) nicht immer optimal

4) Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit

- Auswirkungen auf mehrere Generationen -> Härtefälle

5) Erwerb der Staatsbürgerschaft kraft Abstammung

- Uneheliche Kinder erwerben die österreichische Staatsbürgerschaft mit der Geburt nur dann, wenn ihre Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürgerin ist (§ 7 Abs. 3 StbG). Ist lediglich der Vater des unehelichen Kindes Österreicher, erwirbt es hingegen nicht die Staatsbürgerschaft.

Zudem gibt es folgende legistische Anregungen der Volksanwaltschaft:

- Wiedereinführung der Berücksichtigung unverschuldeter finanzieller Notlagen (abgeschafft mit Novelle 2005) mangelnder Ermessensspielraum der Behörden bei Härtefällen.

- Seit 1984 wird die Schaffung eines Sondererwerbstatbestandes für Personen, die von maßgeblichen österreichischen Behörden über längere Zeit irrtümlich als Staatsbürger angesehen worden sind und bei denen keine Erschleichungsabsicht zu vermuten ist, vorgeschlagen.

- Anregung, den „automatischen Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft von minderjährigen Fremden im StbG vorzusehen, wenn zumindest ein Wahlelternteil die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.