Brinek: Sachverständigenmangel im Pflegschaftsverfahren

27. September 2010

22.000 Kinder und Jugendliche sind jährlich von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. „Das sind noch nicht alle Fälle“, ergänzt Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek. „Hinzukommen jene, deren Eltern gar nicht verheiratet waren.“ Für alle Beteiligten, besonders aber für die Kinder, ist die emotionale Belastung im Pflegschaftsverfahren groß. „Im Interesse der Kinder sollten die Verfahren rasch abgewickelt werden.“, stellt Brinek fest. Doch der drastische Mangel an Sachverständigen hat in den letzten Jahren zu zahlreichen Verzögerungen geführt. Die Volksanwaltschaft hat immer wieder auf die Probleme hingewiesen und Prüfverfahren eingeleitet, sie hofft auf die rasche Umsetzung der Vorschläge. Neue Fälle zeigen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.

Frau N.N. wandte sich im Zusammenhang mit einem Obsorgeverfahren an die Volksanwältin Brinek. Am 11. August 2009 hatte die BH Hollabrunn beim Bezirksgericht Hollabrunn einen Antrag auf Übertragung der Obsorge über deren Sohn eingebracht. Am 7. September 2009 beauftragte das Bezirksgericht eine Sachverständige mit der Erstattung eines Gutachtens binnen sieben Wochen – doch das schriftliche Gutachten langte erst am 30. Juni 2010 ein, fast zehn Monate später. Die Richterin konnte keine andere Sachverständige hinzuziehen: Die bereits beauftragte Sachverständige war die einzige eingetragene Sachverständige im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien für den Bereich Psychiatrie mit dem Zusatzfach Kinder- und Jugendpsychiatrie.

„Dieser Personalmangel ist inakzeptabel und belastet die betroffenen Familien. Schon in den Jahresberichten 2008 und 2009 kritisierte die Volksanwaltschaft den eklatanten Mangel an Sachverständigen im Rahmen von zwei amtswegigen Prüfverfahren. Im Anschluss an diese Prüfverfahren analysierte eine Arbeitsgruppe des Obersten Gerichtshofes die Probleme.

Die Arbeitsgruppe forderte unter anderem eine Gliederung der Sachverständigen nach Themenbereichen sowie einen Vorbereitungslehrgang, der auf die Besonderheiten des Pflegschaftsverfahrens Bedacht nimmt. „Die Verfahrensdauer im Pflegschaftsverfahren muss kürzer werden. Das Wohl der Kinder soll im Mittelpunkt stehen und rasche Entscheidungen vor den Gerichten tragen dazu bei“, so Brinek. Die Volksanwaltschaft fordert daher erneut eine Umsetzung der bereits vorliegenden Vorschläge der Arbeitsgruppe. Nur so kann der Personalmangel bei den Sachverständigen behoben werden und die Erstellung der Gutachten beschleunigt werden.