ORF-BÜRGERANWALT, 10.12.2011 MIT VOLKSANWÄLTIN MAG. TEREZIJA STOISITS

10. Dezember 2011

Staatsbürgerschaft entzogen

 

Ein Oberösterreicher wurde vor 65 Jahren in Wels geboren und wohnt seit Jahrzehnten in Stadl-Paura. Bis vor Kurzem glaubte er, Österreicher zu sein. Nach dem Tod seiner Mutter im November 2007 war ein Fehler zutage gekommen, welcher 1965 der Bezirkshauptmannschaft Wels unterlaufen war. Er war nach dem Zweiten Weltkrieg als Minderjähriger nicht eingebürgert worden; damals war von der Bezirkshauptmannschaft Wels jedoch ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt worden. Der Zweite Weltkrieg hat die Ereignisse rund um die Staatsbürgerschaft beeinflusst: Seine Eltern stammten ursprünglich aus dem ehemaligen Bessarabien und der Bukowina, wo sie der deutschsprachigen Bevölkerung angehört hatten. Die deutschsprachige Bevölkerung wurde 1939 ins damalige „Deutsche Reich“ übersiedelt. Nach der Scheidung der Eltern Anfang der 1950er Jahre blieb die Mutter in Oberösterreich. Der Vater zog in die Steiermark, wo er 1956 eingebürgert wurde. Es ist anzunehmen, dass bereits hier der Formalfehler seinen Ursprung hat: Der Vater wurde damals eingebürgert, der Sohn nicht. Die Mutter beantragte nach vielen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft und erhielt sie ohne Probleme.

Nach dem Tod der Mutter wurde der Pass des Beschwerdeführers von der Behörde eingezogen, seither gilt er als staatenlos.

Der Referatsleiter der Gruppe Staatsbürgerschaft der oberösterreichischen Landesregierung vertrat  die Meinung, dass es keine Ausnahmen geben könne, da es keine gesetzliche Grundlage für eine Einbürgerung gäbe. Das einzige was übrig bleibt, ist ein Antrag auf Einbürgerung. Bei so einem Ansuchen würden für den Beschwerdeführer Kosten zwischen 1200 und 1400 Euro entstehen.

Die Volksanwältin vertrat in der Sendung den Standpunkt, dass die zuständige Behörde damals einen Fehler gemacht hat und die Politik jetzt diesen Fehler negiert. Weiter plädierte sie dafür, dass in solchen Fällen die betroffenen Personen unbürokratisch eingebürgert werden und beschreibt die diesbezügliche sehr klare Lage in Ländern wie der Schweiz oder Deutschland, die für solche Fälle eigene Einbürgerungstatbestände vorsehen. Sie forderte eine Gesetzesinitiative, die eine Grundlage für solche Fälle schafft.

 

Nachgefragt: Zuständigkeitskonflikt gefährdet notwendige Unterstützung von behinderter Schülerin

 

Im Oktober 2011 befasste sich der Bürgeranwalt mit dem Fall von Andrea, die aufgrund eines Zuständigkeitskonflikts zwischen Bund und Land die Finanzierung ihrer persönlichen Assistenz für die kommenden drei Jahre in Gefahr sah. Die Eltern der von Geburt an schwer behinderten Andrea hatten sich an den Bürgeranwalt gewandt.

Tatsächlich ist die Assistenz für behinderte SchülerInnen an Privatschulen nur im Pflichtschulalter gesichert. Nach dem neunten Schuljahr würde der Bund ausschließlich für die Assistenz in einer öffentlichen Schule aufkommen. Das Land Vorarlberg hatte sich zwar bereit erklärt, Andrea vorläufig für ein Jahr weiterhin mit der Finanzierung von Assistenzpersonal zu unterstützen, behielt sich aber eine Rückforderung vor.

Der Vertreter des Unterrichtsministeriums hatte betont, dass das Wohl des Kindes im Vordergrund stehe und in Ausnahmefällen – wenn keine öffentliche Schule in einer zumutbaren Entfernung vorhanden sei – die Kosten für eine persönliche Assistenz übernommen werden können. Jetzt hat der Bürgeranwalt nachgefragt, ob die persönliche Assistenz für Andrea für die nächsten drei Schuljahre tatsächlich gesichert ist. Mag. Wolfgang Stelzmüller, Sektionschef des BMUKK, kann berichten, dass der Fall nochmals überprüft wurde: Das Ministerium übernimmt jetzt die Kosten für Andreas persönliche Assistenz und den mobilen Hilfsdienst.  Volksanwältin Stoisits zeigt sich anhand des Resultats zufrieden: Es wurde eine Lösung im Sinne Andreas und ihrer Eltern gefunden, und Andreas Assistenz ist somit gesichert.