Familienbeihilfe für Studierende

29. April 2009

Die Volksanwaltschaft ging von 2006 bis 2008 in beinahe 40 Prüfverfahren Beschwerden von Studierenden nach, die sich über den überraschenden Verlust der Familienbeihilfe beschwerten. Die Fälle zeigen, dass auch Studierende, die ihre Ausbildung zügig betreiben, nach der derzeit geltenden Rechtslage vom Verlust der Familienbeihilfe betroffen sind. Die Volksanwaltschaft regt aufgrund dieser offensichtlichen strukturellen Probleme an, das Familienbeihilfenrecht im Studium einer generellen Debatte zu unterziehen und legt ein mögliches alternatives Konzept vor.

Zügiges Studium - Verlust der Familienbeihilfe: Durch die derzeitige Rechtslage kann es auch bei zügigem Studienverlauf zum Verlust der Familienbeihilfe kommen. Ein Beispielfall: Frau N. absolvierte das auf 12 Semester Mindeststudiendauer ausgelegte Fach Pharmazie in 11 Semester. Obwohl sie zu den am schnellsten Studierenden ihres Faches gehörte, verlor sie ihren Anspruch auf Familienbeihilfe. Die vorgesehene Studiendauer für den zweiten Studienabschnitt wurde nämlich geringfügig überschritten. Frau N. hatte zwar Prüfungen aus dem dritten Abschnitt vorgezogen und das Studium dafür umso rascher abgeschlossen - dies wurde nicht berücksichtigt. Dieses Ergebnis entspricht zwar den familienbeihilfenrechtlichen Bestimmungen, scheint aber für die Volksanwaltschaft aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen äußerst bedenklich und stellt zudem eine gesetzliche Härte dar.

Doppelstudium - Familienbeihilfe wird gestrichen: Auch Studierende eines Doppelstudiums verlieren oft trotz raschen Studiums die Familienbeihilfe. Besonders belastend ist dies für Studierende, die für ihre angestrebte Berufsausbildung verpflichtend ein Doppelstudium betreiben müssen, zum Beispiel bei einer Ausbildung zur Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgin. Die Volksanwaltschaft konnte hier veranlassen, dass Fehler der Behörde bei der Berechnungsmethode richtiggestellt werden. Das grundsätzliche Problem ist damit aber nicht gelöst.

Langes Warten auf Praktikumsplatz - keine Familienbeihilfe: Laut Erlass des (damaligen) BMUJF kann bei einer Studienbehinderung im Universitätsbereich, die die zulässige Studiendauer verlängert, der Bezug der Familienbeihilfe um ein Semester verlängert werden. Eine Studienbehinderung kann sich aber auch auf mehrere Semester auswirken, manche Praktika werden nicht jedes Semester angeboten oder erstrecken sich über ein gesamtes akademisches Jahr. Nach einigen Beschwerden bei der Volksanwaltschaft räumte das zuständige Bundesministerium ein, dass in derartigen Fällen auch eine Verlängerung der Studiendauer um zwei Semester möglich ist.

Heirat während des Studiums - keine Familienbeihilfe: Folgendes Beispiel zeigt eine aus Sicht der Volksanwaltschaft nicht vertretbare Diskrepanz zwischen Bestimmungen im Familienbeihilfenrecht und im Studienförderungsrecht: Frau S. ist Studentin im vierten Semester. Nach ihrer Heirat wurde ihren Eltern die Familienbeihilfe gestrichen, da keine Unterhaltspflicht ihrerseits mehr besteht. Bei der Berechnung des Studienbeihilfeanspruchs wurde jedoch deren Einkommen weiter berücksichtigt und dem Einkommen des Ehegatten hinzugerechnet. Frau S. verlor auch die Studienbeihilfe. Diese Diskrepanz der Bestimmungen im Familienbeihilfenrecht und im Studienförderungsrecht ist für die Volksanwaltschaft nicht nachvollziehbar und führt zu gesetzlichen Härten.

Grundsatzdebatte notwendig: Aufgrund der Erfahrungen mit vielfältigen Problemen aus der Praxis tritt die Volksanwaltschaft für eine generelle Debatte über das Familienbeihilfenrecht im Studium ein. Die Volksanwaltschaft hält es dabei für überlegenswert, einen generellen Zeitrahmen für die Absolvierung der Ausbildung - unabhängig von Studienwechsel oder Studienabschnitten - einzuräumen. Mit dieser Änderung, die vom damals zuständigen BMGFJ jedoch nicht in Erwägung gezogen wurde, wären auch unbefriedigende Auswirkungen des geltenden Rechts bei unterschiedlichen Studienabschnittsunterteilungen gleicher Studien an verschiedenen Universitäten beseitigt. So verlieren derzeit Architekturstudierende in Inns-bruck die Familienbeihilfe und Mitversicherung schon nach drei Semestern, wenn sie die vorgeschriebene Semesterstundenanzahl nicht absolvieren, während dies für Studierende in Graz und Wien erst nach 7 Semestern passiert. Die Universitäten gestalten ihre Studienpläne autonom, auch der Umfang der zu erbringenden Leistungen mag sich unterscheiden - trotz-dem sind die genannten Unterschiede beim Familienbeihilfenbezug für die Betroffenen oft nicht nachvollziehbar und der frühe Verlust der Familienbeihilfe für die Familien daher sehr belastend.