Achitz: Neues Corona-Gesetz muss Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen sicherstellen
Stellungnahme der Volksanwaltschaft sieht in Novelle zum Epidemiegesetz „rechtsstaatlich bedenkliche Entwicklungen“: Durch eine Gesetzesnovelle will das Gesundheitsministerium die fehlenden rechtlichen Grundlagen für das Corona-Ampelsystem schaffen und – nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof – wieder die Ermächtigung bekommen, Betretungsverbote zu erlassen. Die Volksanwaltschaft empfiehlt nun in ihrer Stellungnahme, die bereits an Ministerium und Parlament übermittelt wurde, eine gründliche Überarbeitung der Novelle.
Betretungsverbote auch für Privatwohnungen möglich?
Die Volksanwaltschaft kritisiert, dass in der Novelle nicht von Betretungsverboten von „bestimmten öffentlichen Orten“, sondern nur von „bestimmten Orten“ die Rede ist. Daraus könnte gefolgert werden, dass sich die Verordnungsermächtigung auch auf die Regelung bestimmter nicht öffentlicher Orte, also z. B. auch Privatwohnungen bezieht. „Damit würde die Macht des Gesundheitsministers extrem weit über die derzeit geltende Rechtslage hinausreichen“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Damit würde in einer noch nie dagewesenen, massiven Weise in den intimen Lebensbereich der Menschen eingegriffen.“ Diese – von den Verfassern des Gesetzesentwurfs möglicherweise nicht gesehene – Problematik könnte dadurch beseitigt werden, dass statt von "bestimmten Orten" von "bestimmten öffentlichen Orten gesprochen wird.
Betretungsverbot für „alle öffentlichen Orte“ überschießende Grundrechtseinschränkung
Problematisch erscheint der Volksanwaltschaft auch, dass sich die Möglichkeit der gänzlichen Untersagung des Betretens auf alle öffentlichen Orte erstreckt. Achitz: „Es ist schwer vorstellbar, dass eine Untersagung des Betretens aller öffentlichen Orte zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sein kann.“ Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen viel größer als im Freien, weshalb es immer gelindere Maßnahmen (z. B. Abstandsregeln, Maskenpflicht) geben wird. Ein – auch durch Ausnahmen aufgelockertes – umfassendes Betretungsverbot aller öffentlichen Orte ist im Lichte der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen daher unverhältnismäßig.
Mit rechtlichen Vorgaben dafür sorgen, dass Freiheitsbeschränkungen für Gesunde gar nicht notwendig werden
Die Volksanwaltschaft ist auch für die präventive Menschenrechtskontrolle in Einrichtungen zuständig, in denen es zu Freiheitsbeschränkungen kommen kann. Sie nimmt zur Gesetzesnovelle auch in dieser Funktion Stellung und weist erneut auf rechtsstaatlich bedenkliche Entwicklungen in Altenpflegeheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen hin.
Gemäß einer Verfassungsbestimmung darf nur die Freiheit von Menschen beschränkt werden, von denen eine Gefahr ausgeht, weil sie entweder selbst infiziert und (potentiell) infektiös sind oder zumindest der konkrete medizinische Verdacht einer Infektion besteht. „Statt pauschal alle Heimbewohnerinnen und -bewohner mit Ausgangsverboten in ihrer Freiheit zu beschränken, muss sichergestellt werden, dass rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden: Ausreichend Schutzausrüstung muss vorhanden sein, die Hygienekonzepte der Heimbetreiber müssen von den Gesundheitsbehörden auf ihre Tauglichkeit geprüft werden, und wenn es zu einem Corona-Ausbruch kommt, müssen die Einrichtungen schnell technische und personelle Unterstützung bekommen. Für all das braucht es eine gesetzliche Verankerung“, fordert Achitz, „so kann das Infektionsgeschehen rechtzeitig eingedämmt werden, und überschießende Ausgangs- und Betretungsverbote für Gesunde sind gar nicht erst notwendig.“
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Stellungnahme der Volksanwaltschaft sieht in Novelle zum Epidemiegesetz „rechtsstaatlich bedenkliche Ent-wicklungen“. Volksanwalt Achitz: „Damit würde in einer noch nie dagewesenen, massiven Weise in den intimen Lebens-bereich der Menschen eingegriffen.“
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