Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung bei Abschiebungen

19. August 2015

Die Beobachtungen der Kommission

Damit die medizinische Versorgung nicht an der Grenze bzw. mit der Übergabe an Behördenvertreter des Ziellandes endet, muss Kontakt mit den Behörden des Ziellandes aufgenommen werden. Damit soll die lückenlose Weiterführung einer medizinischen bzw. medikamentösen Behandlung im Zielland gewährleistet werden.

Die medizinische Versorgungslage im Zielland sei – so das Bundesministerium für Inneres (BMI) – bereits im Verfahren zu prüfen und Informationen der Staatendokumentation zu beachten.

Eine Abschiebung wäre auch bei einer bereits durchsetzbaren aufenthaltsbeendigenden Maßnahme unzulässig, wenn durch diese Maßnahme Art. 2 (Recht auf Leben) oder Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder einer erniedrigenden Behandlung) verletzt würden. Vor einer „begleiteten Rückführung“ und Charter-Rückführung werde die betroffene Person von einem Amtsarzt auf die Flug- bzw. Reisetauglichkeit untersucht. Dabei werde abgeklärt, ob Medikamente verabreicht bzw. mitgegeben werden müssen.

Bei Überstellungen in einen EU-Staat gemäß Dublin III-Verordnung müssten medizinische Bedürfnisse mit einheitlichem Formblatt bekannt gegeben werden.
Die Einwilligung der betroffenen Person werde eingeholt und im Zuge des Austausches der Überstellungsdaten werden dem Zielstaat das Formblatt sowie Befunde übermittelt. Bei schwerwiegenden Krankheiten werde auch die weitere Betreuung mit dem Mitgliedstaat abgeklärt.

Bei sonstigen Abschiebungen dürfen medizinische Daten mit den Behörden des Zielstaates nicht ausgetauscht werden. Dazu merkt das BMI an, dass diese unter den Datenschutz fielen, da diese Informationen sensibel seien und auch eine soziale Stigmatisierung bedeuten könnten. Aufgrund bestehender Rückübernahmeabkommen würden aber ebenso medizinische Bedürfnisse abgeklärt und eine ärztliche Versorgung unmittelbar nach Ankunft sichergestellt werden.


Im Fall von Charter-Abschiebungen erfolge eine entsprechende Organisation durch Verbindungsbeamte.

 

Die Volksanwaltschaft stellt fest

Die gesundheitliche Versorgung kranker, vor allem aber chronisch kranker Menschen, sollten die Behörden bei Abschiebungen und Rückführungen immer ausreichend mitbedenken. Im Sinne der Judikatur des EGMR ist vor allem im Hinblick auf Art. 3 EMRK (Verbot der Folter und erniedrigenden Behandlung) schon in den vorgeschalteten Verfahren stets zu prüfen, ob die Möglichkeit der Behandlung im Zielland besteht und somit eine aufenthaltsbeendende Maßnahme überhaupt zulässig ist.

Eine unerlässliche Grundlage für Amtsärztinnen und -ärzte, die Untersuchungen auf Reise- und Flugtauglichkeit vornehmen, ist die umfassende Information über die zur Verfügung stehende medizinische Versorgung im jeweiligen Zielland, die behördlicherseits zur Verfügung gestellt werden muss. Die vom BMI dargelegte Sicherung der medizinischen Weiterversorgung bzw. der Abbruch von Abschiebungen sollten den Abschiebteams und den Ärztinnen und Ärzten in Form eines Erlasses in Erinnerung gerufen werden.