Intensivpflege zuhause – Wer übernimmt die Kosten?

3. Mai 2014

Ein Besuch im Freibad wird einem Wiener zum Verhängnis. Als er seinen zwei Söhnen den „Köpfler“ beibringen möchte, rutscht der Familienvater aus und stürzt mit dem Kopf auf den Boden des 1,30 Meter tiefen Kinderbeckens. Er wird vor Ort reanimiert und im AKH-Wien einer Notoperation unterzogen. Dort wird eine inkomplette Querschnittlähmung festgestellt.

Nach mehreren Krankenhausaufenthalten im In- und Ausland wird dem gelernten Schlossermeister in einem Krankenhaus in Tübingen, Deutschland, ein Zwerchfellstimulator eingesetzt. Mithilfe des Stimulators ist er zum einen nicht mehr ständig auf die künstliche Beatmung angewiesen, durch hartes Training will er das selbstständige Atmen wieder erlernen. Seit Ende 2013 ist er wieder zuhause und benötigt dort rund um die Uhr fachgerechte Betreuung.

Zu den Gesamtausgaben von rund € 25.000 mtl. für zehn diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen mit einer Sonderausbildung für Intensiv-Pflege, die Herrn N.N. abwechselnd versorgen, kommt der Fonds Soziales Wien (FSW) abzüglich des Pflegegeldes mit einer Unterstützung in Höhe von rund € 11.200 auf. Die WGKK leistet für die medizinische Hauskrankenpflege lediglich rund € 700 mtl. Bisher war die Finanzierung der Restkosten durch Unterstützung des Familien- und Freundeskreises möglich; jetzt sind aber alle Reserven ausgeschöpft und alle Ersparnisse aufgebraucht.

In einem Schreiben an die Volksanwaltschaft, teilt die WGKK mit, dass eine Einweisung in eine Krankenanstalt zurzeit nicht erforderlich scheint und eine intensivmedizinische Hauskrankenpflege nicht mehr als zwei Stunden pro Tag (€ 23,04) in Anspruch genommen werden müsse. Laut Dr.in Karin Zoufal fehle der WGKK die rechtliche Grundlage, um weitere Zahlungen leisten zu können. Das sieht sowohl der Fonds Soziales Wien als auch die Magistratsdirektion Wien anders. Die Familie N.N. fürchtet, dass ein Wechsel in ein Spital oder ein Pflegeheim unausweichlich ist, wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird.

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter verweist darauf, dass es in anderen Bundesländern bereits beispielhafte Vereinbarungen unter der Beteiligung von Krankenversicherungsträgern gibt, die auch beatmungspflichtigen Patienten einen Verbleib in der Familie ermöglichen. Zudem haben der Oberste Gerichtshofes (OGH) und der VfGH in einem ähnlichen Fall im Rahmen der medizinischen Hauskrankenpflege eine Kostenübernahme zu Marktpreisen zugelassen und die Refundierung des Aufwandes der Gebietskrankenkasse durch den Landesgesundheitsfonds als angemessen erachtet. Herr N.N. möchte bei seiner Familie leben; eine dauerhafte Verlegung in ein Geriatriezentrum wäre für den erst 46-Jährigen und seine Familie nicht eine große psychische Belastung; es bestünde zudem eine hohe Infektionsgefahr.

Für die Volksanwaltschaft maßgeblich ist, dass Menschen mit Behinderung, nach Art.19 der UN-Behindertenrechtskonvention, „gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben“. „Wir akzeptieren nicht, dass die WGKK nicht mehr als 700 € übernimmt.“, so der Volksanwalt im Studio der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“.

Die Volksanwaltschaft wird VertreterInnen der WGKK, des Fonds Soziales Wien, des Hauptverbandes der Magistratsdirektion Wien und des Bundesministeriums für Gesundheit demnächst zu einem Runden Tisch einladen.

Nachgefragt: „Zahnersatz“

Wie schon in der letzten ORF-Sendung „Bürgeranwalt“, vom 12. April 2014, ging es auch in diesem Fall aus dem Jahr 2010 um eine junge Frau, die an dentaler Aplasie leidet – bei der Salzburgerin bildeten sich keine zweiten Zähne. Die Behandlung umfasste aufwendige kieferchirurgische Eingriffe und verursachte Kosten in der Höhe von rund € 14.000. Die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) sicherte zwar die Kostenübernahme für einen festsitzenden Zahnersatz zu, der satzungsmäßige Kostenzuschuss betrug jedoch lediglich rund € 3.128. Für den restlichen Betrag müsste die gelernte Köchin selbst aufkommen.

Nach der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ erklärte sich die SGKK bereit, die gesamten Kosten, die bei der Behandlung in der Bernhard Gottlieb Universitätszahnklinik in Wien entstehen, zu tragen.

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter zeigt sich erfreut und hofft auch im Fall der 25-jährigen Frau aus der Steiermark auf einen erfreulichen Ausgang.