Kaserne oder Wohnheim für Menschen mit Behinderung? – Teil 2

4. August 2015

Die Beobachtung der Kommission

Im März 2015 wurde am Beispiel einer Einrichtung dargestellt, wie starr und einschränkend die Lebensverhältnisse für Menschen mit Behinderung in Institutionen sein können, wenn die Leitung und das Personal deren Leben in einer Schutzhaft falsch verstandener Fürsorge bis ins Detail reglementieren. Diese Maßnahmen führen oft zu Isolation und sozialer Ausgrenzung.

Alle Angelegenheiten des täglichen Lebens finden an ein und derselben Stelle, unter ein und derselben Autorität statt. Der Tagesablauf ist exakt geplant, eine Phase geht zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt in die nächste über. Allen Bewohnern und Bewohnerinnen innen wird die gleiche Behandlung zuteil, alles was geschieht, wird für Gruppen geplant und von Gruppen erledigt. Persönliche Beziehungen und Freundschaften werden nicht gefördert. Die Unterbringung in Doppel- oder Mehrbettzimmern erschwert eine Entfaltung der einzelnen Persönlichkeiten und die Wahrung der Privat- und Intimsphäre.

Innerhalb solcher Organisationsstrukturen bestehen keine Einflussmöglichkeiten darauf, was man wie und mit wem selber tun möchte und von wem man betreut wird. Indem Betroffenen neben Individualität auch jegliche Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeit genommen wird, steigt die Abhängigkeit. Fehlende, unzureichende oder unangemessene individuelle Unterstützung gefährden so die persönliche und emotionale Integrität immer mehr.

Die Reaktion der Aufsichtsbehörde

Auf Grund der Kritik der Volksanwaltschaft hat die Landesregierung zu einer Besprechung eingeladen und der Leitung der Einrichtung aufgetragen, mit externer Hilfe das Leitbild, das Handlungskonzept und die Hausregeln im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention bis Juli 2015 neu und unter Einbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner zu erarbeiten. Desgleichen muss anschließend auch eine entsprechende Anpassung der pädagogischen Arbeit erfolgen. Ergänzend dazu wurde nach der Neuausrichtung eine speziell auf die Kritikpunkte der Kommission ausgerichtete Kontrolle der Einrichtung durch die zuständige Fachabteilung zugesagt.

Die Volksanwaltschaft stellt fest

Es ist evident, dass Einrichtungen dieser Größe nicht mehr zeitgemäß sind und eine klare Trennung anstelle der Verschmelzung von Arbeits- und Lebensbereichen stattfinden müsste. Es bedarf mehr als nur einer kleinen Veränderung. Eine den individuellen Bedürfnissen qualitativ und quantitativ angemessene Betreuung ist unabdingbar. Vor allem muss die Aufhebung isolierender Bedingungen und der Abbau struktureller Gewaltverhältnisse in allen Lebensbereichen erfolgen.