Kostelka: Stromunfall

30. Jänner 2010

ORF-Sendereihe "Bürgeranwalt" - Ausstrahlung vom 30.1.2010

In der Sendung „Bürgeranwalt“ vom 30. Jänner 2010 beschäftigt sich Volksanwalt Dr. Peter Kostelka mit dem Schicksal des 22-jährigen Patrick Mayrhofer. Dieser hatte am 9. Februar 2008 einen Arbeitsunfall erlitten: Beim Verlegen von Starkstromleitungen in einem Zementwerk wurden zahlreiche Arbeitnehmerschutzvorschriften missachtet. Ein für die Sicherheit zuständiger Arbeitskollege unterließ sämtliche Vorkehrungen und gab dem Drängen des beauftragenden Unternehmens nach vorzeitiger Freischaltung des Stromes nach. Herr Mayrhofer geriet dadurch in einen Stromkreise von 6.000 Volt Spannung und erlitt dabei schwerste Verbrennungen an beiden Armen, Händen und einem Oberschenkel.

Es folgten mehrere schwierige Operationen. Der junge Mann verlor an der rechten Hand Daumen und Mittelfinger. Die linke Hand ist noch schlimmer betroffen und ohne Funktion; zusätzlich hatte er an der Stromeintrittsstelle am rechten Oberschenkel eine 8 cm tiefe, tellergroße Wunde. Herr Mayerhofer ist von Narben übersäht und zu 100% erwerbsgemindert, da er seinen erlernten Beruf als Elektroenergietechniker nicht mehr ausüben kann. Ob seine linke Hand nicht doch amputiert werden muss, ist fraglich. Zur Zeit wird Herr Mayerhofer bei seinem Dienstgeber 2 Jahre lang zum Automatisierungstechniker umgeschult.

Die aus Dienstgeberbeiträgen finanzierte Unfallversicherung hat zwar Heilungs- und Rehabilitationskosten getragen und finanziert eine Versehrtenrente und die Umschulung. Schmerzengeld bzw. eine Entschädigung für sein gemindertes Fortkommen gibt es aber für Herrn Mayerhofer nicht. In Zusammenhang mit Arbeitsunfällen besteht nämlich das so genannte Dienstgeberhaftungsprivileg. Dieses befreit den Dienstgeber und diesem gleichgestellte Personen (Aufseher) vom Ersatz jeglichen Schadens bei leichter oder grober Fahrlässigkeit; eine zivilrechtliche Geltendmachung von Schmerzengeld oder Verunstaltungsentschädigung scheidet aus, obwohl die Unfallversicherung dafür keine funktionsgleichen Leistungen vorsieht.

Zur Abmilderung von Härtefällen wurde vor 20 Jahren eine so genannte „Integritätsabgeltung“ eingeführt. Diese steht gemäß § 213a ASVG dem Geschädigten zu, wenn der Arbeitsunfall durch eine grobe fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften seitens des Dienstgebers oder diesem gleichgestellte Personen (Aufseher) verursacht worden ist. Wie Erhebungen der Arbeiterkammer Wien zeigten, macht die AUVA von dieser Härteregelung in der Praxis tatsächlich aber kaum Gebrauch. Nur durchschnittlich 8 mal pro Jahr kam eine einmalige Geldleistung aus diesem Titel in den letzten Jahren zur Auszahlung.

Im Fall von Herrn Mayrhofer vermeint die AUVA, diese Integritätsabgeltung nicht bezahlen zu können. Zwar liegt ein strafgerichtliches Urteil vor, in welchem ein Sachverständigengutachten den Unfallhergang rekonstruiert hat und der für die Sicherheit verantwortliche Kollege von Herrn Mayrhofer wegen fahrlässiger, schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Dennoch wird mittlerweile mit der AUVA auch vor dem Arbeits- und Sozialgericht darüber prozessiert, ob die schweren und dauerhaften Verletzungen von Herrn Mayerhofer auf auffallende Sorglosigkeit oder bloß ein leichteres Versehen des Arbeitskollegen zurück zu führen sind.

Für Volksanwalt Dr. Kostelka unverständlich: Gerde bei exponierten Tätigkeiten, die ein hohes Verletzungsrisiko in sich bergen sobald Sicherheitsaspekte ins Hintertreffen geraten, sind Auseinandersetzungen wie diese nur ein Beweis dafür, dass die Härteregelung selbst Schwerstversehrte nicht ausreichend zu schützen vermag. Für ihn sei auch klar, dass konkret eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Eine entgegen der Planungen und Baubesprechungen vorzeitige Inbetriebnahme einer Stromleitung und die Verletzung von sieben verschiedene Arbeitnehmerschutzvorschriften muss doch wohl ausreichen, um eine einmalige Entschädigung zusprechen zu können, meint der Volksanwalt. Gerade im tragischen Fall von Herrn Mayrhofer, der dem Tode „gerade noch von der Schippe gesprungen sei“ und dauerhaft behindert bleibt, wäre eine Ausbezahlung dieser Integritätsabgeltung durch die AUVA ohne langwieriges Gerichtsverfahren wirklich wünschenswert.

Je gefährlicher die Folgen von Fehleinschätzungen sind, desto gravierender wirkt es sich aus, wenn einfachste Sicherheitsüberprüfungen unterbleiben. Nach Meinung von Volksanwalt Dr. Kostelka wäre es nun am Gesetzgeber gelegen, den Zugang zu einer Integritätsabgeltung einfacher zu gestalten. Dafür werde er sich bei den Abgeordneten auch verwenden.