Volksanwaltschaft präsentiert Jahresbericht 2017
„Der Jahresbericht der Volksanwaltschaft bestätigt das große Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Arbeit. Im Jahr 2017 verzeichnete die Volksanwaltschaft ein steigendes Beschwerdeaufkommen. Insgesamt wandten sich 20.097 Menschen mit einem Anliegen an uns“, sagt die Vorsitzende Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek. Im Schnitt langten somit 82 Beschwerden pro Arbeitstag ein. Im Vergleich zu den Vorjahren bedeutet dies einen neuerlichen Anstieg.
Darüber hinaus leiteten die Mitglieder der VA 127 amtswegige Prüfverfahren ein und die Experten-Kommissionen führten österreichweit 495 Kontrollbesuche durch. In über 73 % der Fälle beanstandeten sie die menschenrechtliche Situation. Mit dem vorliegenden Jahresbericht2017 legten Volksanwältin Gertrude Brinek, Vorsitzende der Volksanwaltschaft, und die Volksanwälte Peter Fichtenbauer und Günther Kräuter die Ergebnisse ihrer Arbeit vor:
Dabei leitete die VA in über 50 % der Fälle (10.333) ein formelles Prüfverfahren ein, davon betrafen 7.155 Prüfverfahren die Bundesverwaltung (ein Plus von rund 17 %). Wie in den letzten Jahren betrafen die meisten Prüfverfahren den Bereich Innere Sicherheit (42,3 %). Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf die hohe Anzahl asylrechtlicher Beschwerden. An zweiter Stelle rangiert der Sozialbereich. Rund ein Fünftel aller Beschwerden betraf Mängel im Bereich des Arbeitsmarktservice, der Pflegegeldeinstufung sowie Probleme rund um das Pensionsversicherungsrecht. 13 % aller eingeleiteten Prüfverfahren betrafen Beschwerden über die Justiz, insbesondere die Dauer von Gerichtsverfahren und Verfahren der Staatsanwaltschaften sowie der Strafvollzug.
Kein Personalmangel in der Richterschaft
Anlässlich der Präsentation des Jahresberichts kritisierte Volksanwältin Gertrude Brinek die Proteste der Richterschaft gegen das Justizbudget und einen vermeintlichen Personalmangel. Volksanwältin Brinek: „Ich sehe darin einen unangebrachten Alarmismus, der das Vertrauen in den Rechtsstaat in Frage stellt.“ Die Zahl der Personalstellen sinke weder im heurigen noch im kommenden Jahr und dass man Richteranwärter-Stellen reduziere, sei angesichts sinkender Fallzahlen zulässig, so die Volksanwältin.
Kritisch sieht sie hingegen das fehlende medizinische und pflegerische Personal im Straf- und Maßnahmenvollzug. „Um einzelne Ärztestellen in Haftanstalten besetzen zu können, werde es Sonderverträge brauchen. Schließlich gibt es für Mediziner attraktivere Jobmöglichkeiten als die Arbeit in Gefängnissen.
Polizeianhaltezentren bleiben Baustelle
Bereits in ihrem letzten Parlamentsbericht empfahl die VA die Umsetzung zahlreicher Maß-nahmen zur Anhaltung in Einzelhafträumen, inklusive besonders gesicherter Zellen, zur Pra-xis des Schubhaftvollzugs in Form des offenen Vollzugs sowie zur Verbesserung der Be-suchszeiten und Besuchsmodalitäten. „Die Situation in Anhaltezentren hat sich zwar verbessert, doch einige Baustellen bleiben bestehen“, berichtete Volksanwalt Peter Fichtenbauer und schilderte einen Vorfall im PAZ Innsbruck, wo mehrere Personen während ihrer Unterbringung in der Zelle entweder völlig nackt oder nur mit Unterwäsche bekleidet angetroffen wurden. Zwei nackte Personen seien mehr als sechs Stunden zusammen in einer "gepolsterten Zelle" untergebracht gewesen.
Darüber hinaus kritisierte Volksanwalt Fichtenbauer den Mangel an Gymnasiumsplätzen in der Steiermark: „Wohlbegründete Wünsche der Eltern in Bezug auf die Bildung ihrer Kinder sind zu berücksichtigen.“ Auch wenn sich das Bildungsministerium nicht von den Argumenten der Volksanwaltschaft überzeugen ließ, gibt es Grund zu Hoffnung. Denn die Schaffung von AHS-Unterstufen-Standorten ist im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen.
Pflegebereich erfordert Reformen
Volksanwalt Günther Kräuter kritisierte die Indexierung der Familienbeihilfe: „Sie ist nicht nur europarechtswidrig, sondern hat auch negative Auswirkungen auf andere Bereiche. Angesichts der sich verschlechterten finanziellen Bedingungen werden beispielsweise Pflegerinnen aus Tschechien und der Slowakei künftig wohl Deutschland, wo gerade offensiv nach Pflegekräften gesucht wird, bevorzugen.“
Auch die österreichische Pflegepolitik bleibt im Zentrum der Kritik der Volksanwaltschaft. Um einen Ansturm auf Pflegeheime zu verhindern, sollte die mobile Pflege ausgebaut werden. „Meistens reichen bei der Pflege zu Hause, etwa durch eine 24-h-Betreuung, aber die kleine Pension und das Pflegegeld nicht aus. Betroffene müssen ihre Sparbücher heranziehen oder ihre Kinder müssen finanziell einspringen“, so Kräuter. Der Volksanwalt fordert auch bessere Kontrollen bei der 24-Stunden-Betreuung daheim inklusive stichprobenartiger Prüfungen. Er appelliert daher an Bund und Länder: „Der derzeit mit 366 Mio. Euro dotierte Pflegefonds muss zielgerichtet als Instrument zur Finanzierung und Qualitätssteigerung sowohl in Heimen als auch im privaten Bereich eingesetzt werden. Die Mittel des Pflegefonds sollten deshalb an verbindliche Qualitätskriterien wie Personalschlüssel und Infrastruktur gebunden werden.“
All-Parteien-Antrag zur Novellierung der Heimopferrente
Positives gibt es aus dem Bereich der Heimopferrente zu berichten. Mittlerweile liegt ein All-Parteien-Antrag vor, um das Heimopfergesetz auf Opfer von Gewalt in Krankenhäusern und privaten Heimen auszuweiten. Kräuter: „Ich hoffe auf einen raschen Beschluss. Es ist traurig und erschütternd, dass inzwischen schon sechs Antragsteller verstorben sind.“