ORF-BÜRGERANWALT, 18.02.2012 MIT VOLKSANWALT DR. PETER KOSTELKA

18. Februar 2012

Wertlose Ausbildung?

 

Rechtssicherheit brachte die Novellierung des steiermärkischen Jugendwohlfahrtgesetzes im Jahr 2011 nicht, sondern eher Verwirrung bei vielen Personen, die in sozialen Berufen tätig sind. Daher hatte Volksanwalt Dr. Peter Kostelka bereits im Oktober 2011 zwei Fälle präsentiert, in denen die neue Gesetzeslage zum Problemfall wurde. Eine Lern- und Sozialbetreuerin sowie ein Berufs- und Sozialpädagoge, die beide als Erziehungshelfer gearbeitet hatten, konnten ihrer Arbeit durch die Neuregelung der Berufsqualifikation nicht mehr nachgehen. Das führte in beiden Fällen zu schweren finanziellen Einbußen und einer ungewissen Zukunft.

Außergewöhnlich an diesen beiden Fällen ist jedoch auch der Umstand, dass die beiden Betroffenen eine Nachschulung absolviert haben, um weiter in ihrem Beruf bleiben zu können. Anfänglich vom Land abgesegnet, wurde diese Zusatzausbildung jedoch durch fehlende Übergangsbestimmungen obsolet. Erst durch die Intervention der Volksanwaltschaft konnten für diese beiden Fälle Einzelprüfungen erreicht werden.

„Die Betroffenen können wieder als Erziehungshelfer arbeiten“ freut sich Volksanwalt Kostelka über das Ergebnis dieser Prüfung, auch wenn in beiden Fällen Nachschulungen im Ausmaß von 1500 bis zu 1800 Stunden zu absolvieren sind.

Seit der Sendung im Oktober wendeten sich allerdings 30 weitere Betroffene mit der Bitte um Hilfe an die Volksanwaltschaft, wodurch Volksanwalt Kostelka dieses Thema auch in der Sendung „BürgerAnwalt“ nochmals aufgriff. In dieser Sendung liegt das Augenmerk auf zwei diplomierte Frühförderinnen und Familienbegleiterinnen, die aufgrund der bereits bekannten Verordnung nicht wissen, ob sie auch in Zukunft in ihrem Beruf werden arbeiten können.

Für die beiden Angestellten der Grazer Förderstelle „Humanistische Initiative“ ist der Gesetzestext nicht nachvollziehbar. Einerseits steht die Frage im Raum, ob der Begriff „Kindergärtnerin und Horterzieherin“ mit dem Begriff „Kindergartenpädagogin“ gleichzusetzen ist – eine Frage auf die die Betroffene vier Monate lang vergeblich auf eine Antwort der zuständigen Stelle gewartet hatte. Andererseits die Frage, welche Folgen sich aus dem mutmaßlich willkürlich gewählten Datum 1997 - ab dem pädagogische Ausbildungen voll anerkannt werden – für jene Personen ergeben, die ihre Ausbildung bereits davor absolviert haben.

Der Studiodiskussion stellen wollte sich die verantwortliche Abteilung der steiermärkischen Landesregierung offensichtlich nicht, allerdings teilte sie ihren Standpunkt zu den neuen Fällen schriftlich mit. So sei zum einen Kindergärtnerin mit Kindergartenpädagogin gleichzusetzen, zum anderen bei Ausbildungen vor dem Jahr 1997 eine Zusatzausbildung bis 2014 zu absolvieren.

Ob das eine zufriedenstellende Lösung sein kann, bleibt allerdings laut Volksanwalt Kostelka noch abzuwarten, denn niemand wisse bisher, welche Inhalte diese Ausbildung vermitteln soll. Offen ist auch, wer die Kosten übernimmt.

Die Volksanwaltschaft blieb aber natürlich an diesem Fall dran, und berichtete in der Sendung vom 14. April 2012, in der Rubrik "Nachgefragt" über den neuen Stand der Dinge: Die vielen offenen Fragen zu dieser Nachschulung sind mittlerweile hinfällig, da eine neuerliche Novellierung der entsprechenden Verordnung ins Haus steht. „ Wenn man vorher nicht nachdenkt muss man nachher mehr arbeiten,“ so Volksanwalt Kostelka zur fehlerhaften Gesetzeslage, die nunmehr bereits die zweite Korrektur erlebt. Dabei soll klargestellt werden, dass jeder Lehramtsabschluss, egal wann dieser absolviert wurde, als ausreichende Qualifikation gilt. „Damit sollten alle Probleme gelöst sein,“ freut sich Volksanwalt Kostelka und betont, dass die Volksanwaltschaft sich natürlich auch ein drittes Mal dafür zur Verfügung stelle sich, um sich für eine neuerliche Novellierung einzusetzen, sollten sich nochmals diesbezügliche Probleme ergeben.

 

Nachgefragt: Kein Turnus?

 

Die Mazedonierin L. E. ist 28 Jahre alt und lebt seit 2002 in Österreich, spricht neben perfektem Deutsch vier weitere Sprachen und hat in Wien das Medizinstudium in Mindestzeit abgeschlossen. Derzeit arbeitet sie noch als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Forschungsprojekt am Neurologischen Zentrum Rosenhügel im Fachgebiet Epilepsie. Obwohl sie fachlich alle Voraussetzungen mitbringt und als Anwärterin auf eine Rot-Weiß-Rot Card-plus auch zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt sein wird, wurde ihr von der Ärztekammer und der MA 35 mitgeteilt, dass sie als Drittstaatsangehörige in Österreich keine Tätigkeit als selbstständige Ärztin ausüben und sich auch nicht um eine Turnusarztstelle bewerben darf.

Schuld daran, dass junge Doktoranden aus Drittstaaten ihre ärztliche Berufslaufbahn in Österreich derzeit nicht beginnen können, ist das österreichische Ärztegesetz, das neben Einheimischen nur EU- bzw. EWR- Bürgern die Berufsberechtigung für eine Ärztetätigkeit erlaubt. So auch die anwaltliche Auskunft, die Frau E. noch im Juli 2011 erhielt. Niemand hat ihr bisher aber erklären können, weshalb sie auf halbem Weg jetzt als "Bittstellerin" behandelt wird.

In der Studiodiskussion mit Volksanwalt Dr. Kostelka bestand zwischen dem Vertreter des Gesundheitsministeriums sowie der Ärztekammer Einvernehmen darüber, dass Staatsbürgerschaftsbeschränkungen für die ärztliche Berufsausübung der Vergangenheit angehören sollen und rasch ein Weg gefunden werden müsse, erfolgreichen MedizinabsolventInnen nicht die berufliche Zukunft im Inland zu verbauen. 

Noch in der Studiodiskussion wurde der Jungmedizinerin versprochen, dass die zuständigen Stellen Schritte setzen würden, um ihr bereits vor der Novellierung des Ärztegesetzes zu ermöglichen, sich um einen Turnusplatz bewerben zu können. Die Nachfrage fünf Monate nach der Sendung brachte allerdings ein unerfreuliches Ergebnis. Einen Turnusplatz hatte die Medizinerin aus Mazedonien nach wie vor nicht bekommen und arbeitete seither weiter in der Epilepsie-Forschung.

Zusätzlich wurde die Problematik um eine weitere Facette reicher. Der Aufenthaltstitel der Mazedonierin reichte nicht aus, um den so genannten „Anwendungsvorbehalt“ – eine Regelung wonach EU-Recht direkt anwendbar wird – zur Anwendung zu bringen. So lief auch der Erlass, den das Gesundheitsministerium am Tag nach der Studiodiskussion herausgegeben hatte, in diesem Fall ins Leere. Um sich endlich für einen Turnusplatz bewerben zu können, hätte die Jungmedizinerin die „Rot-Weiß-Rot-Card“ gebraucht. Allerdings ist ihr Gehalt dafür um 20 Euro zu gering.

Für Volksanwalt Kostelka ist das eine „groteske Situation.“ Er stellte jedoch in Aussicht, dass die Medizinerin, nachdem sie in wenigen Tagen zwei Jahre lang in der Forschung gearbeitet haben wird, um die „Rot-Weiß-Rot-Card-Plus“ wird ansuchen können. Mit dem damit verbundenen Aufenthaltstitel sollte es der jungen Frau auch endlich möglich sein, den Turnus hier in Österreich zu absolvieren.