Stoisits: Effiziente Verwaltungskontrolle braucht internationale Vernetzung

9. November 2010

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits vertrat die Volksanwaltschaft beim 7. Regionalseminar des Europäischen Verbindungsnetzes der Ombudsleute, zu dem der Europäische Bürgerbeauftragte P. Nikiforos Diamandouros und der Tiroler Landesvolksanwalt Dr. Josef Hauser am 8. und 9. November 2010 in Innsbruck luden. In ihrer Rede hob Stoisits die Bedeutung des EU-Rechts für die tägliche Arbeit der regionalen Ombudsmann Einrichtungen hervor und unterstrich angesichts dieser Tatsache die Bedeutung einer Vernetzung im EU-Raum.

Hier einige Auszüge aus der Rede der Volksanwältin:

Die österreichische Volksanwaltschaft hat ein – im Vergleich zu anderen europäischen Staaten – spezifisches Mandat: sie agiert sowohl als nationale als auch als regionale und lokale Ombudsmann Einrichtung. Die Volksanwaltschaft prüft die unmittelbare genauso wie die mittelbare Bundesverwaltung, auch die Privatwirtschaftsverwaltung fällt in ihre Zuständigkeit. Sieben der neun österreichischen Bundesländer – mit der Ausnahme von Tirol und Vorarlberg - haben die Volksanwaltschaft auch mit der Kontrolle der gesamten Landes- und Gemeindeverwaltung beauftragt.

In der Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft ist der EU-Bezug allgegenwärtig, gerade auch wenn es um die Ebene der Landesverwaltung geht. Bemerkenswert ist meiner Ansicht nach die große Bandbreite an teilweise sehr spezifischen Themen, die in der Praxis anfallen: Wird beispielsweise das Handeln der österreichischen Landesbehörden im Natur- und Landschaftsschutz von der Volksanwaltschaft geprüft, so sind sowohl die Vogelschutz-Richtlinie als auch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von Bedeutung. Auch in den Bereichen Tiergesundheit und Tierschutz gibt es detaillierte EU-Normen, die bei der volksanwaltschaftlichen Prüfung berücksichtigt werden müssen. Besonders herausgreifen möchte ich auch das Sozialrecht, in dem sich die Volksanwaltschaft vor allem mit dem EU-Antidiskriminierungsrecht beschäftigt. Kurz zusammengefasst: die Landesverwaltungen von heute sind mit immer komplexeren europäischen Normen, aber auch mit neuen – und eben grenzüberschreitenden - Lebensrealitäten konfrontiert. Daher rücken diese auch immer mehr in den Mittelpunkt der Prüftätigkeit von regionalen Ombudsmann Einrichtungen.

Die Bedeutung der europäischen Dimension ist also heute unbestritten. Schwieriger hingegen ist der gezielte Informationsaustausch zu relevanten Rechtsfragen, zumal es sich ja – wie ich eben bereits ausgeführt habe - sehr oft um ausgesprochen spezifische Rechtsfragen handelt. Diesen kontinuierlich steigenden Bedarf an Information und Wissensaustausch hat der Europäische Bürgerbeauftragte richtig erkannt und ist mit dem Verbindungsnetz einen sehr erfolgreichen Weg gegangen.

Im Rahmen des Informationsaustausches hat sich dabei meiner Ansicht nach besonders die online Plattform bewährt, über die ein schneller und unbürokratischer Austausch von Wissen über EU-Recht ermöglicht wird. Prüferinnen und Prüfer von nationalen und regionalen Ombudsmann Einrichtungen haben hier die Möglichkeit, direkt Kolleginnen und –kollegen aus ganz Europa mit rechtlichen Fragen zu kontaktieren. Das Themenspektrum dabei ist beeindruckend groß: es geht von spezifischen Fragen im Sozialversicherungsrecht mit EU-Bezug über allgemeine Fragen wie die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Prüfschwerpunkte der Ombudsmann Einrichtungen bis hin zu Fragen außerhalb des EU-Kontextes, wie zum Beispiel die Einbindung der Bürgerbeauftragten in den jeweiligen nationalen UPR Prozess.

Eine exzellente internationale Vernetzung ist für die Volksanwaltschaft von besonderer Bedeutung, nicht zuletzt, weil sie als Generalsekretariat des International Ombudsman Institute ein Multiplikator in der globalen Ombudsmann Community ist. Eine weitere Informationsquelle, deren Koordination das Europäische Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten übernommen hat, ist daher hier besonders positiv hervorzuheben. Die Ombudsman Daily News, die jeden Werktag veröffentlicht werden, enthalten nicht nur tagesaktuelle Nachrichten aus der europäischen Ombudsmann Welt, sondern zum Beispiel auch Pressemitteilungen des Europäischen Gerichtshofes.

Manchmal geht die Bedeutung der Vernetzung aber über den reinen Erfahrungsaustausch oder das Vermitteln von Best Practise Modellen hinaus. In diesem Zusammenhang möchte ich den Anwesenden die so genannte „cross-border healthcare directive” der Europäischen Union in Erinnerung rufen. Neben vielen sicherlich zu begrüßenden Aspekten sah der ursprüngliche Entwurf auch die Schaffung eines Europäischen Patienten Ombudsmannes vor. Dessen geplante Zuständigkeiten wurden europaweit von nationalen und regionalen Bürgerbeauftragten als problematisch erachtet. In dieser Frage hat sich die gute Kooperation der Ombudsmann Einrichtungen untereinander, aber auch die gute Koordination im Rahmen des Verbindungsnetzwerkes bezahlt gemacht. Auch wenn die Richtlinie in ihrer endgültigen Form noch nicht verabschiedet worden ist und derzeit wieder im europäischen Parlament behandelt wird, so ist nach derzeitigem Wissensstand davon auszugehen, dass der umstrittene Europäische Patienten Ombudsmann nicht Realität wird.

Ich bin mir sicher, dass das Verbindungsnetzwerk auch in Zukunft eine wichtige Rolle beim täglichen Informationsaustausch der regionalen und nationalen Bürgerbeauftragten spielen und sich entsprechend der Bedürfnisse der Ombudsmann Einrichtungen weiter entwickeln wird. Ich möchte auf meinen eben angesprochenen Punkt zurückkommen, wonach die Prüfung von Landesverwaltungen teilweise sehr spezifische Kenntnisse im acquis communautaire verlangen. Hier möchte ich eine Anregung des Europäischen Bürgerbeauftragten aufgreifen, die mir besonders sinnvoll erscheint: oftmals treten in Prüfverfahren Fragen der Auslegung von EU-Recht auf, die unmittelbaren Einfluss auf den Ausgang eines Prüfverfahrens haben und durch einen Informationsaustausch mit anderen Bürgerbeauftragten nicht ausreichend abgeklärt werden können. Die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge muss in solchen Fällen die erste Ansprechpartnerin sein, und einen Informationsaustausch mit deren juristischen Dienst zu institutionalisieren, wäre meiner Ansicht nach eine ausgesprochen sinnvolle Ergänzung des Angebotes des Verbindungsnetzwerkes.

Besonders in Zeiten von knappen öffentlichen Budgets kann ich verstehen, dass der zeitliche und monetäre Aufwand besonders für manche regionale Bürgerbeauftragte eine nicht unbeträchtliche Hemmschwelle darstellt, sich in dem europäischen Verbindungsnetzwerk zu engagieren. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich der Ressourceneinsatz bezahlt macht und sowohl nationale als auch regionale Bürgerbeauftragte von diesem Informationsaustausch dauerhaft profitieren. Denn wie immer gilt: je aktiver ein Netzwerk, umso höher der Nutzen für die einzelnen Beteiligten. Das Verbindungsnetzwerk ist ein wertvolles Instrument, das die gemeinsamen Bemühungen aller hier im Raum anwesenden Kolleginnen und Kollegen unterstützt: nämlich, das Recht der Bürgerinnen und Bürgern auf eine faire und transparente Verwaltung auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene konsequent durchzusetzen!