Volksanwaltschaft: Menschenrechte in Österreich noch nicht ausreichend umgesetzt
Die Volksanwaltschaft als Österreichs Haus der Menschenrechte erreicht immer wieder punktuelle Verbesserungen, etwa Schulplätze für Jugendliche mit Behinderungen, Bettensperren, wenn in Alten- und Pflegeheimen wegen Personalmangels keine menschenrechtskonforme Pflege mehr möglich ist, oder die kürzlich angekündigten Verbesserungen im Bereich des Jugendstrafvollzugs. „Solche Erfolge im Einzelfall dürfen aber nicht davon ablenken, dass systematisch noch viel zu tun ist, damit es in Österreich nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt“, so Bernhard Achitz, derzeit Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Volksanwalt Walter Rosenkranz und Volksanwältin Gaby Schwarz anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember.
Achitz: Recht auf selbstbestimmtes Leben – auch in Einrichtungen wie Pflegeheimen
„Es gibt kaum ein Pflegeheim, wo wir in der Präventiven Menschenrechtskontrolle keine Beanstandungen haben“, berichtet Volksanwalt Bernhard Achitz. Diese sollte eigentlich dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu Verstößen gegen die Menschenwürde kommt, aber immer wieder stoßen die Kommissionen der Volksanwaltschaft auf konkrete Menschenrechtsverletzungen. Achitz: „Da geht es nicht nur darum, dass die Menschen nicht eingesperrt, fixiert oder übermedikamentiert werden. Sie haben auch in Einrichtungen das Recht auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben, das bedeutet auch, zum Beispiel selbst entscheiden zu können, wann sie abendessen, wann sie duschen und wann sie schlafen gehen.“ Die Volksanwaltschaft kooperiert auch eng mit der Zivilgesellschaft. Achitz: „Zuletzt haben wir in einer Wissenschaftskooperation mit der Österreichischen Liga für Menschenrechte ein Online-Monitoring-Tool entwickelt, das mit ein paar Mausklicks zeigt, wo Österreich in Sachen Menschenrechte säumig ist. Und es zeigt, dass dabei enormer Handlungsbedarf besteht.“
Rosenkranz: Verbesserungspotentiale für Menschen mit Behinderung
In Österreich ist die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen seit 2008 in Kraft. Sie schützt die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen. „Immer wieder erreichen die Volksanwaltschaft aber Beschwerden von Eltern, deren Kinder mit einer Behinderung im Schulwesen diskriminiert werden. Zum Beispiel dürfen sie kein freiwilliges 10. oder auch 11. Schuljahr absolvieren, obwohl gerade das für deren Entwicklung essentiell wäre“, erklärt Volksanwalt Walter Rosenkranz. „Die Volksanwaltschaft steht hier auf dem Standpunkt, dass ein Schulplatz in solchen Fällen nicht vom Zufall abhängig sein darf – ob es noch freie Plätze gibt – sondern, dass jedes Kind ein Recht auf ein freiwilliges weiteres Schuljahr haben sollte“, so Rosenkranz weiter. Um seinen Verpflichtungen laut Behindertenrechtskonvention nachzukommen, sollte die Republik Österreich hier einen Rechtsanspruch für diese Kinder schaffen. Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit den Menschenrechten von Menschen mit Behinderungen sei außerdem der barrierefreie Zugang zu Kultureinrichtungen: „Auch hier gibt es für Verbesserungen noch viel Luft nach oben“, stellt Volksanwalt Rosenkranz fest. „Aber auch die Ausstattung mancher Polizeidienststellen und die dortigen Hafträume sind noch immer von menschenrechtlichen Standards weit entfernt. Es gibt zwar das Bewusstsein für notwendige Verbesserungen, aber leider zu oft keine Budgetmittel.“
Schwarz: Setzen wir uns gemeinsam jeden Tag weltweit für Frauen- und Menschenrechte ein!
„Frauenrechte sind Menschenrechte! Gerade weil die Volksanwaltschaft auch Österreichs „Haus der Menschenrechte“ ist, unterstütze ich nicht nur als Frau, sondern auch als Volksanwältin alle, die sich für Frauen und ihr Menschenrecht auf ein Leben ohne Gewalt einsetzen“, betont Gaby Schwarz und nennt als Beispiel die Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“ von UN Women Austria, die mit dem Internationalen Tag der Menschenrechte endet. „Frauen- und Menschenrechte sollten für uns alle aber nicht nur an ein paar wenigen Tagen im Jahr im Fokus stehen, sondern jeden einzelnen Tag“, verdeutlicht Schwarz und verweist in ihrer Funktion als Generalsekretärin des Internationalen Ombudsman Institute darauf, dass der Kampf um Menschenrechte in einigen Ländern alles andere als einfach ist. „Viele meiner internationalen Ombuds-Kolleginnen und Kollegen stehen unter enormem Druck, weil sie Missstände aufzeigen. Umso wichtiger ist es, dass wir sie stärken, damit sie auch in Zukunft betroffene Bevölkerungsgruppen schützen und stärken können.“ Weiters mahnt die Volksanwältin, dass es auch in Österreich noch viel Luft nach oben gibt: „Wir haben zwar bereits Verbesserungen bei der menschenrechtlichen Situation erzielt, damit dürfen wir uns aber nicht zufriedengeben.“ Dringenden Handlungsbedarf sieht sie zum Beispiel beim Strafvollzug – etwa, wenn es um entsprechende Unterbringung oder um Suizidprävention geht. „Mit der Einrichtung einer bundesweiten Kommission für den Straf- und Maßnahmenvollzug haben wir als Volksanwaltschaft einen wichtigen Schritt gesetzt. Wir werden weiter genau hinschauen – auch wenn es um die vom Justizministerium angekündigte Verlegung der Jugendstrafanstalt von Gerasdorf nach Wien geht. Mit der Ankündigung einer weiteren Arbeitsgruppe wird es nicht getan sein. Wir erwarten uns rasche konkrete Maßnahmen.“
Stichwort Volksanwaltschaft und Menschenrechte
Auf nationaler Ebene ist die Volksanwaltschaft seit Juli 2012 auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig. Beratend steht der Volksanwaltschaft dabei ein Menschenrechtsbeirat zur Seite, der sich aus Vertretern von Ministerien, der Bundesländer und der Zivilgesellschaft (NGOs) zusammensetzt. Eine weitere Aufgabe der Volksanwaltschaft ist die präventive Menschenrechtskontrolle in Einrichtungen, in denen es zum Entzug oder zur Einschränkung der persönlichen Freiheit kommen kann, etwa in Justizanstalten oder Pflegeheimen. Diese Kontrollfunktion wird von den sieben von der Volksanwaltschaft eingerichteten Experten-Kommissionen ausgeübt. Der Großteil dieser Besuche erfolgt unangekündigt.
Die Kommissionen formulieren in Folge konkrete Empfehlungen zur Beseitigung der festgestellten Defizite. Die Liste an Empfehlungen ist hier abrufbar.