Menschenrechte: Volksanwalt Achitz erstmals im Landtag Vorarlberg

28. September 2022

Während die Bundes-Volksanwaltschaft in sieben Bundesländern auch als Landes-Volksanwaltschaft eingesetzt ist, haben Tirol und Vorarlberg eigene Volksanwaltschaften, die für Landes- und Gemeindebehörden zuständig sind. Aber auch in Vorarlberg haben die Bundes-Volksanwaltschaft und ihre dafür eigens eingesetzte Kommission eine Aufgabe. „Die Volksanwaltschaft ist für die präventive Menschenrechtskontrolle in Einrichtungen zuständig, in denen es zu Freiheitsentziehung kommt – Gefängnisse, aber auch Pflegeheime, Kinder- und Jugend-WGs, Psychiatrien oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Wir kontrollieren vorbeugend, also schauen darauf, dass die Einrichtungen so ausgestaltet sind, dass es gar nicht erst zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Aber wenn die Kommissionen der Volksanwaltschaft kontrollieren, müssen sie oft feststellen, dass es bereits zu Einschnitten in die Menschenrechte der Bewohner*innen gekommen ist“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz. Am Mittwoch, 28. September wurde erstmals der Bericht über die präventive Menschenrechtskontrolle im Volksanwaltschaftsausschuss des Landtags Vorarlberg präsentiert und mit Achitz diskutiert.

 

Personalmangel kann zu Menschenrechtsverletzungen führen

18 Einrichtungen in Vorarlberg besuchte die zuständige Kommission der Volksanwaltschaft 2021, darunter fünf Alters- und Pflegeheime sowie vier Kinder- bzw. Jugendhilfe-Einrichtungen. „In ganz Österreich fällt auf: Wo es zu Menschenrechtsverletzungen kommt, liegt das nicht an der Schuld der Beschäftigten, sondern sehr oft am Personalmangel. Wenn die Personaldecke aus Spargründen ohnehin knapp gehalten wird, kann jeder ungeplante Personalausfall die Eskalation bedeuten, und Corona hat die Situation dann noch weiter verschärft“, sagte Achitz.

 

Kinder in WG müssen auch im Lockdown Familienbesuch erhalten dürfen

Achitz berichtete über einige Beobachtungen aus Einrichtungen in Vorarlberg: In einer WG war es während der Lockdowns nicht erlaubt, Besuche zu empfangen, was nicht der geltenden COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung entsprach. „Kinder, die nicht nach Hause fahren durften, konnten keine persönlichen Kontakte zu ihren Familien pflegen. Das ist unverhältnismäßig, die Volksanwaltschaft empfahl daher, die internen Regeln an die rechtlichen Vorgaben anzupassen und einen Besucherraum zu installieren.“

 

Verabreichung von Psychopharmaka nicht gemeldet

In einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe stellte die Kommission der Volksanwaltschaft fest, dass das Verabreichen psychopharmakologischer Medikamente mit sedierendem Charakter, die auch der Ruhigstellung dienten, nicht gemeldet worden war. Auch eine Abklärung durch die Bewohnervertretung, ob dadurch medikamentöse Freiheitsbeschränkungen bewirkt wurden, unterblieb.

 

Innovative Unterstützung für junge Erwachsene

Die öffentliche Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe endet mit der Volljährigkeit. Eine Verlängerung der Betreuung ist zwar gesetzlich vorgesehen, es gibt aber keinen Rechtsanspruch darauf, wie er in Deutschland schon seit Jahren besteht. In einigen Ländern werden die Hilfen nur in Ausnahmefällen und unter bestimmten Bedingungen bis zum 21. Lebensjahr verlängert. Achitz: „Vorarlberg geht hingegen einen innovativen Weg, um die sogenannten Care Leaver zu unterstützen. Die Betreuungseinrichtungen können Schecks für eine ambulante Betreuung im Ausmaß von 40 Stunden ausstellen, deren Kosten vom Land übernommen werden.“

 

Mängel bei Gewaltschutz in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

In Vorarlberg sind keine gesetzlichen Vorgaben zu Gewaltschutz und Selbstvertretung in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ersichtlich. Laut Staatenbericht zur UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen kommt jedoch der Gewaltprävention in Einrichtungen eine bedeutende Rolle zu.

 

Einrichtungen setzen Empfehlungen der Volksanwaltschaft um

Achitz betonte, dass viele Einrichtungen die Kritik der Volksanwaltschaft konstruktiv aufnehmen und darauf reagieren. Ein Pflegeheim in Vorarlberg ließ etwa einen Psychiater die von der Volksanwaltschaft als unvollständig und nicht nachvollziehbar beschriebenen Verschreibungen von Medikamenten überprüfen. „Zudem wurde dafür gesorgt, dass Ausgangs- und Eingangstüren von Bewohnerinnen und Bewohnern immer ohne Schlüssel geöffnet werden können, um die Einrichtung verlassen zu können“, berichtete Achitz. Die hausinterne WLAN-Abdeckung wurde verbessert und fünf Tablets angeschafft, um während der Corona-bedingten Einschränkungen Videotelefonie gewährleisten zu können.