KOSTELKA: OBERGRENZE FÜR MEDIKAMENTENKOSTEN VON 2% DES EINKOMMENS MUSS FÜR ALLE GELTEN

20. Mai 2011

Vorgestellt wurde ein konkreter Fall, der einen 71-jährigen Wiener betrifft. Herr N. N. leidet seit einigen Jahren an einer chronischen Erkrankung der Blut bildenden Zellen im Knochenmark und hat mehrere Darmoperationen sowie einen Herzinfarkt überstanden. Fast jede Woche braucht er Medikamenten-Nachschub, um Verschlechterungen zu verhindern. Dazu kommen auch noch spezielle Arzneimittel gegen eine schwere Hauterkrankung.

Dies bedeutet für ihn auch eine finanzielle Belastung. Über die vor drei Jahren eingeführte Rezeptgebührenobergrenze hatte er sich sehr gefreut, aber dann bald gesehen, dass er trotz all seiner Ausgaben diese nicht erreicht. Als er sich eine Jahresaufstellung von der Apotheke geben ließ, entdeckte er, dass die Rezeptgebühr und „Privateinkäufe" unterschiedlich betrachtete werden.

Alle Medikamente, die billiger sind als die Rezeptgebühr von derzeit 5,10 €, müssen von Patienten bezahlt werden, ohne dass sie bei der Berechnung der Obergrenze berücksichtigt werden. Obwohl Herr N. belegen kann, dass er 2009 und 2010 etwas mehr als 5% seines Nettoeinkommens für ärztlich verordnete Medikamente ausgegeben hat, erreicht er die Rezeptgebührenobergrenze so nicht. Würden auch die unter der Rezeptgebühr liegenden Ausgaben für Medikamente eingerechnet worden, hätte sich Herr N. im vergangenen Jahr Mehrausgaben von 221 € erspart und dieses Jahr seine Medikamente ab September gratis bekommen.

Er fordert daher, dass alle Medikamente, die am Rezept aufgeführt sind, auch die so genannten Privateinkäufe, angerechnet werden. Wenn man von billigeren Medikamenten mehr einnehmen muss, entstehen schließlich auch höhere Kosten.

Nachdem der Sozialminister schon im August 2010 angekündigt hatte, diese Lücke schließen, zu wollen, stellt sich die Frage, warum noch nichts passiert ist?

Das Gesundheitsministerium betont, dass eine Anrechnung aller Ausgaben für Medikamente nach wie vor erklärtes Ziel des Ministeriums sei, der unmittelbaren Handlungsbedarf zur Änderung bestehender einschränkender Richtlinien würde aber beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger liegen.

Für den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger müsste der Gesetzgeber tätig werden und dann auch für die Bedeckung der Mehraufwendungen Sorge tragen.

Volksanwalt Kostelka meint zu dieser Patt-Situation: „Einmal mehr bleiben aufgrund eines juristischen Streits zwischen dem Gesundheitsministerium und der Sozialversicherung Patienten auf der Strecke, denn bei aller Anerkennung der finanziellen Argumentation der Krankenkassen, die derzeitige Regelung ist ungerecht!"

Wie dann in der Sendung berichtet wurde, meldete sich kurz nach der Aufzeichnung Gesundheitsminister Stöger im Ö1-Mittagsjournal mit folgender Aussage zu Wort: „Das Gesetz verpflichtet den Hauptverband jetzt schon, die billigeren Medikamente in die Berechnung mit ein zu beziehen. Zusätzliches Geld gibt es aber nicht." Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass nicht die Kranken den Mehraufwand zahlen müssen, und der Hauptverband sei aufgefordert, den gesetzlichen Auftrag umzusetzen. Er werde mit dem Hauptverband reden.

Volksanwalt Kostelka dazu nochmals im Interview: „Es mag sinnvoll sein, noch eine Verhandlungsrunde zu starten. Aber noch vor dem Sommer sollte eine parlamentarische Lösung angestrebt werden, falls diese nicht zum Ziel führt, und dazu wird dann auch die Volksanwaltschaft ihren Beitrag leisten.

Resumé der Sendung: ein vorerst offenes Ende, aber man scheint die Anliegen von Menschen wie Herrn N. N. ernst zu nehmen, und der Fall wird weiter verfolgt.

 

Nachgefragt: Lipödem –finanzielle Unterstützung der Krankenkasse?

Schon im März 2011 beschäftigte sich die Sendung Bürgeranwalt mit dem Fall einer Niederösterreicherin, in dem in der Zwischenzeit eine Lösung gefunden werden konnte.

Seit ihrer Pubertät litt Frau N. N. an unansehnlichen Fetteinlagerungen in den Beinen und am Becken. Sie erhielt erst Jahre später von einer Hautärztin eine genaue Diagnose. Frau N. N. leide unter genetisch bedingten, so genannten Lipödemen.

Das sind vermehrte Fettzellen, meist an den unteren Extremitäten. Die betroffenen Frauen haben oft einen sehr schmalen Oberkörper, aber dicke Beine mit starker Dellenbildung.

Die Hautärztin verordnete Frau N. N. das Tragen von Bandagen und Lymphdrainagen, wobei die ersten zehn Lymphdrainagen von der Krankenkasse bezahlt, weitere jedoch abgelehnt wurden. Frau N. N. litt bald wieder unter starken Schwellungen und konnte durch die Druckempfindlichkeit kaum schlafen oder Berührungen ertragen. Hinzu kam auch noch die psychische Belastung. "Man müsse sich immer verstecken", beschrieb sie ihr Dilemma. Als die NÖ GKK keine Hilfe anbot, entscheid sich Frau N.N: zu einem operativen Eingriff bei einem Facharzt, der als Wahlarzt tätig ist und bezahlte dafür 7.500 Euro. Seither geht es ihr besser.

Im Studio erklärte der Chefarzt der NÖGKK im März 2011, dass die Krankenkasse normalerweise keine Fettabsaugungen zahlt. Bei Krankheitsbildern, wo dies vielleicht doch in Frage komme, würden ergänzende Gutachten zur Sinnhaftigkeit eines operativen Eingriffes von in Spitälern tätigen plastischen Chirurgen gebraucht – diese hätte Frau N. N. aber nicht vorgelegt. Niemand hatte sie aber zuvor informiert, dass es ausnahmsweise überhaupt die Möglichkeit der Kostenübernahme gegeben hätte. Nachträglich würde, da der Eingriff bei einem Privatarzt durchgeführt wurde, jetzt keine Verrechnungsmöglichkeit gesehen.

Volksanwalt Kostelka: „Glücklicherweise war damit doch nicht das letzte Wort gesprochen. Es hat mittlerweile Geld aus dem Unterstützungsfonds für Frau N. N. gegeben, mit dem bei Weitem nicht alles aber ein Teil der Kosten abgedeckt werden konnte. Es war eben keine Schönheitsoperation.

Fazit: Wenn konservative Entstauungstherapien keine Entlastung bringen und das Lipödem fortschreitet, sollten betroffene Frauen eine medizinische Einrichtung konsultieren, die prinzipiell mit den Krankenkassen verrechnen kann. Wenn ein dort erstelltes Gutachten nach umfangreicher Diagnostik die medizinische Notwendigkeit einer operativen Behandlung des Lipödems erläutert und bestätigt, besteht eher eine Möglichkeit, dass der Eingriff dann auch von der Krankenkasse bezahlt wird – und zwar zur Gänze, wie der Volksanwalt betont.