Staatenprüfung Österreichs zur Behindertenrechtskonvention durch den UN-Fachausschuss

11. September 2023

Pressekonferenz vom 11.09.2023 zu den
Handlungsempfehlungen an Österreich durch den UN-Fachausschuss

 

 

Im Rahmen einer Pressekonferenz gaben Vertreterinnen und Vertreter der Volksanwaltschaft, der Behindertenanwaltschaft, des Österreichischen Behindertenrates, des Unabhängigen Monitoringausschusses und von Selbstbestimmt Leben Österreich Einblick in die Staatenprüfung Österreichs durch den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen am zweiten Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf.

Seit dem innerstaatlichen Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention am 26. Oktober 2008 müssen Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen die Konvention in Österreich umsetzen. Neben der Verwaltung sind sowohl die Gesetzgebung von Bund und Ländern als auch die Rechtsprechung gefordert, Maßnahmen im Einklang mit der Konvention zu setzen bzw. konventionskonform zu entscheiden. Der Staat muss darüber hinaus regelmäßig dem UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen über den Stand der Umsetzung berichten.

Die erste Staatenprüfung Österreichs fand am 2. und 3. September 2013 statt.

Sie wurde von einem aus 18 Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Vertragsstaaten bestehenden UN-Fachausschuss durchgeführt. Im Anschluss an diese erste Überprüfung wurden 23 Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

Am 22. und 23. August 2023 folgte die zweite und dritte Staatenprüfung.

Dazu wurde im Jahr 2018 vom UN-Ausschuss ein 45 Fragen umfassender Fragen-Katalog („List of Issues“) an Österreich übermittelt. Der Staat beantwortete diesen mit Beiträgen aller Bundesministerien und Bundesländer (Staatenbericht). Ergänzend zum Staatenbericht schrieben auch die Zivilgesellschaft (koordiniert vom Österreichischen Behindertenrat), der Unabhängige Monitoringausschuss, die Volksanwaltschaft und die Behindertenanwaltschaft einen Bericht und sandten diesen an den Fachausschuss.

Österreichische Zivilgesellschaft bei der Staatenprüfung

Im Vorfeld der Staatenprüfung (21.08.023) besprachen eine vom Österreichischen Behindertenrat koordinierte zivilgesellschaftliche Delegation, Vertreterinnen und Vertretern des Monitoringausschusses und der Behindertenanwaltschaft mit dem Fachausschuss im Rahmen eines nicht-öffentlichen Meetings die gravierendsten Mängel bei der Umsetzung der UN-BRK in Österreich aus Sicht der Zivilgesellschaft.

Dieses private Meeting war – neben den schriftlichen Eingaben – eine wichtige Informationsquelle für den Fachausschuss zur Vorbereitung auf die Staatenprüfung (konstruktiver Dialog) mit der österreichischen Staatendelegation.

Neben dem offiziellen Treffen mit dem gesamten Ausschuss traf sich die zivilgesellschaftliche Delegation noch mit einzelnen Mitgliedern des Fachausschusses, die zu bestimmten Themen noch mehr erfahren wollten, sowie dem Country Rapporteur Prof. Markus Schefer.

Am 22. und 23. August 2023 fand dann die tatsächliche Staatenprüfung statt. Hierbei musste die österreichische Staatendelegation Fragen des UN-Fachausschusses beantworten; auch die Überwachungsorgane (Volksanwaltschaft, Behindertenanwaltschaft und Unabhängiger Monitoringausschuss) hatten die Möglichkeit ein Statement abzugeben.

Kernthemen im Fachausschuss

Während der Staatenprüfung Österreichs wurden seitens des Fachausschusses insbesondere folgende Themen kritisch beleuchtet:

  • Verantwortlichkeit der Länder für die Umsetzung der UN-BRK:

Seitens des Ausschusses wurde kritisiert, dass es den Anschein macht, dass sich die Bundesländer nicht für die Umsetzung der UN-BRK verantwortlich sehen, sondern der Bund.
Dementsprechend stellte der Berichterstatter des Ausschusses eine Empfehlung in Aussicht, welche die Länder aufruft, Unterstützungsstrukturen aufzubauen, damit es zu weniger Erwachsenenvertretungen kommt.

  • Bildung:

Im Zuge der Staatenprüfung wurden seitens des Ausschusses zahlreiche Fragen zum Thema Bildung gestellt. Im Kern ging es bei vielen Fragen darum, weshalb es seit 2017 zu Verschlechterungen gekommen ist bzw. warum Kinder mit Behinderungen in der Regelschule nicht jene Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Leider wurden die Fragen des Ausschusses vom Staat Österreich im Rahmen der Prüfung nicht beantwortet.

  • De-Institutionalisierung:

Der Ausschuss sprach sein Unverständnis darüber aus, dass Österreich bis jetzt keinen umfassenden Plan für De-Institutionalisierung erstellt hat und forderte ein, dass Österreich hier rasch tätig wird.

  • Barrierefreiheit:

Der Ausschuss zeigte sich besorgt darüber, dass es im Bereich der Barrierefreiheits-Standards für den Wohnbau seit der letzten Staatenprüfung zu Verschlechterungen gekommen ist. Auch, dass es beispielsweise im Bereich der digitalen Barrierefreiheit zwar gesetzliche Vorgaben gibt, diese aber vom Staat und Unternehmen nicht eingehalten werden, beschäftigte den Ausschuss.

Abschließenden Bemerkungen - Handlungsempfehlungen für Österreich 

Am Ende des Gesamtprozesses der Staatenprüfung stehen die abschließenden Bemerkungen („concluding observations“) des Fachausschusses. In diesen hält der Ausschuss fest, ob ein Vertragsstaat seinen Verpflichtungen nachkommt und in welchen Bereichen es Versäumnisse gibt. Die Handlungsempfehlungen für Österreich werden zeitnah auf der Website der Vereinten Nationen veröffentlicht werden.

Statements von Volksanwalt Bernhard Achitz zu zwei Kernthemen:

„Das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, ist für Menschen mit Behinderungen hoch. Zahlreiche Einrichtungen haben noch immer keine Gewaltschutzkonzepte, keine Krisenkonzepte und keine verpflichtenden De-Eskalationstrainings für ihr Personal. Die Einführung solcher Konzepte muss daher flächendeckend verpflichtend vorgesehen werden und deren Einhaltung muss überprüft werden.“

„Die Arbeit von Menschen mit Behinderungen in Tageswerkstätten wird nicht als Arbeit anerkannt. Sie erhalten kein Gehalt und sie genießen keinen vollständigen sozialversicherungsrechtlichen Schutz. Sie bleiben daher abhängig und arm.“