Volksanwalt Achitz: Verbesserungen bei Psychotherapie-Versorgung und Psychiatrie notwendig

10. Oktober 2022

„Im österreichischen Gesundheitssystem hat die psychische Gesundheit noch immer nicht den gleichen Stellenwert wie die körperliche“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz anlässlich des Welttags für psychische Gesundheit (10. Oktober): „Beim Zugang zu Psychotherapie herrscht Zweiklassenmedizin, die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist eine Dauerbaustelle. Und wie im gesamten Care-Bereich ist auch an den Psychiatrien der Personalmangel ein wesentlicher Risikofaktor für Menschenrechtsverletzungen.“

Zweiklassenmedizin bei psychotherapeutischer Versorgung

Beim Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung gibt es immer noch das Problem, dass die Zahl der Behandlungen kontingentiert ist. Achitz: „Das wäre bei körperlichen Erkrankungen oder Unfällen unvorstellbar. Da sagt niemand: Brechen Sie sich den Fuß erst im nächsten Jahr, heuer haben wir schon genug gegipst." Auch beim NGO-Forum 2022 der Volksanwaltschaft zum Thema „Soziale Grundrechte in die Verfassung“ war das ein Thema. Die Arbeitsgruppe Gesundheit ergab, der Zugang sei „sowohl für Erwachsene als auch für Kinder unzureichend, weil nach wie vor keine bundesweiten Verträge mit den niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten abgeschlossen wurden, sondern länderweise sogenannte Vereinslösungen bestehen, im Rahmen derer nur ein bestimmtes Kontingent an Therapiestunden angeboten wird. Das führt zu langen Wartezeiten, weshalb die Betroffenen letztlich gezwungen sind, Wahltherapeutinnen und Wahltherapeuten in Anspruch zu nehmen, für die die Krankenversicherungsträger nur einen geringen Kostenzuschuss leisten.“ Volksanwalt Achitz: „Das können sich nur die Wenigsten leisten. Das ist Zweiklassenmedizin und untragbar.“

Dauerbaustelle Kinder- und Jugendpsychiatrie

Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft für die Präventive Menschenrechtskontrolle zuständig, ihre Kommissionen besuchen unter anderem psychiatrische Krankenanstalten und Abteilungen in ganz Österreich. Achitz: „Seit Jahren weist die Volksanwaltschaft auf das unzureichende Versorgungsangebot in der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) hin. Immer wieder müssen Kinder mangels geeigneter Plätze in der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht werden. Solche Fehlunterbringungen können aber großen Schaden anrichten.“

Zwar wurde dem Mangel an Fachärztinnen bzw. Fachärzten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie durch die Erklärung zum Mangelfach begegnet, wodurch einige zusätzliche Ausbildungsstellen geschaffen wurden. Das allein reicht jedoch nicht, um dem steigenden Bedarf an fachärztlichem Personal gerecht zu werden und den Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie adäquat voranzutreiben.

Mehr Personal ist der Schlüssel, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern

Im Rahmen der Präventiven Menschenrechtskontrolle haben die Kontrollkommissionen der Volksanwaltschaft in den psychiatrischen Krankenanstalten und Abteilungen einen Schwerpunkt auf Gewaltprävention und Freiheitsentziehung gesetzt. Die Sonderprüfung ergab, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen wie Fixierungen in einem Viertel der Einrichtungen nicht ausschließlich durch qualifiziertes ärztliches und pflegerisches Personal durchgeführt werden. „Hier besteht enormer Handlungsbedarf, denn Fixierungen sind ein gravierender Einschnitt in die Menschenrechte, sie dürfen nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden, um Gefahr für Leben oder Gesundheit abzuwenden“, sagt Achitz: „Sonst handelt es sich um Folter.“

„Eines der Probleme ist der Personalmangel. Mehr Personal ist der Schlüssel, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern“, sagt Achitz. „Um Unterbringungen in der Psychiatrie zu vermeiden, müssen niederschwellige Behandlungsangebote wie etwa Krisendienste und aufsuchende ambulante Versorgung ausgebaut werden.“

 

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