BRINEK: KONTROLLE DER STAATSANWALTSCHAFTEN

30. August 2010

Die Volksanwaltschaft kontrolliert die Justizverwaltung, die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften, den Strafvollzug und prüft, ob Verfahrensverzögerungen gegeben sind. Ein großer Teil der Vorsprachen und Schreiben bezog sich allerdings – wie auch in den Vorjahren – auf Akte der unabhängigen Rechtsprechung.

Frau N.N. hatte im Dezember 2007 einen Autounfall, bei dem sie verletzt wurde. Als nach einem Jahr die Verjährung eintrat und die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte, wandte sich das Unfallopfer an die Volksanwaltschaft. Der verdächtige Unfalllenker war an einer Wohnadresse im Ausland gemeldet. Eine Einvernahme war daher nur auf dem Rechtshilfewege möglich. Im Rechtshilfeansuchen an die slowakischen Behörden wies die Staatsanwaltschaft Wien nicht auf die Verjährung hin. Als sich die Verjährungsfrist näherte, urgierte sie die Unterstützung auch nicht. Das zweite Gewaltschutzgesetz 2009 bringt hier nun eine Besserstellung, sodass in ähnlich gelagerten Fällen keine Verjährung mehr eintreten kann.

In einem anderen Fall wurde der Motorradfahrer Herr N.N. bei einem Unfall mit einem Pkw verletzt. Der Unfallgegner beging Fahrerflucht, laut Zeugenangaben handelte es sich dabei um ein Fahrzeug mit polnischem Kennzeichen. Trotz dieser Information gab die Staatsanwaltschaft Wien nach drei Monaten bekannt, dass der Fahrzeuglenker noch nicht ausgeforscht sei. Das Prüfverfahren der Volksanwaltschaft bestätigte, dass nach der Anzeige keine weiteren Ermittlungen erfolgt waren. Die Staatsanwaltschaft Wien hatte kein Rechtshilfeersuchen an ihre polnischen Kolleginnen und Kollegen gerichtet, weil sie in der Vergangenheit damit wenig zufrieden stellende Erfahrungen gemacht hatte. Es ist inakzeptabel, dass eine Behörde untätig bleibt, weil sie Ermittlungen bereits im Vorhinein als erfolglos einstuft. Auch in Polen existiert ein zentrales Kraftfahrzeugregister und die Volksanwaltschaft konnte so erreichen, dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens doch eine Lenkererhebung durchführte. Nur so kann der flüchtige Unfalllenker eventuell noch ausgeforscht werden.

Die Volksanwaltschaft beschäftigte sich aus Anlass eines Prüfverfahrens mit der Handhabung der Geschäftsverteilung in den Staatsanwaltschaften. Ein für Wirtschaftsstrafsachen zuständiger Wiener Staatsanwalt hatte in einem Strafverfahren Entscheidungen getroffen, obwohl er nach der geltenden Geschäftsverteilung nicht dafür zuständig war. Das Verfahren war ihm vom Leiter der Staatsanwaltschaft Wien auch nicht übertragen worden. In der Staatsanwaltschaft gibt es keine verbindliche Definition des Begriffes „Wirtschaftsstrafsachen“. Das von der Volksanwaltschaft überprüfte Verfahren fiel aber ganz offenkundig nicht unter diesen Begriff. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Behandlung einer Strafsache durch einen bestimmten Staatsanwalt. Es darf aber auch kein Zweifel an dessen Objektivität aufkommen. Es muss sichergestellt werden, dass Staatsanwälte Strafverfahren nicht entgegen der Geschäftsverteilung an sich ziehen. Die Staatsanwaltschaft Wien setzte in diesem Fall angemessene disziplinar- und dienstrechtliche Schritte.