Volksanwältin Brinek fragt nach

17. Juli 2010

Jahrelange Verzögerung bei einem Pachtgrundkauf

Eine Pensionistin pachtete vor 50 Jahren einen Schrebergarten in Wien-Floridsdorf. Bereits 1996 wurde sie von der Stadt Wien davon verständigt, dass sie ihren Pachtgrund zu einem deutlich ermäßigten Preis kaufen könne. Noch im gleichen Jahr stellte sie bei der Stadt Wien ein Kaufansuchen. Doch 14 Jahre lang wurde sie immer wieder vertröstet, dass es Schwierigkeiten mit der Vermessung der Grenzen gäbe und sie „etwas Geduld haben müsse“. Volksanwältin Brinek war fassunglos: „Die Vermessung eines Grundstücks kann keine zehn Jahre dauern. Wie hier mit den Bürgerinnen und Bürgern umgegangen wird, ist untragbar.“

Inzwischen resignierte der Sohn, übernahm die Pacht des Grundstücks von seiner Mutter und begann, darauf ein Haus zu bauen. Völlig überraschend liegt nun nach 14 Jahren plötzlich ein Teilungsplan vor. Da die Mutter das Grundstück aber bereits an den Sohn weitergegeben hat, gelten die attraktiven Verkaufskonditionen aus dem Jahr 1996 nicht mehr. „Das ist ein unglückliches zeitliches Zusammentreffen“, bedauert Volksanwältin Gertrude Brinek. „Man hätte die Familie darauf aufmerksam machen sollen, welche Folgen eine Übergabe in diesem Fall hat.“

Auslaufender Baurechtsvertrag

Ein Mann wandte sich wegen eines Problems mit einem auslaufenden Baurechtsvertrag an Volksanwältin Brinek. Seine Großmutter hatte im Jahr 1930 mit der Stadtgemeinde Klosterneuburg einen Baurechtsvertrag für die Dauer von 80 Jahren abgeschlossen. Laut Vertrag würden nach Ablauf des Baurechts sämtliche Baulichkeiten ins Eigentum der Stadtgemeinde Klosterneuburg übergehen. Diese war aber im Gegenzug verpflichtet, drei Viertel des Verkehrswerts bei Vertragsende zu ersetzen. Der Betroffene selbst hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen, weil er plante, seinen Lebensabend in diesem Haus zu verbringen.

Als er um die Verlängerung des Vertrages ansuchte, stellte die Klosterneuburger Stadtgemeinde inakzeptable Bedingungen. Der Vertrag würde nur weitere 15 bis 20 Jahre laufen, was einen Hausverlust im hohen Alter bedeuten könnte. Weiter sollte der Betroffene auf den Ablöseanspruch verzichten. Volksanwältin Brinek kritisierte die Befristung des neuen Vertrages, forderte eine faire Aufteilung der Erhaltungspflicht des Hauses und mehr Transparenz bei der Schätzung des Zeitwertes.

Das Eingreifen von Volksanwältin Brinek war erfolgreich: Die Gesprächsbasis zwischen der Gemeinde und der Familie ist mittlerweile wieder hergestellt, ein Sachverständiger wurde beauftragt. Die Familie zieht jetzt aus und bekommt eine Ablöse in der der vom unabhängigen Sachverständigen bestimmten Höhe.

Baumhaus

In einer Genossenschaftsanlage am Wiener Rosenhügel beschwerte sich eine Anrainerin über ein nicht genehmigtes „Baumhaus“. Die MA 37 verwies auf die Wiener Bauordnung, wonach Spiel- und Sportplätze sind nicht genehmigungspflichtig wären. Für die Volksanwaltschaft handelte es sich aber um ein konsenslos errichtetes Bauwerk. Für ein Stelzenhaus in einem privaten Garten sei sehr wohl ein Baubewilligungsverfahren nötig. Darüber hinaus wäre die Zustimmung des Grundeigentümers – in diesem Fall die Gemeinde Wien – dem Baubewilligungsansuchen anzuschließen.

Volksanwältin Brinek dazu: „Nachbarn und Eigentümer haben gleichermaßen das Recht auf eine ordnungsgemäße Bauverhandlung, um Statik, Standfestigkeit und Ortsbildfragen zu prüfen.“ Die von der unmittelbaren Anrainerin geforderte Achtung ihrer Privatsphäre muss in einem zivilrechtlichen Verfahren geklärt werden.

Mittlerweile wurde von der Familie, die das Baumhaus errichtet hatte, ein Sichtschutz aufgebaut. Volksanwältin Brinek: „Es ist erfreulich, dass die Privatsphäre der Nachbarin nun geschützt ist. Dies kann aber nicht die fehlende Bauverhandlung ersetzen, die Baupolizei sieht das Baumhaus aber leider weiterhin nicht als bewilligungspflichtig an.“

Laute Blasmusik

Seit die Gemeinde Lend im Pinzgau die Proberäume für ihre Gemeindeblasmusik vom Keller ins Erdgeschoß eines Wohnhauses verlegte, leidet die Familie in der Wohnung darüber: Fast täglich finden Musikproben in den Räumlichkeiten unter der Eigentumswohnung statt. Die Gemeinde beteuerte, dass der entsprechende Umbau professionell durchgeführt worden sei bzw. die Lärmentwicklung normal sei. Volksanwältin Brinek kritisierte allerdings, dass der entsprechende Bescheid bereits vorab ausgestellt worden war. Auf eine Prognoseentscheidung durch kompetente Techniker war überdies komplett verzichtet worden.

Inzwischen fand die von der Bezirkshauptfrau von Zell am See versprochene Mediation statt und der Bürgermeister diskutierte mit der betroffenen Familie vor Ort Verbesserungsvorschläge. „Nach Abschluss der ersten Schallschutzmaßnahmen wird man sich ein neues Bild machen und bewerten, ob die Maßnahmen Erleichterung gebracht haben“, berichtet Volksanwältin Brinek.

Unerwünschtes Hundeheim

Die Tierherberge pro animale Austria im Innviertel wandte sich vor etwa einem Jahr verzweifelt an Volksanwältin Brinek. Die Sonderwidmung für ihr Tierheim war nicht verlängert worden, angeblich hätten sich einige Gemeindemitglieder über das Bellen beschwert. Lärmmessungen hatten allerdings keine unzumutbare Belastung ergeben, die vom „Bürgeranwalt“ befragten Nachbarn fühlten sich nicht gestört. Die Betreiber des Tierheims hatten im Vertrauen auf die Widmung bereits Investitionen getätigt und Gutachten bezahlt. Ein Mediationsverfahren war nach Angabe der Gemeinde bereits gescheitert.

„Es gibt zwar kein Recht auf Flächenwidmung. In diesem Fall wurde den Betreibern aber über zwölf oder sogar 13 Jahre signalisiert, dass es eine ebensolche geben würde“, kritisierte Volksanwältin Brinek. "Ich fordere die Gemeinde auf, die Widmungsfrage zu überdenken und zu ihrem eigenen Vorhaben zu stehen."

Im Armengrab bestattet

Am 1.5.2009 fand ein Mann  die Leiche seines Vaters in dessen Wohnung, die von Polizei und Feuerwehr geöffnet wurde. Da ein Fremdverschulden nicht ausgeschlossen werden konnte, ordnete die Staatsanwaltschaft eine Obduktion an, die am 7.5.2009 vorgenommen wurde. Noch am selben Tag wurde die Todesbescheinigung ausgestellt und die Leiche zur Bestattung freigegeben. In einem Schreiben vom 15.5.2009 teilte die Leichenadministration der Medizinuniversität der MA 15 mit, dass „Angehörige nicht bekannt“ bzw. „nicht verständigt“ worden waren. Am 12.7.2009 wurde der Verstorbene am Wiener Zentralfriedhof in einem Armengrab bestattet. Die Angehörigen hatten in der Zwischenzeit bereits Vorkehrungen für eine Bestattung im Familiengrab in Niederösterreich getroffen. Sie hatten mehrmals vergeblich versucht, telefonische Auskunft zu erhalten und reagierten dementsprechend fassungslos auf die Nachricht, dass der Verstorbene bereits begraben sei und dafür ein Betrag von € 2.400,- fällig wäre.

Dieser Fall zeigt einen offenkundigen strukturellen Missstand: Keine der involvierten Behörden sah sich verpflichtet, die Angehörigen über die Freigabe des Leichnams zu verständigen. Volksanwältin Brinek zeigte kein Verständnis dafür, dass sich die Behörden nicht die Mühe machten, die betroffene Familie zu informieren bzw. deren Daten ausfindig zu machen. Sie forderte, die notwendige Informationskette in Zukunft zu schließen und der Familie in dem konkreten Fall eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

Nachdem sich Volksanwältin Brinek für die Familie eingesetzt hatte, wurde ihr ein Teil der Bestattungskosten erlassen. Nach Ansicht der Volksanwaltschaft sind aber die Staatsanwaltschaft bzw. das Justizministerium verantwortlich für die Verständigung der Familie. „Von dieser Seite ist ein entsprechender Beitrag aber noch immer fällig“, kritisierte Brinek.

Zufahrt zum Grundstück

Eine Wiener Familie kaufte ein Grundstück, das als Bauland gewidmet ist und dazu das gehörende Straßenstück, um es nach der Wiener Bauordnung der Gemeinde zum Ausbau kostenlos wieder abzutreten. Seit 10 Jahren bemühen sich die Betroffenen nun schon erfolglos um die Errichtung der Straße, die am fehlenden Beschluss des Bezirks scheitert. Weder mit Möbeln, noch mit Mistkübeln oder Einkäufen ist es möglich, über den derzeit bestehenden schmalen Weg zum Grundstück zu gelangen. Ein Einzug in das Haus, das auf dem Grundstück bereits beim Kauf gestanden ist, ist praktisch unmöglich.

Seit 75 Jahren wurde die Zufahrt von der Gemeinde geplant, aber nie durchgeführt. Ein Zaun müsste aufgemacht und 15 Meter asphaltiert werden. Doch dieser Teil des Grundstückes ist im Eigentum der Stadt Wien, die Besitzer aber sehen keinen Anlass, die Fläche zu räumen und die Durchfahrt zu ermöglichen. Nach zahlreichen Behördengängen ist die Familie sogar bereit, den Ausbau teilweise oder zur Gänze zu finanzieren oder zumindest vorzufinanzieren. In ihrer verzweifelten Situation haben sie sich auf ein gerichtliches Notwegeverfahren eingelassen. Die Gemeinde Wien bekämpft jedoch das in erster Instanz gewonnene Verfahren.

Volksanwältin Brinek ist entsetzt, dass die Gemeinde noch immer nicht reagiert hat. Sie will das Thema im Wiener Rathaus demnächst diskutieren: „Die Gemeinde kommt hier nicht ihren Verpflichtungen nach. Es handelt sich eindeutig um einen Missstand in der Verwaltung.“