Volksanwaltschafts-Ausschuss im Parlament

6. Mai 2010

Der Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats hat am 5. Mai 2010 die Beratungen über den Jahresbericht der Volksanwaltschaft für das Arbeitsjahr 2009 aufgenommen. Auf der Tagesordnung standen die allgemeinen Wahrnehmungen der Volksanwaltschaft und Prüfverfahren im Grundrechtsbereich.

Die Inanspruchnahme der Leistungen der Volksanwaltschaft ist ungefähr gleich geblieben“, berichtete die Vorsitzende der Volksanwaltschaft, Terezija Stoisits. „Seit 2002 bewegen sich die Beschwerden auf gleich bleibend hohem Niveau“. Der Sozialbereich von Volksanwalt Peter Kostelka ist dabei führend, gefolgt vom Prüfbereich Gemeindeverwaltung, für den Volksanwältin Gertrude Brinek verantwortlich zeichnet. Auch die Prüfbereiche Justiz und innere Sicherheit waren im vergangenen Jahr ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft. Volksanwältin Stoisits betonte die Bedeutung der Sprechtage in Wien und den sechs weiteren Bundesländern, die einen ganz anderen Zugang zu den BürgerInnen bieten als die schriftlichen Beschwerden.

Weiters hob sie hervor, dass wichtige legistische Anregungen der Volksanwaltschaft wie die Identitätskarte endlich umgesetzt wurden: In Österreich aufhältige staatenlose Personen und Personen ohne Aufenthaltsrecht haben endlich Anspruch auf eine Identitätskarte. Gleichzeitig bedauerte sie aber, dass die legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft nicht stärker beachtet werden. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft können nur am Petitionsausschuss und an der Diskussion des Jahresberichtes teilnehmen. Doch gerade die Volksanwaltschaft stoßt im Rahmen ihrer Prüftätigkeit immer wieder auf problematische Auswirkungen von Gesetzen und könnte ihre Expertise in den einzelnen Fachausschüssen des Nationalrats einbringen. Ein Beispiel ist das verschärfte Staatsbürgerschaftsrecht. Stoisits ist überzeugt, dass die Folgewirkung einzelner Bestimmungen von den Abgeordneten nicht beabsichtigt war: Jemand, der unverschuldet in eine Notlage geraten ist, hat derzeit keine Chance auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Anerkannte Flüchtlinge, die alt und krank sind oder junge behinderte Menschen können trotz jahrelangem Aufenthalt in Österreich die Staatsbürgerschaft nicht erwerben: „Das Pflegegeld zählt nicht zum Einkommen und die notwendige Höhe des Einkommens, um Österreicherin bzw. Österreicher zu werden, wird daher nicht erreicht.“

Volksanwalt Peter Kostelka strich die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit von nationalen Ombudsmann Einrichtungen hervor. Die österreichische Volksanwaltschaft war 1977 die siebte Ombudsmann Institution, mittlerweile gibt 135 weltweit. Jede moderne Verfassung sieht diese Einrichtung vor, auch wenn sie in der Praxis sehr unterschiedlich ausgeformt sind. Das Generalsekretariat des International Ombudsman Institute (I.O.I.) befindet sich seit 1. September 2009 in Wien in der Volksanwaltschaft und will junge derartige Einrichtungen unterstützen. Eine neue Website geht demnächst online.

Als "wirklich niederschmetternd" beurteilte Kostelka die Tatsache, dass es in Österreich zwar 7.000 Rehabilitationsplätze gibt, aber praktisch keinen einzigen, der speziell für Kinder ausgerichtet ist. „Schwer bzw. chronisch kranke Kinder brauchen aber Begleitung durch einen Elternteil und schulische Betreuung“, so Kostelka. Er sieht aber "Anzeichen und Bereitschaft", auf die Argumente der Volksanwaltschaft einzugehen und verwies in diesem Zusammenhang auf die Einbindung der Volksanwaltschaft in den von Gesundheitsminister Stöger initiierten Gesundheitsdialog.

Ein "echtes Problem" ist für Kostelka auch die Jugendwohlfahrt. Zwar würden die Länder langsam zu reagieren beginnen, aber es gibt nach wie vor Defizite wie zu wenig Personal für die steigende Nachfrage.

Kostelka und Brinek betonten, dass das Diskriminierungsverbot nicht vor Gemeindegrenzen halt macht. Alle BürgerInnen zahlen Steuern – vergünstigte Eintritte für Einheimische verstoßen gegen die Grundrechte. Auch beim Gleichheitsgrundsatz bemängelte Volksanwältin Gertrude Brinek die Seniorenvorteilskarte bei Bahn und Bus für Männer ab 65, für Frauen hingegen schon ab 60 Jahren. „Das ist kein geeigneter Weg, um die Benachteiligung von Frauen in vielen anderen Bereichen auszugleichen und die tatsächliche Gleichstellung zu fördern.“

Brinek berichtete von zahlreichen Beschwerden im Bereich des Sachwalterschaftsrechts und der Obsorge: Die Sachwalter haben zu wenig Kontakt zur betreffenden Person, die Bedürfnisse der besachwalterten Person werden nicht genug berücksichtigt und die Familie oft nicht angehört. Problematisch ist auch die Entgeltregelung. Positiv äußerte sich auch Brinek zur von mehreren Abgeordneten angesprochenen engeren Zusammenarbeit der Volksanwaltschaft mit dem Petitionsausschuss.