ORF-Bürgeranwalt, 31.03.2012 mit Volksanwalt Dr. Peter Kostelka

31. März 2012

Warum wird das Pflegegeld nicht erhöht?

 

Das Leben einer burgenländischen Bauernfamilie aus St. Margarethen änderte sich schlagartig, als Herr N.N., der Familienvater, vor eineinhalb Jahren einen Herzinfarkt erlitt. Bereits zwei Wochen nach seiner erstmaligen Entlassung, musste der Betroffene schon wieder ins Krankenhaus eingeliefert werden. Eine Behandlung folgte der anderen – wobei es ihm nach jedem Krankenhausaufenthalt schlechter gegangen sei, berichtet seine Gattin. So kam es, dass der Landwirt zum Pflegegeldbezieher wurde. Anfänglich wurde dem sechsfachen Vater nur die Pflegegeldstufe 2 gewährt, allerdings verschlechterte sich sein Zustand zusehends, sodass er sogar von einem Kuraufenthalt mit der Begründung, dass er ein Pflegefall sei, nach Hause geschickt wurde.

Erst im April 2011, als der Pflegeaufwand bereits von Gattin und Sohn fast nicht mehr zu schaffen war, wird Herrn N.N. Pflegegeldstufe 4 zuerkannt – laut Einschätzung des behandelnden Arztes aber eindeutig zu wenig, da eine 24-Stunden-Pflegekraft angestellt werden musste, um den inzwischen bettlägrigen Mann versorgen zu können. Gegen diese Entscheidung legte die Gattin Einspruch ein, die Reaktion darauf ließ aber auf sich warten. Nach einem halben Jahr suchte ein gerichtlicher Sachverständiger die Familie auf, um den tatsächlichen Pflegeaufwand neuerlich abzuschätzen. Dieser habe sich jedoch mehr für die Ausstattung des Hauses als für den Patienten selbst interessiert, berichtet die Gattin des Betroffenen. Auch das vom Sachverständigen erstellte Gutachten versetzte die gesamte Familie in Erstaunen, beschreibt es doch einerseits die gänzliche Immobilität des Patienten, andererseits bestehe laut Gutachten aber kein deutlicher Funktionsausfall aller Extremitäten. Die Notwendigkeit einer „24-Stunden-Pflege“ bestehe demnach nicht. Die Sozialversicherung der Bauern (SVB) habe sich - jovial gesagt - „nix gepfiffen“, so war zumindest der Eindruck der Ehefrau, als sie den Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes gestellt hatte.

Vom Fall der burgenländischen Familie betroffen, kündigte der Vertreter der SVB noch in der Studiodiskussion an, binnen eines Monats die Erstellung eines neuen medizinischen Gutachtens anzuberaumen, um die Angelegenheit so im Sinne der Familie klären zu können. „Zusagen sind gut – offene Fristen sind besser,“ betont Volksanwalt Kostelka, der der Gattin trotz dieser Aussichten dazu rät, Klage gegen das alte Gutachten einzubringen, um die damit zusammenhängenden Fristen nicht verstreichen zu lassen.

Die Volksanwaltschaft blieb aber natürlich an diesem Fall dran, und berichtete in der Sendung vom 02. Juni 2012, in der Rubrik "Nachgefragt" über die neuen Entwicklungen: Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern hielt Wort. Kurze Zeit nach der Sendung wurde ein neues Gutachten erstellt, dieses Mal von einer Diplomierten Pflegerin. Sie legte besonderes Augenmerk auf den Pflegeaufwand und bestätigte, dass die Pflegeleistung nur durch zwei Personen erbracht werden kann. Dementsprechend wurde auch die Pflegegeldstufe 6 zuerkannt.

Die neue Pflegegeldstufe räumt der Familie wesentlich bessere finanzielle Möglichkeiten ein, und stellt auch sicher, dass pflegerische Leistungen zugekauft werden können, freut sich Volksanwältin Brinek über den positiven Ausgang des Falles.

 

Nachgefragt: Wer übernimmt die Nachtwache?

 

Das Undine-Fluch-Syndrom prägt seit mittlerweile 18 Jahren das Leben einer Wiener Familie. Der Sohn der Familie darf nie ohne Beatmungsgerät schlafen, da die Gefahr besteht, dass er sonst aufhören würde, zu atmen. Deshalb konnte auch seine Mutter seit seiner Geburt nicht mehr durchschlafen, da sie seither jede Nacht die für ihren Sohn lebenswichtigen Geräte kontrollieren muss.

Da die Mutter am Ende ihrer Kraft angelangt ist, suchte die Familie um Unterstützung an und hoffte darauf, dass in Zukunft eine persönliche Assistenz die „Nachtwache“ übernehmen könne. Doch dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und der Fonds Soziales Wien (FSW) konnten sich in diesem Fall nicht über die Zuständigkeit und auch nicht über die Frage der Machbarkeit einigen. So dauerte es mehrere Monate, bis nach der Vorstellung des Falles im ORF-BürgerAnwalt eine Lösung im Sinne des Betroffenen in Sicht kam. In der Studiodiskussion Ende Oktober 2011 sagten Vertreterinnen der WGKK als auch des FSW zu, eine auf sechs Monate befristete nächtliche Betreuung zu arrangieren. Danach wollten die beiden Institutionen evaluieren, ob die Situation damit ausreichend geklärt werden könne.

Volksanwalt Kostelka griff diesen Fall natürlich nochmals auf, um zu überprüfen ob die bisherigen Zusagen auch wirklich eingehalten wurden. Er konnte sich über eine sehr positive Entwicklung freuen. „Seit Mitte März gibt es eine Dauerlösung“ zeigt sich der Volksanwalt zufrieden. Mittlerweile übernehmen zwei Pflegekräfte, die sich der Betroffene aussuchen konnte, die nächtliche Überwachung. Ihre Bezahlung teilen sich FSW, WGKK, das Bundessozialamt sowie der Betroffene selbst, der dies mit einem Teilbetrag seines Pflegegeldes finanziert.