Neue Technologien fehlen im Leistungskatalog der Kassen

26. Jänner 2013

Die Tochter eines Paares aus Niederösterreich kam mit einem Herzfehler zur Welt. Die zwei Löcher im Herzen des Babys verursachten Trinkschwierigkeiten, weshalb eine Magensonde zur künstlichen Ernährung eingesetzt werden musste. Durch eine Operation konnte der Herzfehler schließlich erfolgreich korrigiert werden. Mittlerweile hatte das kleine Mädchen  aber das eigenständige Trinken verlernt, eine Abhängigkeit von der Magensonde trat ein.

Eine Sondenentwöhnung kann stationär oder ambulant vorgenommen werden. In Österreich hat sich die Universitätsklinik Graz auf diesem Gebiet spezialisiert. Die Familie hätte für eine solche Behandlung aber Wartezeiten von fünf Monaten auf sich nehmen müssen. Um die Tochter so bald wie möglich wieder von der Sonde zu entwöhnen, entschieden sich die Eltern schließlich für ein im Internet angebotenes „Netcoaching“. Ein von Spezialisten und Spezialistinnen der Universitätsklinik Graz entwickeltes Betreuungsprogramm per Kommunikation mittels Internet und Videodarstellung bietet Hilfe bei der Sondenentwöhnung.

Die Kosten des telemedizinischen Betreuungsprogramms betrugen € 3.800. Obwohl die Therapie nach drei Wochen erfolgreich beendet werden konnte, wollten die Krankenkassen der Eltern die Kosten zunächst nicht übernehmen. Die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter (BVA) sicherte nur die Übernahme eines Betrages von € 500 zu. Denn „Netcoaching“ finde im Leistungskatalog der Krankenversicherung keine Deckung. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK) lehnte eine Kostenübernahme gänzlich ab. Der Antrag könne nicht bearbeitet werden, solange die BVA damit beauftragt ist.

„Die Krankenkasse hätte aber eine mehrwöchige ambulante Unterbringung mit Therapie bezahlt. Die Kosten dafür hätten sich auf mindestens € 16.000 belaufen. Denn die modernen Technologien sind nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen abgedeckt. Hier ist dringend eine Reform notwendig“, betont Volksanwalt Dr. Peter Kostelka.

In der Sendung zeigte sich, dass inzwischen das Land Niederösterreich einen Betrag von € 1.500 aus dem Katastrophenfonds zur Kostendeckung zuschießt. Auch die BVA hat zugestimmt, den restlichen Betrag von € 1.800 zu übernehmen. Die BVA gab außerdem an, bei ähnlich gelagerten Fällen künftig  in gleicher Weise zu entscheiden. „Zwar scheint das Problem im Bereich der BVA weitgehend gelöst, aber von den Krankenkassen wird das nach wie vor unterschiedlich gehandhabt“, so Volksanwalt Kostelka.

Die Volksanwaltschaft fordert deshalb, dass telemedizinische Behandlungstechniken in das Leistungsspektrum der Krankenkassen aufgenommen werden. Eine einheitliche Handhabung der Krankenkassen ist außerdem notwendig. „Eine Behandlung via Telemedizin ist nicht nur volkswirtschaftlich günstiger, es reduziert auch die Belastung für die Familie. Eine telemedizinische Therapie kann jederzeit begonnen werden und es bedarf keines Ortswechsels mit einem kleinen Kind. Außerdem hat das Programm immerhin eine Erfolgsquote von 92 Prozent“, sagt Volksanwalt Kostelka.

Auch der Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Dr. Josef Kandlhofer, zeigte sich für eine Reform bereit. Er werde sich dafür einsetzen, dass die Telemedizin in den Leistungskatalog der Kassen Eingang findet. Zusätzlich sei aber wichtig, dass man bei diesen Leistungen die Qualität überprüft und diese standardisiert.


Nachgefragt: Contergan-Entschädigungszahlungen

Im Fall der Entschädigungszahlungen für Contergan-Opfer kommt es nun zu einem Abschluss. Dieses Thema hat bereits in mehreren Bürgeranwaltssendungen seit 2007 für Diskussionsstoff gesorgt.

Nach Bekanntwerden des Medikamenten-Skandals beschloss der Deutsche Bundestag im Jahr 1972, eine Stiftung zur Entschädigung der Opfer einzurichten. Manche österreichische Opfer erhielten eine Entschädigung, doch nicht alle. Die Republik Österreich zog auf Grund des Einschreitens der Volksanwaltschaft nach und unterstützt die Betroffenen mit einem Gesamtbetrag von € 2,8 Millionen. Das Geld soll zwischen den Geschädigten gleichmäßig aufgeteilt werden Bei der Ausbezahlung der Gelder kam es allerdings zu Verzögerungen. Eine vom Gesundheitsministerium eingerichtete ärztliche Kommission hatte die Aufgabe, festzustellen, bei welchen Opfern die Missbildungen auf Contergan zurückzuführen sind. Die Volksanwaltschaft hat in diesem Zusammenhang die verzögerte Auszahlung kritisiert.

Mittlerweile sind die Begutachtungen  beinahe abgeschlossen. Bei 44 Betroffenen stellte die zuständige Kommission einen Anspruch fest, bei zwei Fällen muss noch geprüft werden. „44 Personen haben bereits eine Entschädigung von ungefähr € 50.000 erhalten. Ein gewisser Restbetrag ist noch offen, der davon abhängt, wie die Gutachten bei den zwei noch anhängigen Personen entscheiden“, sagt Dr. Gerhard Aigner vom Gesundheitsministerium. Die tatsächliche Auszahlung pro Opfer wird deshalb eine Summe zwischen € 60.870 und € 63.636 ausmachen.

„Das Ganze hat zwar sehr lange gedauert, bereits fünf Jahre, aber nun sind die österreichischen Zusatzzahlungen von etwa € 63.000 pro Opfer weitgehend abgehandelt bzw.  werden in den nächsten Wochen und Monaten abzuhandeln sein“, meint Volksanwalt Dr. Peter Kostelka. Zusätzlich stimmte die Hersteller-Firma des Medikaments „Contergan“ Grünenthal zu, Kosten für benötigte Sachleistungen zu übernehmen. Die in Deutschland eingerichtete Stiftung zahlt außerdem Renten an Geschädigte aus. „Es steht also auch noch aus anderen Quellen Geld für die Opfer zur Verfügung und auch die Republik Österreich hat sich dieser Verpflichtung nicht entzogen. Diese Diskussion ist in Österreich nun abgeschlossen “, so Volksanwalt Dr. Kostelka.

Die Sendung kann auch sieben Tage nach Ausstrahlung in der ORF TVTHEK abgerufen werden.