Kostelka: Unsensibler Gutachter?

12. März 2011

Familie N.N. hatte sich an die Volksanwaltschaft gewandt, weil ein Gutachter, der im Auftrag der stmk Landesregierung ein Pflegegeldgutachten für den todkranken Sohn Jörg zu erstellen hatte, dabei ein Benehmen an den Tag legte, dass alle Angehörigen heute noch empört. Der Sohn starb wenige Stunden nach dem Besuch des Gutachters am 5. Jänner 2011.

Begonnen hatte die Krankheit des 28-jährigen schon vor neun Jahren mit einem Keimzellentumor. Im vergangenen Sommer wurden Tumore an der Wirbelsäule und Metastasen an der Lunge entdeckt. Die Diagnose war niederschmetternd und medizinische Hilfe nur mehr zur Linderung der Beschwerden im Sterbeprozess möglich. Dem Wunsch Jörgs entsprechend, entschlossen sich seine Eltern, die Lebensgefährtin und die Schwester, dem jungen Mann bis zu seinem Ableben zu Hause zu begleiten. Möglich war dies, weil die Mutter, eine diplomierte Krankenschwester, Hospizkarenz beantragte und gemeinsam mit den nächsten Bezugspersonen des Sterbenden die optimale Versorgung und liebevolle Begleitung sicherstellen konnte. Am Tag, als sich der Gutachter der Landesregierung ankündigte, war auf Grund der Symptome klar, dass der Abschied unmittelbar bevorstehen würde. Dementsprechend still und ruhig war die Atmosphäre im Haus und im Zimmer des Sterbenden, in dem Kerzen brannten. Der Gutachter negierte die Begrüßung der Eltern, stellte zu ihnen keinen Blickkontakt her und äußerte knapp, dass er keine Befunde mehr benötige.

Der aus dem Burgenland hinzugezogene Gutachter horchte er den Patienten kurz ab, hob aber nicht einmal die Decke, um den Hautzustand zu prüfen. Er fragte zwar: „Was machen’s denn für Pflege?“, wartete aber eine Antwort nicht ab. Statt sich zu informieren, was konkret getan werde, um Jörg das Sterben zu erleichtern, erkundigte er sich nach dem Vorhandensein von Dusche oder Badewanne, obwohl Jörg seit Wochen nur mehr im Liegen gewaschen werden konnte. Auch in weiterer Folge stellte er Fragen, ohne auf die konkret vorgefundenen Situation auch nur mit einem Wort einzugehen.

Der Vater beklagte die „Nichtachtung der Menschenwürde“ bei Untersuchungen. Von einem respektvollen Umgang mit einer Familie, die kurz davor stand, einen geliebten Menschen zu verlieren, konnte keine Rede sein, bestätigten auch die psychisch schwer belasteten Angehörigen.

Im Studio entschuldigte sich der Gutachter in einer schriftlichen Stellungnahme, erschien aber nicht persönlich. Die Leiterin der Sozialabteilung der Stmk. Landesregierung gab an, dass die Pflegegeldgutachter sorgfältig ausgesucht und geschult würden. Sie habe mit dem betroffenen Gutachter ebenfalls ein Gespräch geführt; er hätte die Situation zwar anders erlebt, entschuldige sich aber bei der Familie für den Fall, dass er sie durch sein Verhalten verletzt habe.

Der Vater von Familie N.N. wurde von verschiedenster Seite Beschwerden über ebendiesen Gutachter zugetragen. Offiziell beschweren wollte sich niemand, um es sich bei nachfolgenden Begutachtungen nicht zu verscherzen. Volksanwalt Dr. Peter Kostelka: „Immer und immer wieder erreichen uns auch Beschwerden über Gutachter. Es gibt viele Begutachtungen, die ordnungsgemäß durchgeführt werden, aber bei einigen wird bloß ein vorbereites Frageprogramm heruntergespult und wichtige Fragen nicht gestellt. Zu Recht wird hier eine Anteilnahme mit einem Sterbenden und dessen Familie eingemahnt".

Die Volksanwaltschaft fordert Konsequenzen: „Ein Gutachter, der sich so benimmt, ist nicht mehr heranzuziehen – oder erst dann, wenn er nachweislich ein anderes Verhalten an den Tag legt“, so Volksanwalt Kostelka. Bei Familie N.N. wurden Fragen zur Pflegestufe 5,6 oder 7 gar nicht erst gestellt. Der Patient wurde mit Pflegestufe 5 eingestuft, ein Urteil durch das Arbeits- und Sozialgericht ist noch ausständig.

Die Vertreterin der Sozialabteilung betonte erneut, dass sie nicht wegen eines einzigen Vorfalls einen Gutachter entheben werde. Sie kündigte aber weitere Gespräche mit ihm und den Angehörigen an.

VA Kostelka: „Wir werden jeden einzelnen dieser Fälle an die zuständigen Behörden weitergeben, damit die Fälle untersucht werden und Angehörige ihr Recht erhalten.“

 Die Volksanwaltschaft blieb aber natürlich an diesem Fall dran, und berichtete in der Sendung vom 28. Jänner 2012, in der Rubrik "Nachgefragt" über den neuen Stand der Dinge:  Volksanwalt Kostelka konnte nun positive Neuigkeiten berichten. Das Arbeits- und Sozialgericht habe bestätigt, dass das Gutachten nicht korrekt war, und habe rückwirkend die höhere Pflegegeldstufe anerkannt. Zudem werde der Gutachter nicht mehr zu Begutachtungen herangezogen. „Gutachter haben in einer solchen Situation auf die Kranken und deren Familien einzugehen“ betont Kostelka, der sich mit dem Ergebnis in diesem Fall zufrieden zeigt.

 

Lipödeme – Kein Ersatz durch die Krankenkasse?

 

Die 30jährige Niederösterreicherin Frau N.N. litt unter dem Lipödem. Dabei Es handelt sich um eine progrediente Erkrankung, die fast nur Frauen betrifft und sich in krankhaften Fetteinlagerungen an den Beinen und an den Hüften äußert. Das Lipödem tritt nicht ernährungsbedingt auf und ist auch nicht Ausdruck von Übergewicht – Diäten und Fastenkuren ändern nichts an der Umfangvermehrung krankhaften Fettgewebes an Hüften und Beinen.

Durch die Fetteinlagerungen litt Frau N.N. an starken Schmerzen, anfangs schien es, dass ihr kein Arzt helfen könne. Bis sie schließlich an eine Hautärztin kam, welche die Diagnose Lipödem stellte. Die betroffenen Frauen haben meist einen sehr schmalen Oberkörper, aber dicke Beine mit starker Dellenbildung. Durch Lymphdrainagen verbessere sich die Krankheit nur kurzfristig, meinte die behandelnde Fachärztin, die Frau N.N. zu einer Operation riet. Bei schwereren Fällen sei es laut Experten vernünftig, relativ früh die Fettzellen abzusaugen.

Frau N.N. bekam von der Krankenkasse zuerst einen Zehnerblock Lymphdrainagen genehmigt, weitere wurden jedoch abgelehnt. Sie litt anschließend bald wieder unter starken Schwellungen und durch die Druckempfindlichkeit waren Berührungen kaum möglich. Hinzu kam auch noch die psychische Belastung. Dadurch verlor sie ihren Job.

Die teuren Lymphdrainagen (650 Euro für fünf Wochen) machten für Frau N.N. danach eine Operation (7.500 Euro) attraktiver, kostengünstiger und auf lange Sicht auch gesundheitlich ratsamer. Die NÖGKK sah dies jedoch anders, und legte ihr bei einer Aussprache im chefärztlichen Dienst klar, dass Fettabsaugungen prinzipiell nicht genehmigungsfähig seien. Frau N.N. sah deshalb keine andere Möglichkeit, als sich Geld auszuborgen und sich im Internet zu erkundigen, wer solche Operation auf eigene Kosten durchführt.

Lipödeme sind für Nicht-Spezialisten noch relativ unbekannt sind, oft werden sie nicht einmal diagnostiziert, meinte der Operateur im Beitrag. Für Frau N.N. und zahlreiche andere Betroffene ist nicht klar, warum die Krankenkassen Beschwerden als kosmetisches Problem abtun und nicht die Kosten dafür übernehmen würden.

Seit der Operation sind nun 10 Monate vergangen, Frau N.N. ist schmerzfrei und hat einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Im Studio erklärte der Chefarzt der NÖGGK, dass die Krankenkassen normalerweise kein Fettabsaugungen zahlen. Bei Krankheitsbildern, wo dies vielleicht doch in Frage komme, würden ergänzende Befunde von in Spitälern tätigen plastischen Chirurgen gebraucht – die Frau N.N. aber nicht vorgelegt hat. Niemand hatte sie aber informiert, dass es überhaupt die Möglichkeit der Kostenübernahme geben hätte.

Volksanwalt Kostelka: „Beim Lipödem geht es nicht um eine normale, kosmetische Fettabsaugung, sondern um ein spezielles Krankheitsbild, das durch eine Fettabsaugung bekämpft werden kann. Frau N.N. wurde jedoch von der Krankenkasse mit ihrer Krankheit alleine gelassen. Erst jetzt wird argumentiert, dass vielleicht doch bezahlt worden wäre. Im Vorfeld wurde Frau N.N. aber abgewiesen und nicht ausreichend informiert.“

Laut NÖGKK gäbe es nun keine Möglichkeit, das Geld zu erstatten. Frau N.N. war zu einem Privatarzt gegangen, der die Operation durchführte. Für diese Behandlung gebe keine nachträgliche Verrechnungsmöglichkeit.

VA Kostelka: „Frau N.N. ist ein Härtefall, die Volksanwaltschaft hofft daher, dass es Geld aus dem Unterstützungsfonds für sie gibt. In Zukunft muss aber schon im Vorfeld informiert werden.“