KOSTELKA: UNBEMERKTE SCHWANGERSCHAFT - GEMEINDE WIEN FORDERT AUSBILDUNGSKOSTEN ZURÜCK

8. Juni 2011

ORF-BÜRGERANWALT, 04.06.2011 mit VOLKSANWALT KOSTELKA

Unbemerkte Schwangerschaft – Gemeinde Wien fordert Ausbildungskosten zurück

Frau N.N.  aus Bad Blumau schloss mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), vertreten durch die Schule für Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege am Sozialmedizinischen Zentrum Ost Donauspital der Stadt Wien, eine Vereinbarung über die Absolvierung einer Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester ab. In dieser Vereinbarung verpflichtete sie sich, nach positivem Abschluss der Ausbildung ein dreijähriges Dienstverhältnis zur Stadt Wien einzugehen. Die junge Frau war willens, ihren Vertrag nach positivem Abschluss der Ausbildung zu erfüllen und bezog eine kleine Dienstwohnung. Dass sich ihr Leben in andere Bahnen bewegen würde, war weder absehbar noch beabsichtigt. Die junge Frau ist jetzt Mutter eines 2 ½ jährigen Mädchens und wurde aufgefordert, rund 19.300 Euro zurückzahlen, weil sie ihr Dienstverhältnis beendet hat. Volksanwalt Kostelka bezweifelt, dass der Wiener Krankenanstaltenverbund mit dieser Forderung durchkommt.

Frau N.N. hatte ihre Schwangerschaft negiert. Am Tag der Geburt habe sie unter starken Kreuzschmerzen gelitten und sei deswegen von ihrem Arbeitsplatz nach Hause gefahren. Nachdem sie die Schmerzen nicht mehr ausgehalten habe, fuhr sie ins Krankenhaus. Die Untersuchung dort brachte zutage, dass die Geburt kurz bevorstand. 36 Minuten später war das Baby auf der Welt – sehr zur Überraschung der Steirerin, die sich bis dahin keinerlei Gedanken gemacht hat, wie es jetzt weiter gehen soll. Auch Arbeitskolleginnen Arbeitskollegen sowie die Familie von N.N. war aus allen Wolken gefallen, weil es für eine fortgeschrittene Schwangerschaft überhaupt keine Anzeichen gegeben hat.

Frau N.N. blieb zwei Jahre in Karenz und kündigte schließlich beim KAV. Aufgrund der völlig veränderten Situation, hatte sich die Alleinerziehende entschieden, in der Steiermark bei ihrer Mutter zu wohnen, um dort ihr Kind gut versorgen und aufziehen zu können. Ein täglicher Arbeitsweg von über 150km von Bad Blumau nach Wien erscheint nicht zumutbar. Die kleine Tochter alleine in Wien zu versorgen, steht im Widerspruch mit dem Kindeswohl, weil auch die Großmutter zu einer wichtigen Bezugsperson für das Kind geworden ist. In einem Brief an den KAV erläuterte Frau N.N: ihre Situation. Die Antwort war schockierend, da sie eine Rückzahlungsauffforderung von fast 19.300 Euro an Ausbildungskosten enthielt. Dieser Konsequenzen war sich die 18-jährige bei Unterzeichnung des Vertrags nicht bewusst gewesen.

Der KAV lehnte die Einladung in die Sendung mit der schriftlichen Begründung ab, man brauche keine Öffentlichkeit und sei ohnehin mit Frau N.N. im Gespräch. Allerdings sei in der Vorbereitung der Sendung ein Verrechnungsfehler aufgefallen; die Forderung reduziert sich deshalb auf rund 15.700 Euro.

Volksanwalt Kostelka kritisiert vor allem, dass keine Billigkeitserwägungen statt finden.

Rechtsgrundlage für die Ausbildung zur/zum Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester/Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger ist das Bundesgesetz über Gesundheit- und Krankenpflegeberufe (GuKG). Dieses Bundesgesetz enthält keine Bestimmungen über die Tragung der Kosten der Ausbildung.

Grundsätzlich sind nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre Vereinbarungen, in denen sich der Dienstnehmer zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet, zulässig. Diese Vereinbarungen dürfen aber das Dienstnehmern zustehende Kündigungsrecht nicht unzumutbar beschränken und nicht gegen die guten Sitten verstoßen.

Während man Frau N.N. im KAV gesagt habe, dass sie vor Gericht mit dem Begehren auf Abstandnahme von der Forderung keine Chancen hätte und sich daher gar nicht erst an einen Anwalt zu wenden brauche, beurteilt Volksanwalt Kostelka die Situation anders. Er ist überzeugt, dass Frau N.N. in einem Prozess auch durchaus obsiegen könnte und beklagt, dass die Stadt Wien mit dieser Informationspolitik nur unstatthaften Druck ausübe. „Das ist nicht der richtige Umgang einer öffentlichen Körperschaft mit dem Bürger“, fügt er hinzu, und kündigt an, dass „wir weiter reden müssen. Das Kind ist da, und Frau N.N. muss sich ja darum kümmern. Wie sie das neben einer beruflichen Tätigkeit im KAV ohne Schaden für die Tochter tun soll, ist bisher völlig unbeantwortet. Das Einzige, was der Stadt Wien eingefallen war, ist das Versenden einer Zahlungsforderung und die Androhung rechtlicher Schritte.

Auch Bürgeranwalt Resitarits verspricht, an dem Fall dran zu bleiben, in der Hoffnung, dass mit Hilfe der Volksanwaltschaft die Forderung an Frau N.N. weiter reduziert oder aufgehoben werden kann, weil eine Berücksichtigung unvorhergesehener Umstände ebenso notwendig ist, wie eine Auseinandersetzung mit der Höhe der Forderung, die der KAV gegen eine junge Frau, die erst wieder den Einstieg in den Berufsprozess finden muss, erhebt.