Volksanwalt Achitz fordert Abschaffung von Fehltagsregelungen für Menschen mit Behinderungen
Viele Menschen mit Behinderungen leben in Wohneinrichtungen - möglichst eigenständig, aber doch betreut. Die Kosten dafür werden von öffentlichen Stellen übernommen. Ein Problem dabei beschäftigt Volksanwalt Bernhard Achitz aber bereits zum wiederholten Mal. Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner eine bestimmte Anzahl von Tagen nicht im Wohnheim sind, weil sie etwa an Wochenenden bei den Eltern übernachten, müssen die Familien deswegen oft ziemlich viel Geld bezahlen. „Das widerspricht dem Recht auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben, wie es von der UN-Behindertenrechtskonvention UN-BRK) vorgesehen ist. Und es ist ungerecht, denn die Anwesenheitspflicht gilt faktisch nur für Menschen, die sich die ‚Strafzahlung‘ für Fehltage nicht leisten können“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Die Volksanwaltschaft fordert von den Bundesländern daher die Abschaffung solcher Abwesenheitstagsregelungen.“
Eltern mussten 1.400 Euro zahlen, weil sie ihren Sohn am Wochenende abholen
Aktuell haben sich die Eltern von Stefan S. (41) an die Volksanwaltschaft gewandt, der seit fast zehn Jahren in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen lebt. Er verbringt nicht nur Feiertage und Urlaube, sondern auch jedes Wochenende bei seinen Eltern. Dafür mussten diese für das vergangene Jahr über 1.400 Euro zahlen, denn die Zahl der „erlaubten“ Abwesenheitstage ist mit 70 pro Jahr begrenzt. So sehen das die Förderbedingungen des Fonds Soziales Wien (FSW) vor. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Regelungen, dort sind die praktischen Auswirkungen noch schlimmer, weil die Anfahrtswege länger sind als in Wien.
Lebensmittelpunkt muss zählen - Niemand muss immer in seiner Wohnung übernachten
Die Fördergeber sagen, solche Regelungen wären notwendig, weil man wolle, dass die Bewohnerinnen und Bewohner möglichst viel Zeit in den Einrichtungen verbringen, weil es dort Betreuungspersonal gebe, das mit Steuergeld bezahlt werde, und man müsse effizient mit diesen Mitteln umgehen. Für Volksanwalt Achitz ist das Argument grundsätzlich nachvollziehbar, allerdings gebe es ohnehin eine strenge Bedarfsprüfung. „Nur wer einen solchen Wohnplatz braucht, bekommt ihn auch. Dann hat er dort seinen Lebensmittelpunkt, und daran ändert sich auch nichts, wenn man am Wochenende zu Verwandten fährt“, so Achitz, und in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 2. November zog er einen Vergleich: „Man muss ja auch nicht die Wohnbeihilfe zurückzahlen, weil man seine Wochenenden nicht in der Wohnung verbringt. Abwesenheit ändert nichts daran, wo der Lebensmittelpunkt liegt.“
Krankenstand frisst Urlaubsanspruch
Die Volksanwaltschaft hat immer wieder auf UN-BRK-widrige und sozial ungerechte Abwesenheitsregelungen aufmerksam gemacht, sowohl in Wohneinrichtungen als auch in „Werkstätten“. In letzteren können Betroffene ihren Platz verlieren, wenn sie wegen Urlaub und vor allem wegen Erkrankungen zu oft abwesend sind. „Das ist so, als ob bei Angestellten der Urlaubsanspruch verfallen würde, wenn zu viele Krankenstandstage benötigt werden“, sagt Volksanwalt Achitz.
FSW kündigt Neuregelung für Werkstätten an
Für Werkstätten - nicht aber für Wohneinrichtungen - kündigte der FSW in „Bürgeranwalt“ nun eine Neuregelung an: Künftig sollen 30 Fehltage für Urlaub und 50 für Krankheit erlaubt sein; Krankenhausaufenthalte sollen nicht in dieses Kontingent fallen. Volksanwalt Achitz: „Es freut mich sehr, dass es hier einen Fortschritt gibt.“ Diese Krankenstandsregelung sei ein Schritt in Richtung der von der Volksanwaltschaft geforderten sozialversicherten und entlohnten Arbeitsplätze. Sie sollen die Werkstatt-Plätze ersetzten, in denen die Menschen mit Behinderungen nur ein Taschengeld bekommen.
2019 hat die Volksanwaltschaft im Sonderbericht „Lohn statt Taschengeld“ an das Parlament und die Landtage darauf aufmerksam gemacht. Achitz: „Dafür haben wir viel Zustimmung erhalten, umgesetzt wurden unsere Forderungen noch immer nicht.“
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