Pflegeheime: Mit kreativen Lösungen Isolation beenden
In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ war Mitte April Frau G. zu sehen. Sie war unter erheblichen Kosten von Kärnten in ein Pflegeheim ins Burgenland übersiedelt, weil sie dort ihre Freundin und Erwachsenenvertreterin, die in der Nähe lebt, besuchen kann. Womit sie nicht gerechnet hat: Mittlerweile herrscht in Pflegeheimen ein Besuchsverbot, um die BewohnerInnen vor Covid-19-Infektionen zu schützen. Diese Einschränkung sei zwar prinzipiell mit gutem Grund erfolgt, aber „sie dauert schon sehr lang, und es ist jetzt Zeit, dass sich die Pflegeheimbetreiber Alternativen zum persönlichen Besuch überlegen“, verlangt Volksanwalt Bernhard Achitz.
Über die Hausordnung Besuchsverbote auszusprechen, sei wohl rechtlich möglich und angesichts der Lage auch angemessen und verhältnismäßig, aber auf Dauer wäre ein Kontaktverbot eine unzumutbare Einschränkung der Grund- und Menschenrechte.
Es ist also langsam an der Zeit, Besuche wieder zu ermöglichen. Wie diese ablaufen können, kann nicht einheitlich geregelt werden, denn zu unterschiedlich sind die örtlichen Gegebenheiten in den einzelnen Einrichtungen, aber auch die persönlichen Voraussetzungen. Aus den Besuchen der Kommissionen der Volksanwaltschaft wissen wir, dass die Infrastruktur der Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sowohl was Innen- als auch Außenbereiche, Größe von Wohnbereichen, Belegungen mit Einzel-, Doppel- oder Mehrbettzimmern betrifft, deutlich variiert. Aus Sicht der Volksanwaltschaft gibt es daher keine „one-fits-for-all“-Lösung, und man muss ortsbezogenes Risikomanagement und Kreativität kombinieren, um trotz Lockerungen Infektionsrisiken weitgehend zu minimieren.
Auch Menschen mit Mehrfachbehinderung haben Recht auf Besuch
„Unbedingt notwendig ist die Einbindung von Organisationen für und von Menschen mit Behinderung in diesen Diskussionsprozess, das gebietet allein schon die UN-Behindertenkonvention“, sagt Achitz. Es darf zu keinen Benachteiligung von Menschen mit Mehrfachbehinderungen oder schwerer Demenz kommen, auch wenn diese lautsprachlich nicht erreichbar sind oder zu sein scheinen bzw. sie erst an den Kontakt von Menschen mit Masken etc. gewöhnt werden müssten.
HeimbewohnerInnen sollen selbst entscheiden, wer sie besucht
Die Volksanwaltschaft ist der Ansicht, dass gegen Anmeldung möglichst für alle Bewohnerinnen und Bewohner Kontaktmöglichkeiten zu Familie und Freunden geschaffen werden muss. Die Entscheidung, wen Bewohnerinnen und Bewohner (zuerst) sehen wollen, sollte man diesen selbst überlassen. Lediglich bei behördlich verhängter Quarantäne von Heimbewohnerinnen und -bewohnern nach dem Epidemiegesetz müssten Besuche temporär ausgesetzt werden. Achitz: „Aber auch für Erkrankte muss es Kontaktmöglichkeiten geben, etwa mittels digitaler Medien. Eine Möglichkeit wären Videokonferenz-Räume.“
- Feste Container stellen eine gute Alternative da, Besucherinnen und Besucher nicht in die Einrichtung einlassen zu müssen.
- Es gibt bereits Anbieter für „mobile Besucherzelte“ mit abgeschirmten Begegnungszonen, die für Innen- und Außenbereiche tauglich wären.
- Wenn Gärten groß genug und die Angehörigen entsprechend unterwiesen worden sind, könnten größere Tische (zur Einhaltung Abstandsempfehlung) ausreichen.
- Wenn das alles nicht möglich ist, empfiehlt es sich, einen Raum - am besten in Nähe des Eingangs – mit einem größerer Tisch und einer Plexiglastrennung einzurichten und zu gewährleisten, dass nach jedem Besuch auch eine Flächendesinfektion stattfinden kann und es nicht zu Ansammlungen kommt.
- Terminvereinbarungen wären nötig; bei dementen Bewohnerinnen und Bewohnern sollte jemand zur Sicherheit abgestellt werden, damit der Abstand eingehalten wird.
Notwendige Schutzmaßnahmen
- Bei Besuchswünschen von vermutlich Covid-19 negativen Bewohnerinnen und Bewohnern: Angehörige/Freunde sollten keine Covid-19-Symtome aufweisen bzw. sind danach zu befragen. Fiebermessen, Mund- und Nasenschutz, Händedesinfektion, Abstandsregeln.
- Bei Covid-19 positiv Getesteten: Isolation – keine Besuche – elektronische Formen zum Kontakt anbieten.
- Bei Verdachtsfällen, wo noch kein Testergebnis vorliegt: Isolation – keine Besuche, bis ein negatives Ergebnis vorliegt – elektronische Formen zum Kontakt anbieten.
- Abschied von sterbenden Infizierten oder bei Infektionsverdacht, wenn Körperkontakt erwünscht ist: Schutzkleidung, Brille, Handschuhe (fachgerechte Unterstützung beim An- und Ablegen und anschließende Entsorgung).
Ausgangsverbote rechtswidrig
„Wichtig ist außerdem, dass die Heimträger aufgefordert werden, die rechtswidrige Praxis einzustellen, Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen zu verbieten, das Heimgelände für Spaziergänge, Wege zur Post etc. zu verlassen“, fordert Achitz. Im Gegenteil sollten im Rahmen der Inklusion Überlegungen angestellt werden, Sozialräume zu öffnen. In Absprache mit Gemeinde, etc. ließen sich hier eventuell Lösungen finden, Gärten und Parks zu bestimmten Zeiten ausschließlich zur Benutzung für Bewohnerinnen und Bewohner offen zu halten. Solche Lösungen gibt es bereits.
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Die Einschränkung der Bewegungs-freiheit aufgrund der Covid-19-Krise in Alten- und Pflegeheimen sei zwar prinzipiell mit gutem Grund erfolgt, aber „sie dauert schon sehr lang, und es ist jetzt Zeit, dass sich die Pflegeheim-betreiber Alternativen zum persönlichen Besuch überlegen“, verlangt Volksanwalt Bernhard Achitz.
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