Volksanwaltschaft prüfte schwerpunktmäßig sozialpädagogische Einrichtungen

30. November 2022

Schlecht ausgebildetes Personal führt zu Überforderung - Überforderung führt zu Fluktuation und Personalwechsel - Personalwechsel bedeutet Beziehungsabbrüche - All das kann zu Menschenrechtsverletzungen führen

Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft für die Präventive Menschenrechtskontrolle zuständig. Nun haben ihre Kontrollkommissionen schwerpunktmäßig sozialpädagogische Wohngemeinschaften in ganz Österreich geprüft. Dafür wurden 131 Besuche durchgeführt.

„Auf den Prüfschwerpunkt haben sich die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen geeinigt, weil die Ausbildungen und Qualifikationen des Personals in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt sind. Wir haben uns angeschaut, ob die Qualifikationen der Beschäftigten den konkreten Bedingungen in ihren WGs entsprechen“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Die Professionalität der Fachkräfte einer Einrichtung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche bestmöglich in ihrer Entwicklung begleitet werden.“

Viele Polizeieinsätze wegen Personalmangels und falscher Ausbildung

Die Kommissionen haben sich einerseits angeschaut, wie und wie gut die Beschäftigten in den Jugend-WGs ausgebildet sind und wie es mit Weiterbildung und Supervision ausschaut – und andererseits, wo große Probleme auftreten, die auf fehlende Aus- und Weiterbildung zurückzuführen sind. Zwischen Überforderung des Personals, entweder durch fehlende oder nicht passende Ausbildung oder durch Überarbeitung wegen Personalmangels, auf der einen Seite und der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen auf der anderen besteht ein direkter Zusammenhang“, warnt Achitz: „Drastisch ist das an den vielen Polizeieinsätzen und Psychiatrieeinweisungen zu sehen. In 41 Prozent der Einrichtungen wussten sich die Beschäftigten nur mehr zu helfen, indem sie die Polizei gerufen haben.“

Nur die Hälfte der Beschäftigten hat die richtige Ausbildung

Kinder- und Jugendhilfe ist Länderangelegenheit. In den einzelnen Bundesländern werden unterschiedliche Berufsgruppen für die Arbeit in sozialpädagogischen WGs zugelassen. Der Prüfschwerpunkt der Volksanwaltschaft zeigt auf, dass nur ungefähr die Hälfte des in sozialpädagogischen Einrichtungen arbeitenden Betreuungspersonals eine sozialpädagogische Ausbildung hat. „Es gibt Träger, in deren WGs nicht eine einzige Betreuerin, nicht ein einziger Betreuer mit sozialpädagogischer Ausbildung arbeitet“, sagt Gerald Herowitsch-Trinkl vom Dachverband Österreichischer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (DÖJ). Er kritisiert, dass seit Jahren viel zu wenig geeignetes Fachpersonal ausgebildet werde: „Die Personalnot ist massiv. Diese Situation wird durch oft fehlende Standards noch verschärft. Sind zum Beispiel die Beschäftigten mit zehn Kindern in einer WG alleine, können sie gar nicht anders, als permanent in Überforderungssituationen zu kommen. Manche Kolleginnen und Kollegen kündigen, weil sie sich überfordert fühlen, andere, weil sie das Gefühl haben, die ihnen anvertrauten Kinder nicht richtig unterstützen zu können. Es braucht also nicht nur gut ausgebildete Menschen in der Betreuung, sondern auch genügend Personal, um das Wissen auch anwenden zu können.“