UPR: Stellungnahme zum Entwurf des Staatenberichtes

13. September 2010

Im Rahmen des UPR-Prozesses nahm die Volksanwaltschaft die Gelegenheit wahr, zum Entwurf des österreichischen Staatenberichtes im September 2010 eine Stellungnahme abzugeben, die im Folgenden im Wortlaut angeführt ist:

Die Bundesregierung führt im vorliegenden Entwurf des österreichischen Staatenberichts im Wesentlichen nur die Menschenrechtsgesetzgebung und die internationalen Verpflichtungen der Republik Österreich an. Zu evidenten Vollzugsdefiziten in menschenrechtlichen Belangen, die unter anderem von der Volksanwaltschaft in den jährlichen Tätigkeitsberichten (siehe zuletzt den 33. Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat für das Jahr 2009) aufgezeigt wurden, werden im Entwurf des Staatenberichts aber keine Ausführungen getätigt. Volksanwaltschaftsberichte enthalten bereits seit Jahren ein eigenes Grundrechtskapitel über die eingeleiteten und abgeschlossenen Prüfungsverfahren der Volksanwaltschaft zu Menschenrechtsverletzungen, im Jahr 2009 insbesondere zu Antidiskriminierung, zu Minderheitenschutz, zum Folterverbot, dem Recht auf Religionsfreiheit und z.B. zum Recht auf Privat- und Familienleben.

Im gegebenen Zusammenhang verweist die Volksanwaltschaft daher auf einige Punkte, die für einen effizienten Menschenrechtsschutz wesentlich wären.

 

1.  Fehlende nationale Koordinierung in Menschenrechtsfragen / Fehlende Menschenrechtserziehung: 

Die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz von 1993 nimmt in ihrem offiziellen Abschlussdokument, der sog. “Wiener Erklärung und Aktionsprogramm”, Bezug auf den Weltaktionsplan und empfiehlt den Staaten, spezifische Programme und Strategien zu entwickeln, um eine möglichst breite Menschenrechtsbildung und eine entsprechende Aufklärung der Öffentlichkeit zu erreichen (23 Dok. Nr. A/CONF.157/23, 12. Juli 1993, Rnr. 81; auf deutsch abgedruckt in: DGVN-Texte 43, S. 42.).

Im Rahmen der UN-Dekade zur Menschenrechtsbildung (1995-2004) empfahl die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Staaten die Entwicklung von nationalen Aktionsplänen zur Menschenrechtsbildung. Im Oktober 1997 hat sie “Guidelines” für die Erstellung von nationalen Aktionsplänen zur Menschenrechtsbildung erlassen [(UN General Assembly, Guidelines for National Plans of Action for Human Rights Education, (2002)].

Der europäische Kommissar für Menschenrechte, Thomas Hammarberg, hat 2007 im Zuge seines Österreich-Besuchs [CommDH(2007)26] angeregt und daran erinnert, dass auch Österreich diese Empfehlungen bei der Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans zur Menschenrechtserziehung aufgreifen sollte sowie den strukturellen Rahmen für den Schutz der Menschenrechte vorgeben sollte. Zweck eines solchen Aktionsplans müsste es sein, den Schutz und die Förderung der Menschenrechte durch eine allumfassende und zusammenhängende Vorgangsweise in der Menschenrechtspolitik und bei der entsprechenden Planung zu verbessern. Es gibt aber nach wie vor keinen derartigen nationalen menschenrechtlichen Aktionsplan für Österreich.

Trotz verschiedenster Initiativen fehlt es an einem menschenrechtlichen Masterplan, es fehlen klare Verantwortlichkeiten, konkrete Umsetzungspläne wie auch die Evaluation des Bestehenden, es fehlt auch im Wesentlichen die menschenrechtlich motivierte staatliche Begleitforschung. Die Erstellung, Durchführung und Evaluierung eines menschenrechtlichen Aktionsplans sollte nämlich nicht lediglich auf einen Situationsbericht hinauslaufen, sondern vielmehr als koordinierter und allumfassender Prozess zur fortlaufenden Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte in Österreich aufgefasst werden.

Immer wieder stellt die Volksanwaltschaft fest, dass es in der Bevölkerung ein sehr diffuses Bild über alltagsrelevante menschenrechtliche Garantien gibt. Dabei sollte man im Auge behalten, dass Verständnis für demokratische Spielregeln, multikulturelles Miteinander und friedliche Konfliktlösung auch schon bei Kindern und Jugendlichen geweckt werden muss. Mängel in der nationalen Menschenrechtspolitik zeigen sich aktuell auch darin, dass Menschenrechtserziehung kein eigenes Lehrplanfach im Rahmen der Schulpflicht, die vom 6. bis zum 15. Lebensjahr reicht, ist. Selbst in der Lehrerausbildung an Pädagogischen Hochschulen oder Universitäten sind Pflichtvorlesungen über Menschenrechte nicht vorgesehen.

 

2.   Maßnahmen gegen Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit:

Die österreichische Bundesverfassung enthält zu Fragen der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbotes verschiedene Bestimmungen unterschiedlicher Reichweite. Allerdings gibt es keinen Konsens eines der wichtigsten Rechtsinstrumente bei der Bekämpfung der Rassendiskriminierung, nämlich das 12. Protokoll zur EMRK, zu ratifizieren. Gleichfalls nicht ratifiziert wurde die UNESCO-Konvention gegen Diskriminierungen im Bildungsbereich.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hat auch in ihrer vierten Prüfungsrunde festgestellt, dass in Österreich dunkelhäutige Afrikaner, Moslems und Roma am ehesten Gefahr laufen, auf Rassismus zu stoßen und aus rassistischen Gründen diskriminiert zu werden (CRI(2010)2. Immer wieder muss konstatiert werden, dass Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten aus Nicht-EU-Ländern Gegenstand rassistischer und fremdenfeindlicher Äußerungen unter anderem auch von Politikern und Berichten in den Medien sind. Dem mit mehr Entschiedenheit entgegen zu wirken, ist ein Gebot der Stunde.

Sprache gilt grundsätzlich als wertvolle Ressource, die über schulische und in weiterer Folge berufliche Chancen und Erfolge entscheidet. Insofern ist eine frühe Sprachförderung im vorschulischen Alter dringend notwendig, um eine annähernde Chancengleichheit zu ermöglichen. Die österreichische Bildungssituation zeichnet sich durch folgende Diskrepanz aus: Einerseits gibt es einen weitgehenden gesellschaftlichen Grundkonsens über den Stellenwert von Chancengleichheit und Integration. Andererseits zeigen statistische Daten des Bildungssektors eine ungleiche Verteilung von Bildungschancen entlang der ethnischen Zugehörigkeit. Die Bildungssituation Österreichs gibt daher dringend Anlass für sozial- und bildungspolitische Interventionen, da Bildung ein zentrales Merkmal des sozialen Status von Menschen und zudem auch eine Frage der Integration ist.  Auch wenn ausreichend disaggregierter statistischer Daten zur Behandlung von ethnischen Minderheiten und Menschen mit Migrationshintergrund fehlen und dies auch ein Hindernis für die Lösung der mit strukturellen und indirekten Formen rassistischer Diskriminierung verbundenen Probleme bedeutet, kann man wohl nicht leugnen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im Vergleich zu autochthonen Jugendlichen in bestimmten Schultypen, wie beispielsweise in Sonder- und Polytechnischen Schulen, überrepräsentiert sind (siehe Forschungsprojekt des österreichischen Instituts für Jugendforschung in der Zeitspanne von 2006 bis 2007). Dementsprechend kommt es auch beim Zugang zur Beschäftigung zu Problemen.

Im Jahr 2009 hatte lediglich rund ein Drittel der Erwerbstätigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit eine Lehre oder berufsbildende mittlere Schule abgeschlossen; dies waren deutlich weniger als bei einheimischen Erwerbstätigen (52%). Hingegen war der Anteil der Erwerbstätigen, die lediglich einen Pflichtschulabschluss aufwiesen, bei ausländischen Staatsangehörigen nahezu dreimal so hoch (52%) wie bei der österreichischen Bevölkerung (18%).

Das kann und darf sich der Menschenrechts-, aber auch der Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich nicht länger leisten. Wer über die Ressourcen migrantischer Kinder- und Jugendlicher spricht, muss darüber reden, wie sie ihre Ressourcen zum eigenen und zum Wohl der Gesellschaft in die Tat umsetzen können. Eine faktenbasierte und ehrliche Debatte über Integrationsprobleme Jugendlicher ist die notwendige Grundlage für ihre Lösung. Alles andere führt in ethnische und ökonomische Parallelgesellschaften – und so soll die Zukunft nicht aussehen.