Caritas und Volksanwaltschaft: „450.000 PflegegeldbezieherInnen haben keine Wahl. Sie warten auf Reformen!“
Caritas Präsident Landau und Volksanwalt Kräuter richten sich vor der Wahl mit 5-Punkte-Plan an künftige Regierung: „Geben Sie 450.000 PflegeldbezieherInnen Ihre Stimme!“ Reformen von Pflegegeld bis einheitlichen Qualitätsstandards gefordert.
In weniger als zehn Jahren wird unser Land weltweit zu jenen Staaten mit der ältesten Bevölkerung gehören. Jedes zweite Neugeborene wird – so weit man das heute bereits sagen kann – seinen 100. Geburtstag erleben. „Das ist zu allererst erfreulich. Aber es stellt uns auch vor enorme Aufgaben“, betonte Caritas Präsident Michael Landau bei einem Termin einen Tag vor dem internationalen Weltalzheimertag. „Wir müssen heute reagieren, um auch morgen eine an der Würde des Menschen Maß nehmende Pflege sicherzustellen!“ Gemeinsam mit Volksanwalt Günther Kräuter skizzierte Landau jene Reformen, die von der nächsten Bundesregierung dringend angegangen werden müssen. „Im Jahr 2050 werden in Österreich mehr als doppelt so viele Menschen wie heute über 80 Jahre alt sein – rund eine Million Männer und Frauen“, unterstrich Kräuter. „Es herrscht Handlungsbedarf. Denn Fragen der Pflege sind immer auch Fragen der Menschenrechte!“ Landau und Kräuter machten 5 Reformen aus, die dringend nötig sind. „Die Zukunftstauglichkeit der Pflege hängt davon ab, ob es gelingt den Menschen Sicherheiten zu geben: Den Betroffenen und ihren Angehörigen sowie den Pflegekräften selbst.“ Kräuter: „Wir brauchen mehr Personal, einheitliche Finanzierungs- und Qualitätsstandards sowie praxistaugliche Regeln in der Pflege.“
Punkt 1: Pflegefinanzierung sichern! Pflegegeld erhöhen!
Caritas und Volksanwaltschaft begrüßten die Abschaffung des Pflegeregresses. „Doch Pflege ist mehr als ein Wahlkampfthema“, so Landau. „Der Pflegefonds läuft im Jahr 2021 aus. Eine nachhaltige, solidarische Finanzierungslösung für die Zukunft ist unerlässlich“, sagt Kräuter. Caritas und Volksanwaltschaft fordern daher eine deutlich bessere Ausstattung des Pflegefonds und eine Erhöhung des Pflegegeldes. Der Wertverlust beträgt seit Einführung mehr als 30 Prozent. Landau: „Die Betroffenen brauchen eine jährliche Valorisierung des Pflegegelds!“ Für Kräuter ist klar: „Wir brauchen bundeseinheitliche Regeln.“ Wie absurd der Gesetzesdschungel quer durch Österreich ist, zeigt eine aktuelle Gesetzessammlung der VA in Buchform[1]. Kräuter: „Es geht um den sogenannten Personalschlüssel, aber auch um Infrastruktur, Diagnostik, Behandlung, Pflege und Betreuung.“
Punkt 2: Gütesiegel, mehr Kontrollen und einheitliche Standards!
Landau forderte eine Harmonisierung der Pflegesysteme: „Wir benötigen österreichweit einheitliche Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsstandards. Umfang, Qualität und Kosten der Pflege dürfen nicht länger vom Wohnort abhängen!“ Kräuter verwies auf den jüngsten Bericht der Volksanwaltschaft, der zum Teil erhebliche Missstände im Pflegewesen thematisiert hatte: „Ich bin überzeugt: Die Mittel des Pflegefonds müssen österreichweit an einheitliche und verbindliche Qualitätsstandards geknüpft werden!“ Konkret sollten Betreibern von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen die Mindestzahl und die fachspezifische Qualifikation der MitarbeiterInnen verbindlich vorgeschrieben werden. Kräuter fordert aber auch Kontrollen in der 24-Stunden-Betreuung: „Diese Form der Betreuung erfolgt heute praktisch ohne Kontrollen. Auch hier müssen Qualitätskriterien definiert und durch PflegeexpertInnen
unangekündigt kontrolliert werden. Für Agenturen würden wir uns die Einführung eines Qualitätsgütesiegels wünschen.“ Landau verwies hier auf jenes Gütesiegel, das sich die Caritas, Hilfswerk und Volkshilfe selbst im Bereich der 24-Stunden-Betreuung auferlegt haben. Ein Gütesiegel, das auch unangekündigte Qualitätskontrollen vorsieht.
Punkt 3: Mehr Personal und Pflege zur Zukunftsbranche machen!
Aus Sicht Kräuters steht auch eine qualitative und quantitative Aufstockung des Pflegepersonals an. „Das Pflegepersonal leistet überwiegend sehr engagierte Arbeit. Oft jedoch am Rande der Belastbarkeit. Mehr Personal ist daher notwendig! Der Bedarf an Pflegekräften wird bis zum Jahr 2050 auf 100.000 steigen.“ Landau fordert, Pflegeberufe attraktiver zu gestalten und in Ausbildung zu investieren: „Derzeit werden Fachsozialbetreuer und Diplomsozialbetreuer in den meisten Bundesländern nicht in Personal- und Finanzierungsschlüsseln berücksichtigt. Das muss sich ändern – im Sinne der Betroffenen und im Sinne der Pflegekräfte.“
Punkt 4: Demenzstrategie umsetzen!
Einig zeigten sich Kräuter und Landau im Bereich Demenz. Kräuter: „Die 2015 vorgestellte Demenzstrategie der Regierung war ein wichtiger Schritt. Denn neben einer alternden Bevölkerung stellt die Zunahme demenzieller Erkrankungen eine der größten Herausforderungen im Pflege- und Gesundheitsbereich dar.“ Caritas und Volksanwaltschaft mahnen nun die Umsetzung der Strategie ein: Landau: „Schon heute sind demenzielle Erkrankungen der Pflegegrund Nummer 1. Wir benötigen rasch konkrete und überprüfbare Demenzpläne in allen Bundesländern. Und klar ist auch: All diese Maßnahmen müssen mit konkreten Budgets im Pflegefonds sichergestellt werden.“
Punkt 5: Angehörige unterstützen!
Landau verwies abschließend auf die vielleicht zentralste Forderung. „80 Prozent aller PflegegeldbezieherInnen werden Zuhause von Angehörigen betreut. Wir sprechen von hunderttausenden Menschen, die direkt oder indirekt mit dem Thema konfrontiert sind. Viele von ihnen brauchen Unterstützung. Es geht um ein Mehr an öffentlich geförderten, leistbaren und verfügbaren Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Und als Caritas fordern wir einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit.“ Kräuter: „Wir würden auch eine Ausweitung der Pflegefreistellung als sinnvoll erachten. Erwachsene Kinder benötigen einen Rechtsanspruch, um sich um ihre Eltern kümmern zu können – auch dann, wenn sie nicht unter demselben Dach wohnen.“
[1] Petra Niederhametner, Adelheid Pacher (Hrsg): Gesetzessammlung für Pflegeheime. Facultas, 2017
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Cornelia Bast,pflegende Angehörige, Caritas Präsident Michael Landau und Volksanwalt Günther Kräuter (v.l.n.r.)