Erneut kollegiale Missstandsfeststellung wegen Salzburger Heimaufsicht

8. September 2023

Das Land Salzburg begnügt sich wieder einmal mit Empfehlungen, statt einzuschreiten. Die Volksanwaltschaft sieht erhebliche Missstände und erinnert Minister Rauch und die Bundesländer an die angekündigten Gespräche zur Vereinheitlichung der Pflege-Aufsicht.

Die Volksanwaltschaft hat am 4. September erneut eine kollegiale Missstandsfeststellung beschlossen, weil die Heimaufsicht des Landes Salzburg nicht eingeschritten ist. Diesmal geht es um ein Seniorenheim, das die Vorschrift, eine Pflegedokumentation zu führen, nahezu völlig ignoriert hat. „Es gibt in der Einrichtung keine zeitgemäße elektronische Dokumentation, sondern nur Zetteln mit Listen, wo Hakerl gemacht werden. Niemand kann nachvollziehen, wer welche Tätigkeit durchgeführt hat. Manche Pflegeleistungen waren auch gleich im Voraus für den nächsten Monat abgehakt“, berichtet Volksanwalt Achitz. Der Heimaufsicht war das bekannt, sie hat aber trotzdem alles für in Ordnung befunden.

Empfehlung an LH Haslauer: Zielorientierte Pflege tatsächlich gewährleisten!

Die Empfehlung der Volksanwaltschaft an den Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer lautet, das Land möge „die aufsichtsbehördliche Prüftätigkeit zukünftig nicht nur danach auszurichten, ob die Rahmenbedingungen für eine grundsätzliche Führung einer Pflegedokumentation und eines Pflegeprozesses gegeben sind, sondern auch zu prüfen und sicherzustellen, dass die inhaltliche Ausgestaltung der Pflegedokumentation und des Pflegeprozesses eine zielorientierte und planmäßige Pflege im Sinn des § 3 Salzburger Pflegegesetz tatsächlich gewährleistet.“

Am 18. Mai 2021 führte die Salzburger Landesregierung als Aufsichtsbehörde einen Besuch in dem Seniorenwohnhaus durch. Im Anschluss an den Besuch sprach die Aufsichtsbehörde insgesamt 21 Empfehlungen zur Qualitätssicherung aus, unter anderem betreffend die Leistungsdokumentation. Sie stellte fest, dass dieses Seniorenwohnhaus als einziges noch keine elektronische Pflegedokumentation betreibe. Die Tätigkeiten würden mit „Häkchen“ als erledigt bestätigt. Welche Pflegeperson die jeweilige Tätigkeit ausgeführt hat, sei nicht immer ersichtlich. Die Aufsichtsbehörde empfahl, auf eine rationelle und zeitgemäße Dokumentationsform umzusteigen (Umsetzungsfrist: sofort). Bei einer stichprobenartigen Überprüfung sei zudem festgestellt worden, dass Leistungen mittels Stricherl bereits für den kommenden Monat als erledigt bzw. erbracht vermerkt worden seien. 

Und trotzdem: Nach Einschätzung der Salzburger Heimaufsicht waren die Mindeststandards gemäß § 3 Salzburger Pflegegesetz erfüllt, sie hat keine Aufträge zur Mängelbehebung im Sinne des § 33 Abs. 3 Salzburger Pflegegesetz ausgesprochen. „Die Umsetzung der unverbindlichen Empfehlungen wurde dem Einrichtungsträger überlassen. Auch auf weitere Kontrollbesuche verzichtete die Heimaufsicht“, kritisiert Achitz.

Volksanwaltschaft stellte gravierende Dokumentationsmängel fest

Am 13. Dezember 2021 führte die Kommission 2 der Volksanwaltschaft eine unangekündigte Kontrolle in dem Seniorenwohnhaus durch und stellte gravierende Mängel im Bereich der Pflegedokumentation und des Pflegeprozesses fest. Es gab keine Schmerz-, Mangelernährungs-, Sturz- oder Dekubitusassessments. Die laut Pflegeplan vorgesehenen Maßnahmen stimmten nicht mit den Maßnahmen der Durchführungsnachweise überein. Für sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner wurden dieselben standardmäßig vorgedruckten Durchführungsnachweise verwendet, worauf ausschließlich unklare, sehr allgemeine bzw. weit gefasste Maßnahmen (z.B. Sterbebegleitung, Lagerungsmaßnahme, Windel, besondere Aufsicht, Dekubitus-Prophylaxe u.v.m.) vermerkt waren. Die Durchführungsnachweise wurden mittels Stricherl anstelle von Unterschriften erbracht. Dadurch konnte nicht nachvollzogen werden, welche konkrete Pflegehandlung von welcher Pflegeperson erbracht wurde, und auch der Zeitpunkt war nicht ersichtlich.

Salzburg sieht keine Legitimation, Umsetzung von Empfehlungen auch zu kontrollieren

Die Volksanwaltschaft empfahl, auf ein elektronisches Dokumentationssystem umzusteigen, was auch zugesagt wurde. Am 4. Jänner 2023 führte die Kommission 2 einen Folgebesuch durch – und nichts hatte sich geändert. Die Pflegedokumentation war immer noch hochgradig mangelhaft. Sie war nicht auf elektronisch umgestellt worden und entsprach weder den Anforderungen des GuKG noch des Salzburger Pflegegesetzes. Deshalb leitete die Volksanwaltschaft ein Prüfverfahren ein und fragte die Landesregierung, welche aufsichtsbehördlichen Maßnahmen gesetzt wurden, um die Behebung der im Mai 2021 auch von der Aufsichtsbehörde festgestellten Defizite sicherzustellen, sowie aufgrund welcher Überlegungen trotz der festgestellten Defizite von einer zielorientierten und planmäßigen Pflege im Sinne des § 3 Salzburger Pflegegesetz ausgegangen wurde. Die Antwort: Die Aufsichtsbehörde sei weder veranlasst noch legitimiert gewesen, die Umsetzung der unverbindlichen Empfehlungen aufsichtsbehördlich zu überprüfen. „Diese Rechtsauffassung ist aus Sicht der Volksanwaltschaft verfehlt“, heißt es in der Missstandsfeststellung.

Die rechtsunrichtige und lediglich an den Rahmenbedingungen, aber nicht an den Inhalten der Pflege- und Betreuungsmaßnahmen, ausgerichtete Prüfung der Salzburger Heimaufsicht betreffend die Sicherstellung der Mindeststandards gemäß § 3 Salzburger Pflegegesetz war bereits vor etwa einem Jahr Anlass für eine Missstandsfeststellung.

Bund-Länder-Gespräche über einheitliche Heimaufsicht immer noch ausständig

„Aufsichtsbehörden müssen kontrollieren, ob die Pflege angemessen und menschenwürdig durchgeführt wird“, fordert Achitz: „Um hochwertige Pflege sicherzustellen, braucht es bundeseinheitliche Regelungen für qualitative Mindeststandards sowie bundeseinheitliche Maßstäbe für die Aufsichts- und Kontrolltätigkeit der Länder.“ Diese hat auch bereits der Rechnungshof eingemahnt. Gespräche darüber hatte Sozialminister Johannes Rauch vor einem Jahr angekündigt, bisher dürfte nicht viel passiert sein. „Die Volksanwaltschaft hat sich mehrfach bereiterklärt, an entsprechenden Gesprächsrunden zwischen Bund und Ländern teilzunehmen, etwa im Rahmen der Sozialreferentinnen- und Sozialreferenten-Konferenz. Bisher habe ich keine Einladung dazu erhalten“, bedauert Volksanwalt Achitz.