NGO-Forum 2024: Kinderrechte vollständig umsetzen!
Menschenrechte gelten für alle, und alle bis 18-Jährigen stehen zusätzlich unter dem Schutz der Kinderrechte. In Österreich ist die entsprechende UN-Konvention seit dem 5. September 1992 in Kraft. Aber es gibt Aufholbedarf bei der Umsetzung. Deshalb hat die Volksanwaltschaft die Kinderrechte zum Thema ihres heurigen NGO-Forums gemacht. „Die Umsetzung der Kinderrechte liegt an der Politik und an der Verwaltung. Deshalb haben wir gemeinsam mit vielen Organisationen aus der Zivilgesellschaft die Verantwortlichen gebeten, zu sagen, was aus ihrer Sicht getan wird, um die Kinderrechte in Österreich umzusetzen“, so Volksanwalt Bernhard Achitz: „Wir haben die Bundesverwaltung und die Länder um Inputs gebeten. Wir haben bei ihnen, aber auch bei den Parlamentsparteien nachgefragt: Was unternehmen die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, um sicherzustellen, dass alle Kinder in Österreich in den Genuss dieser Rechte kommen?“
Diskutiert wurde in Arbeitsgruppen zu den Themen Gewaltschutz, Kinderarmut, Bildung/Inklusion, Kindergesundheit sowie Umwelt/Beteiligung. „Wichtig war allen, dass hier auch Kinder und Jugendliche als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt zu Wort kommen“, sagte Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez vom Netzwerk Kinderrechte. Die Ergebnisse und Forderungen der Arbeitsgruppen werden später veröffentlicht.
Am zweiten Tag lud Volksanwalt Achitz Vertreterinnen und Vertreter aller Parlamentsparteien zu einer Podiumsdiskussion und bat einerseits um deren Einschätzung der Vorschläge der NGOs und fragte andererseits, wo der größte Handlungsbedarf besteht.
Gruber-Pruner (SPÖ): Es braucht direkte finanzielle Hilfe gegen existenzielle Not
Man müsse „am Bedürfnis jedes einzelnen Kindes ablesen, was es am dringendsten braucht, um sich besser und gesünder entwickeln zu können“, meinte Daniela Gruber-Pruner (SPÖ) in der abschließenden Podiumsdiskussion: „Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, an dem alle Ebenen gemeinsam arbeiten müssen.“ Die Kinderrechte könnten noch mehr Bekanntheit vertragen, etwa durch stärkere Verankerung in der Ausbildung von Elemantarpädagoginnen und Elemantarpädagogen sowie Lehrerinnen und Lehrer: „Dann kommen die Kinderrechte auch bei den Kindern an.“ Gewalt müsse man vorbeugend verhindern: „Ressourcen für die Prävention sind unglaublich wichtig, Stichwort ‚Frühe Hilfen‘."
Gegen die Kinderarmut empfahl Gruber-Pruner die Kindergrundsicherung: „Es braucht direkte finanzielle Hilfe für Familien in Not. Existenzielle Not aus den Familien zu nehmen wirkt.“ Die Verlagerung der Kinder- und Jugendhilfe zu den Bundesländern sei ein Fehler gewesen: „Das sollte rückgängig gemacht werden. Es gibt viele länderübergreifende Fälle, da passen die Regelungen nicht zusammen.“
Ecker (FPÖ): Gewalt dringlichstes Problem – in der Öffentlichkeit und in Familien
Es dürfe nicht darum gehen, einzelne Kinderrechte gegeneinander auszuspielen, sagte Rosa Ecker (FPÖ), aber die Gewalt sei sicher eines der dringlichsten Probleme: „Es kommt zu Gewalt in der Schule, aber auch in den Familien und in der Öffentlichkeit.“ Gewalt habe mehr Facetten als die „Watschen“. „Auch Mobbing, Diskriminierung und Erniedrigung usw. sind Formen von Gewalt. Kinder nehmen aber auch als Gewalt wahr, wenn sie vom Jugendamt aus der Familie genommen werden. Dafür gilt es, das Bewusstsein zu schärfen!“
Kinder mit Behinderungen würden besonderen Schutz brauchen. Für alle Kinder sei die gesundheitliche Situation eine Herausforderung: „Die psychische Belastung ist enorm, und es gibt zu wenig Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, an die sich die Kinder und Jugendlichen wenden können.“
Hamann (Grüne): Kinder haben ein Recht auf Klimaschutz und Natur
Für Sibylle Hamann (Grüne) besteht der größte Handlungsbedarf bei „Bildung im weitesten Sinn. Bildung ist mehr, als das, was wir im Unterricht lernen. Schule ist ein sozialer Ort, wo Kinder zu Menschen werden, und dieser Rolle wird die Schule derzeit nicht gerecht. Multiprofessionelle Teams und müssen massiv ausgebaut werden, das erweitert auch die Sichtweisen. Schule ist der Ort, wo man an die Teilhabe in der Gesellschaft herangeführt wird.“ Sie kritisierte die Zersplitterung der Kompetenzen: „Der gesamte elementarpädagogische Bereich gehört in Bundeskompetenz! Derzeit dürfen wir im Nationalrat nicht einmal ein Rahmengesetz für Kindergärten beschließen!“
Ein großes Anliegen ist ihr naturgemäß der Bereich Klima und Zukunft: „Kinder haben ein subjektives Recht auf Zukunft, Klimaschutz und Natur. Es muss einklagbar auf internationaler Ebene sein, und auf allen Ebenen vollzogen werden.“ Es gelte, Mitbestimmung junger Menschen zu ermöglichen und Selbstermächtigung zu fördern: „Das einzige, was der Demokratie wirklich hilft, ist, dass Kinder konkret mitbestimmen lernen.“
Krisper (NEOS): Psychotherapie auf Krankenschein für alle!
„Bei den Ministerien gibt es einen negativen Zuständigkeitskonflikt – alle wollen die Zuständigkeit für die Umsetzung der Kinderrechte abschieben. Hier muss man klare Verantwortlichkeiten festlegen“, forderte Stephanie Krisper (NEOS). Bei der Kinder- und Jugendhilfe sei die Verlagerung der Kompetenz zu den Ländern ein „fataler Fehler“ gewesen. Die Rechtsvertretung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gehöre ab Tag eins garantiert – und es bedarf offensichtlich eines entsprechenden Budgets für die nötigen Ressourcen, damit Bereitschaft entstehe, diese Verantwortung zu übernehmen.
Und auch sie macht auf die prekäre gesundheitliche Situation vieler Jugendlicher aufmerksam: „Psychische Erkrankungen müssen mit physischen gleichgesetzt werden“, meint sie und fordert: „Psychotherapie auf Krankenschein für alle!“
Volksanwalt Achitz an alle Parteien: Kinderrechte in die Koalitionsverhandlungen!
Eine Vertreterin der ÖVP musste kurzfristig krankheitsbedingt absagen. Volksanwalt Achitz gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass „alle Parteien manche Ergebnisse des NGO-Forums in die künftigen Koalitionsverhandlungen einbringen werden. Das Ziel ist, die Kinderrechtskonvention in Österreich möglichst bald und möglichst vollständig umzusetzen.“