Mangelnde Information über Befreiung vom Selbstbehalt

27. Juni 2015

Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft müssen 20% des Gesamtbetrages für gewährte Leistungen, wie beispielsweise Arztbesuche, selbst tragen. Menschen mit Behinderung oder Personen mit geringem Einkommen können aber einen Antrag auf Befreiung vom Selbstbehalt stellen.

Im Jahr 2002 geht ein Wiener mit einer 60-prozentigen Behinderung in Berufsunfähigkeitspension. Erst Anfang dieses Jahres erfährt er über die Möglichkeit der Befreiung vom Selbstbehalt und stellt sogleich einen Antrag. Ihm wird die Befreiung ab Antragstellung, nicht jedoch eine Rückzahlung der bereits geleisteten Beträge gewährt. Den Grund hierfür findet man im sogenannten „Antragsprinzip“, das nahezu im gesamten Bereich des Sozialversicherungsrechts gilt: Einerseits muss ein Antrag gestellt werden und andererseits gilt die Befreiung erst ab Antragstellung.

„Wenn es auf der Seite der Versicherungsnehmer eine Versichertenpflicht gibt, so sollte es auf Seiten der SVA auch eine Informationspflicht geben“, so der Volksanwalt.

Dr. Neumann (Direktor des Geschäftsbereiches „Kundenmanagement und Prävention“ der SVA) versichert, dass es nun bereits eine Vereinbarung zwischen der SVA und dem Sozialministeriumsservice gebe. Zukünftig würden demnach alle Versicherten der gewerblichen Wirtschaft, die einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumsservice stellen, auf die Befreiungsmöglichkeit hingewiesen. Eine rückwirkende Befreiung und damit eine Rückzahlung sind aber rechtlich nicht möglich.

Im zweiten Fall war ein Niederösterreicher zwar über die Befreiung bei geringem Einkommen informiert, nicht jedoch über die Befreiung wegen einer Behinderung.

Somit füllte er im Jahr 2009 zwar das falsche Formular aus, notierte jedoch auf dem Antrag, dass er querschnittsgelähmt ist. Nach Überprüfung des Antrages kam die SVA zu dem Schluss, dass er aufgrund des Familiengesamteinkommens nicht für eine Befreiung in Frage kommt, da dieses über dem in den Richtlinien festgelegten Grenzbetrag liegt. Die SVA hielt es jedoch nicht für nötig, der Angabe über die Querschnittslähmung nachzugehen.

Volksanwalt Günther Kräuter ersucht den Vertreter der SVA um eine neuerliche Überprüfung des zweiten Falles. Dr. Neumann räumt ein, dass man die Notiz übersehen habe. Man werde sich mit dem Niederösterreicher in Verbindung setzen und eine Befreiung prüfen.

 Nachgefragt: Pflege oder Krankenhausbehandlung?

Kurz nach der Einlieferung in ein Wiener Spital wird eine 91-jährige Wienerin aus medizinischen Gründen in eine andere Abteilung desselben Krankenhauses verlegt. Dort wird sie drei Monate, bis April 2013, behandelt.

Ein halbes Jahr später erhalten Mutter und Sohn eine Rechnung in der Höhe von rund 8.000 Euro. Der Sohn geht von Leistungen im Rahmen der Krankenhauspflege aus, die nicht von der zuständigen Krankenkasse übernommen werden und begleicht die offene Rechnung. Nach dem Ableben der Mutter im Jahr 2014 meldet der Fonds Soziales Wien (FSW) im Verlassenschaftsverfahren eine Forderung in Höhe von rund 22.400 Euro an. Auf Nachfrage des Sohnes erhält dieser die Information, dass die Verlegung seiner Mutter im Krankenhaus eine Unterbringung im Rahmen einer geriatrischen Kurzzeitpflege gewesen sei.

Für eine dauerhafte oder befristete Unterbringung in ein Pflegeheim ist der Abschluss eines Heimvertrages erforderlich. Nach dem Heimvertragsgesetz müssen bestimmte Informationen, wie die Fälligkeit und die Höhe des Entgelts, Leistungen im Rahmen der Grundbetreuung, Dauer des Vertragsverhältnisses etc. im Vertrag enthalten sein. Der Sohn gibt an, dass er bislang keine Informationen darüber erhalten habe, ob ein solcher Vertrag rechtsgültig zustande gekommen sei.

In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ gab der Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, Peter Hacker, an, dass die Wienerin einen rechtsgültigen Heimvertrag unterschrieben habe. Alle Unterlagen, auf die sich die Kostenvorschreibung beziehen, wurden nach der Sendung der Volksanwaltschaft zur rechtlichen Beurteilung vorgelegt.

Nach sorgfältiger Überprüfung des Vertrages, hält Volksanwalt Kräuter fest, dass  „die Einrichtung nach den uns vorliegenden Unterlagen rechtskonform gehandelt hat“.

Um solchen Ungereimtheiten und Informationslücken vorzubeugen, empfiehlt der Volksanwalt die Errichtung einer Vorsorgevollmacht. Damit kann eine Person bereits vor dem Verlust der Geschäftsfähigkeit als Vertretung eine Bevollmächtigte oder einen Bevollmächtigten bestimmen. 

Nachgefragt: Kein barrierefreier Zugang zu Arztpraxen

Im Jahr 2014 prüfte die Volksanwaltschaft den Fall eines jungen Mannes, der bedingt durch seine schwere Muskelerkrankung dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Der zweifache Familienvater muss regelmäßig Fachärztinnen und Fachärzte aufsuchen, die Durchführung dieser wichtigen Kontrolluntersuchungen ist allerdings mangels barrierefreier Zugänge zu den Ordinationen kaum möglich.

Dies nahm die Volksanwaltschaft zum Anlass, zu überprüfen wie die Burgenländische Krankenkasse (BGKK) mit Barrierefreiheit in den Arztpraxen umgehe. Erfreulicherweise erklärte die BGKK, dass alle neuen Ordinationen ab 1999 einen barrierefreien Zugang aufweisen müssten, um einen Kassenvertrag zu erhalten. Welche Arztpraxen barrierefrei zugänglich sind, werde jedoch nirgends angeführt. Ende Mai lud Volksanwalt Günther Kräuter alle Vertreterinnen und Vertreter zu einem Runden Tisch, um nochmals die Problematik zu besprechen. „Die Ärztekammer wird bis Jahresende eine flächendeckende Untersuchung machen und dann fordern wir von der Krankenkasse, diese Daten zu veröffentlichen“ so Volksanwalt Kräuter abschließend.