ORF-BÜRGERANWALT, 08.10.2011 MIT VOLKSANWALT DR. PETER KOSTELKA
Gerade erst erworbenes Diplom völlig wertlos?
Der Verein Sozialmanagement Steiermark ist ein anerkannter Träger der freien Jugendwohlfahrt und unterliegt als solcher der Aufsicht der Stmk. Landesregierung, welche Ende 2010 befand, dass das vom Verein für die "sozialpädagogische Familienbetreuung" eingesetzte Personal einer Zusatzausbildung bedürften, um als Erziehungshelfer weiter eingesetzt werden zu können. Marion H. und Christian R haben - wie 20 andere KursteilnehmerInnen – auf eigene Kosten im Zeitraum vom 14.1.-19.8.2011 den vom Verein Sozialmanagement Steiermark angebotee Lehrgang zur Diplomierten Jugendarbeiterin bzw. zum Diplomierten Jugendarbeiter absolviert und positiv abgeschlossen. Das Konzept des 1400 Stunden umfassenden Ausbildungskurses wurde im Jänner 2011 der Fachabteilung 11A zur fachlichen Stellungnahme übergeben und akzeptiert.
Ein im März 2011 erstellter Begutachtungsentwurf einer Novelle der Durchführungsverordnung zum Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetz enthielt als Qualifikationsvoraussetzungen für die in der Jugendwohlfahrt eingesetzten JugendarbeiterInnen eine Ausbildung von 1100 Stunden. Frau H. und Herrn R. wurde auf Nachfrage sowohl vom Verein Sozialmanagement Steiermark als auch der Stmk. Landesregierung versichert, dass alles in Ordnung sei und der von ihnen besuchte Kurs entsprechend den neuen Anforderungen auch anerkannt werden könnte. Es kam anders – mit Inkrafttreten der Durchführungsverordnung zum Stiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetz zum 1. Juni 2011 wurden die Qualifikationsvoraussetzungen und fachlichen Standards adaptiert, sodass der geforderte Ausbildungsabschluss im Bereich der Erziehungshilfe zumindest 120 ECTS (European Credit Transfer System entsprechend der Hochschulstandardisierung nach dem Bologna-Prozess) erforderlich machen, was einem Stundenausmaß von 3.000 bis 3.600 Stunden entspricht.
Die Beschwerdeführer betonten in der Studiodiskussion, dass sie es als grob unbillig erachten, dass das Land Steiermark in Kenntnis des Umstandes, dass ein Ausbildungslehrgang stattfindet, ohne Vorwarnung und Übergangsregelungen eine von ihnen gerade erst erworbene Qualifikation jetzt als völlig wertlos erachtet. Die verhinderten Erziehungshelfer forderten vom Land Steiermark wenigstens im Nachhinein die individuelle Anrechenbarkeit des abgeschlossenen Kurses in Anbetracht der erworbenen Praxiszeiten zu prüfen. "Es werde an einer Lösung gearbeitet", teilte das Land Steiermark in Form einer Aussendung mit. Grundsätzlich sei es zu begrüßen wenn in der Jugendwohlfahrt anerkannt würde, dass man der Komplexität von Lebenslagen Minderjähriger nur durch eine höhere Professionalisierung begegnen könne, so Volksanwalt Dr. Kostelka. Das ändere aber nichts daran, dass Verwaltungshandeln immer auch vorhersehbar sein müsse. Es kann nicht sein, dass man – entgegen früheren Zusagen und Erwartungshaltungen – einer laufenden und privat zu finanzierenden Ausbildung - zu Lasten der KursteilnehmerInnen nachträglich den Boden entzieht und ihnen keinerlei Möglichkeit eröffnet, im angestrebten Berufsfeld tätig sein zu können. Konkret könnten die Übergangsbestimmungen durch eine Novellierung der Verordnung adaptiert werden, forderte Volksanwalt Kostelka.
Darf bei Behinderung ein Wohnsitzwechsel erzwungen werden?
Viele Jahre lang wurde die an fortschreitender Multipler Sklerose erkrankte Tanya H. und ihr inzwischen 16jähriger Sohn im Familienverband in Linz von den Eltern betreut. Schlaganfälle ihres Vaters und kurz aneinander gereihte Spitalsaufenthalte der 70jährigen Mutter offenbarten im Sommer 2011, dass die immer anspruchsvollere Pflege zu Hause nicht mehr länger möglich war und die Eltern zunehmend überforderte. Ein Platz in einer betreuten Wohngemeinschaft war nicht frei und so entscheiden sich Frau H. und ihre Angehörigen nach Rücksprache mit dem Magistrat Linz und der OÖ Landesregierung für die Unterbringungen im nahe gelegenen Pflegeheim „Sonnenhof Lenaupark“. Nach kurzer Zeit hatte sich Frau H. in der neuen Umgebung eingewöhnt und zeigte sich vollends zufrieden mit den Rahmenbedingungen der Betreuung.
Kurze Zeit später hieß es von seiten der OÖ Landesregierung jedoch, Frau H. solle von Linz nach Steyr übersiedeln, weil ihr als Behinderter nach dem OÖ-Gleichbehandlungsgesetz, das „Zusammenleben mit Gleichaltrigen“ in einer neuen betreuten Wohngemeinschaft in Steyr ermöglicht werden müsse und es nicht angehe, die 46jährige weiter in einem Umfeld mit hoch betagten Pfleglingen zu belassen. Eine weitere Restkostenübernahme aus Sozialhilfemitteln im Pflegeheim komme mit Ende des Monates September nicht mehr in Frage, hielt der Magistrat Linz in einem Bescheid fest.
Der wegen der fehlenden weiteren Finanzierungszusage aufgezwungene Ortswechsel sei Tragödie, befand die gesamte Familie. Die Distanz werde viele Dinge in der Bewältigung des Alltags für Tanja H. und die Eltern erschweren, so die Schwester der Beschwerdeführerin. Allein die Fahrt von Linz nach Steyr mit öffentlichen Verkehrsmitteln dauere 1,5h, sodass insbesondere die Eltern nicht so einfach wie bisher bei Frau H. vorbeischauen könnten. Man würde sie aus einem funktionierenden sozialen Gefüge herausreißen und darüber hinaus auch den Kontakt zum Sohn, der eine weiterführende Schule in Wels besuche, erschweren, bemängelte Frau H. die bedrohlichen Entwicklungen.
Dennoch blieben sämtliche Telefonate und schriftliche Korrespondenzen in dieser Angelegenheit mit der Landesregierung ergebnislos. "Man solle doch froh sein, dass in so kurzer Zeit ein so guter Platz für Tanya H. gefunden werden konnte", lautete der übereinstimmende Tenor, obwohl die Leitung des Pflegeheimes "Sonnenhof Lenaupark" beschied, keine Probleme darin zu sehen, sich auch weiter um die Pflege von Frau H. zu kümmern, sofern diese dies auch wolle und die Kosten der Unterbringung weiter bedeckt werden. Genau diese Finanzierung des Heimplatzes aus Eigenmitteln hätte die Möglichkeiten der Familie aber bei Weitem überschritten.
Die Behinderte und ihre Familie machte schon im Filmbeitrag deutlich, menschliches Einfühlungsvermögen seitens der beteiligten Behörden zu vermissen, weil Patienten wie Frau H. das Recht auf Selbstbestimmung nicht vorenthalten werden dürfe.
Volksanwalt Kostelka wies darauf hin, dass sich die Problematik durch die Kompetenzverteilung wischen Stadt und Land bei der Finanzierung von Sozialhilfe- und Behinderteneinrichtungen ergebe, was aber nichts daran ändert, dass die gewählte Vorgangsweise eine klare Verletzung der UN-Behindertenkonvention darstelle. Der Vertreter der OÖ Landesregierung verteidigte die Zielsetzungen des OÖ Chancengleichheitsgesetzes und betonte, dass es sich bei Frau H. um einen akuten Fall handle, für den man trotz Bemühungen keinen adäquaten Platz in Linz gefunden habe. Das Wohnheim bzw. das vollbetreute Wohnen stelle ein langfristiges Wohnangebot für Menschen mit Beeinträchtigungen dar und je nach den individuellen Bedürfnissen stehe eine Betreuung mit bis zu 24 Stunden pro Tag und eine Vollversorgungsstruktur jetzt in Steyr zur Verfügung. Dr. Kostelka entgegnete, dass Menschen mit Behinderung frei und selbst bestimmt über die Wohnform entscheiden können und auf die bestehenden engen Bande der Familie Bedacht zu nehmen ist, wenn dies ausdrücklich gewünscht werde.
In der Diskussion sicherte die OÖ Landesregierung zu, dass man dies auch in Anbetracht des Umstandes, dass Frau H. auch Mutter eines weiter bei den Großeltern in Linz lebenden minderjährigen Kindes sei, in Abstimmung mit dem Magistrat Linz jetzt auch anstrebe. Frau H. könne – ihrem Wunsch entsprechend - solange unter Kostenbeteiligung der Stadt Linz im derzeitigen Heim untergebracht bleiben, bis ein für sie eine idealer Platz in einer betreuten Wohngemeinschaft in Linz gefunden werden könne. Volksanwalt Kostelka zeigte sich zufrieden über diese Einigung, der Frau H. zuvor schon erleichtert zugestimmt hatte.