Volksanwälte diskutieren Krisenjahr 2020 im Nationalrat
Wegen der COVID-19-Pandemie hat der jährliche Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat heuer erstmals drei Bände. Neben den Bänden zur nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung und zur präventiven Menschenrechtskontrolle gibt ein zusätzlicher Corona-Band Auskunft über Behördenbeschwerden und die Menschenrechtslage in Zusammenhang mit den Virus-Bekämpfungsmaßnahmen. Am Mittwoch, 16. Juni diskutieren die Volksanwälte Bernhard Achitz, Walter Rosenkranz und Werner Amon darüber mit den Abgeordneten im Nationalrats-Plenum.
COVID-19: Intransparente Kommunikation führte zu fehlender Akzeptanz
Über 1.200 Menschen haben sich mit sehr unterschiedlichen Anliegen, die auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind, an die Volksanwaltschaft gewandt. Die COVID-19-Pandemie macht es für die Politik zweifellos schwierig, immer die richtige Abwägung zwischen notwendigem Schutz vor der Krankheit und den Grund- und Freiheitsrechten zu treffen. Aber immer müssen wir darüber ausführlich und transparent diskutieren, denn „jede Einschränkung der Menschenrechte muss eine Ausnahme bleiben, an die wir uns als Gesellschaft nicht gewöhnen dürfen“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz. Als Beispiel nennt er die drastischen Einschränkungen der Freiheitsrechte in Alten- und Pflegeheimen, aber auch in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Große Unterschiede zwischen medialer Ankündigung und gesetzlicher Umsetzung führten dazu, dass Exekutivbedienstete Verhaltensweisen bestraften, obwohl sie legal waren. Achitz: „Wenn die Menschen die Maßnahmen nicht mehr klar und logisch nachvollziehbar finden, halten sie sich auch immer weniger daran. Und dann steigen die Infektionszahlen.“
Aber auch abseits von Corona gab es zahlreiche Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. So mussten die Volksanwälte eine kollegiale Missstandsfeststellung aussprechen, weil zahlreiche Eltern den Schikanen von Familienministerium und ÖGK ausgesetzt waren, wenn sie Kindergeld beziehen wollten. Volksanwalt Achitz hat wiederholt gesetzliche Änderungen gefordert.
Matura in der COVID-19-Pandemie
Mehrere Beschwerden im Geschäftsbereich von Volksanwalt Walter Rosenkranz betrafen die Abhaltung der oder Probleme im Zusammenhang mit der Matura. Die Matura an den AHS erfolgte 2020 schriftlich in Deutsch, einer Fremdsprache und Mathematik. Die mündliche Matura wurde COVID-19-bedingt nach Ankündigung des Unterrichtsministers nicht abgenommen. "Da an BHS nicht zwingend Mathematik zur schriftlichen Matura gewählt werden musste, ersparten sich so diejenigen Maturantinnen und Maturanten, die optiert hatten in Mathematik mündlich zu maturieren, den Antritt in diesem Fach völlig", erklärt Rosenkranz. Eine Maturantin, die Mathematik schriftlich wählte, konnte nicht mehr anders optieren. Das empfand sie als ungerecht.
Finanzielle COVID-Unterstützungsleistungen
Ungeachtet der vielen gut funktionierenden finanziellen COVID-19-Unterstützungsleistungen des Bundes an die Bürgerinnen und Bürger, sind bei der Volksanwaltschaft dennoch insgesamt 259 Beschwerden eingelangt, die der Finanzverwaltung zuzuordnen waren. Zum Beispiel wandten sich viele ausländische 24-Stunden-Betreuerinnen an die Volksanwaltschaft, da sie trotz hoher Verdienstrückgänge wegen geschlossener Grenzen keine Unterstützung aus dem Härtefallfonds bekamen, solange sie kein österreichisches Bankkonto vorweisen konnten. Das Bundesministerium für Finanzen argumentierte die Notwendigkeit eines inländischen Kontos mit der Begründung, Missbrauch vermeiden zu wollen. „Es ist ein Faktum, dass es eine Verordnung der Europäischen Union gibt, die sogenannte SEPA (Single Euro Payments Area) Verordnung“, stellt Amon klar – „das heißt, jedes Konto im EU-Ausland ist genauso gut wie ein österreichisches Konto.“ Die Volksanwaltschaft konnte aus diesen Gründen nicht nachvollziehen, welchen Missbrauch das Finanzministerium hier befürchtete. Mittlerweile hat das Finanzministerium eingelenkt, und es ist den Pflegerinnen und Pflegern möglich einen Antrag zu stellen und Unterstützung aus dem Härtefallfonds zu erhalten, auch ohne österreichisches Bankkonto.