Volksanwalt Kräuter: Keine Kinder- und Jugendeinrichtung ohne sexualpädagogisches Konzept!

29. August 2018

Sexuelle Grenzverletzungen zwischen fremduntergebrachten Jugendlichen in Einrichtungen kommen leider immer wieder vor. Auch Kinder können betroffen sein. Häufig sind in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe traumatisierte Minderjährige untergebracht, die bereits in ihren Herkunftsfamilien Missbrauch erleiden mussten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen sind sich des Gefahrenpotentials meist bewusst – Strategien der Einrichtungen, um solche Grenzüberschreitungen präventiv zu vermeiden, fehlen jedoch oft.

Die Kommissionen der Volksanwaltschaft stellen bei ihren unangekündigten Besuchen fest, dass viele Einrichtungen über keine sexualpädagogischen Konzepte verfügen oder Ansätze zwar in der Schublade liegen, dem Betreuungspersonal aber gänzlich unbekannt sind. Allein schon Personalmangel und ungünstige bauliche Gegebenheiten können dazu führen, dass Grenzverletzungen übersehen werden. Immer wieder kommt es vor, dass übergriffige Jugendliche bzw. Kinder nicht getrennt werden und keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Volksanwalt Günther Kräuter: „Sexualpädagogisch Konzepte müssen daher in allen Bundesländern Voraussetzung für die Bewilligung von sozialpädagogischen Einrichtungen sein. Danach muss eine laufende Evaluierung der professionellen Umsetzung sichergestellt werden.“ Bisher sei nur in Wien, NÖ und Tirol eine Konzeptvorlage verpflichtend vor Bewilligung.

 

Sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen

Studien zufolge sind vor allem Frauen und Mädchen mit Behinderungen Gefahren sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen legen bei ihren Prüfungen besonderes Augenmerk auf dieses wichtige Thema, auch der Menschenrechtsbeirat ist eingebunden.

Kommissionen sind unabhängig von drohenden Gefahren in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Alten- und Pflegeheimen oft mit der Aussage konfrontiert, dass Sexualität „kein Thema“ sei bzw. es keine sexuellen Bedürfnisse gebe. Häufig herrscht die Vorstellung, dass Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung bzw. pflegebedürftige Personen „geschlechtsneutrale Wesen“ seien. Manchmal verlangen auch Verwandte jegliche sexuelle Aktivität zu unterbinden.

Sexualität gehört jedoch zu den existentiellen Bedürfnissen von Menschen und ist für Wohlbefinden, Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit von großer Bedeutung. Dies ist aus der Perspektive internationaler Menschenrechtsstandards absolut unstrittig.

Volksanwalt Kräuter: „Die UN-Behindertenrechtskonvention mahnt das Recht auf ein selbstbe­stimmtes Sexualleben von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Pflegebedarf ein.“

Einfühlsame Beziehungs- und Sexualkonzepte sollten in allen Einrichtungen erstellt werden, Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in Einrichtungen die Möglichkeit zur Sexualbildung und Aufklärung erhalten. Das Personal müsse für diese wichtige Aufgabe motiviert und geschult werden.