Kostelka: Pflegegeld

18. September 2010

Pflegegeld

Seit dem Tod ihres Ehemannes vor drei Jahren lebt die 84-jährige Frau N.N. allein in ihrer Wohnung. Vor zwei Jahren wurde bei ihr ein Tumor im Unterleib festgestellt, seit Juni dieses Jahres hat sich der Gesundheitszustand rapide verschlechtert. Mit Fortschreiten der Krebserkrankung nehmen die Komplikationen stetig zu. Die Betreuung erfolgte bislang allein durch die Tochter, die aber eine vom AMS geförderte Ausbildung zur Heimhelferin absolviert und auf Jobsuche ist. Frau N.N. bezieht eine kleine Witwenpension und ein Pflegegeld der Stufe 2. Mit diesem Geld kann eine durchgängige Versorgung aber nicht finanziert werden. Um einen Zuschuss zu der 24-Stunden-Betreuung zu erhalten, braucht man zumindest die Pflegestufe 3, wurde der Tochter erklärt. Aber auch die Bezirkshauptmannschaft blockte ab: Stationäre Pflege setzt ein Pflegegeld der Stufe 4 voraus; um die Finanzierung einer Rund-um-die-Betreuung im Wohnumfeld müsse sich die Familie selber kümmern.

Die Tochter von Frau N.N. stellte im Juli 2010 daher einen Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes. Dieser Antrag wurde im August von der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter abgelehnt, obwohl das Krankenhaus Neunkirchen Frau N.N. die häusliche 24-Stunden-Pflege zuvor ausdrücklich empfohlen hatte.

Die Tochter der Betroffenen wandte sich in ihrer Not mit aktuellen Spitalsbefunden an die Volksanwaltschaft. Dort wurde ihr geraten, sofort wieder einen neuen Pflegegeldantrag zu stellen - mit Erfolg. In der Sendung berichtete ein Vertreter der Versicherung öffentlicher Bediensteter von einem neuerlichen Gutachten, laut dem der Anspruch auf Pflegestufe 5 ab 1. September anerkannt werden kann. Auch die Einstufung im August wird wegen der rapiden Verschlechterung des Gesundheitszustandes erneut überprüft.

Volksanwalt Kostelka kritisierte die Qualität der Gutachten im Pflegegeldbereich: „Dieser Fall ist exemplarisch: In nur 26 Tagen konnte jetzt doch eine Anhebung von Pflegestufe 2 auf 5 bestätigt werden. Das bedeutet einen Anstieg von 82 auf 180 Stunden Pflegebedarf - eine derart rasche Verschlechterung kann nicht eingetreten sein. Die Volksanwaltschaft stellt in diesem Bereich doppelt so viele Missstände wie in anderen Bereichen fest. Ich kann Betroffenen nur raten, in ähnlichen Fällen niedrige Einstufungen nicht hinzunehmen. Der Gutachter hat zwar richtig festgestellt, dass Frau N.N. noch teilweise mobil ist – ihre Demenz und Inkontinenz hat er aber im ersten Verfahren nicht berücksichtigt“, erklärt Kostelka.

Volksanwalt Kostelka drängt schon jahrelang darauf, Angehörige in so schwierigen Situation mehr zu unterstützen und ihnen Behördengänge abzunehmen und sowie die Entscheidungsfindung zu erleichtern, um eine optimale Betreuung im häuslichen Umfeld zu gewährleisten. Der  Vertreter der NÖ Landesregierung reagierte in der Sendung umgehend und versprach die Tochter bei der Organisation der Pflege zu Hause umfassend zu unterstützen.

Nachgefragt: Marchegg – bringt die Post wirklich allen was?

2002 wurde ein Postamt im Ortsteil Marchegg-Stadt geschlossen. Im März 2009 machte sich die Post AG trotz einer Unterschriftenkampagne, die gestartet wurde und in der mehr als 2000 Bürgerinnen und Bürger von Marchegg bekundeten, ihre Post- und Briefgeschäfte weiter im noch verbliebenen Postamt tätigen zu wollen, daran, diese letzte Postfiliale zu schließen. Im August 2009 kam dennoch das "Aus" für das Postamt und ein Installationsunternehmen sollte künftig als Postpartner fungieren. Allerdings wurde der Vertrag gegenüber der Post AG wenig später wieder aufgekündigt. Der lokale Installateur erachtete die neue Aufgabe als zu kosten- und arbeitsintensiv. Ende März 2010 hatten 3.600 Bürgerinnen und Bürger von Marchegg Postamt und Postpartner verloren. Die nächste Postfiliale in der Nachbargemeinde ist 13 Kilometer entfernt – ein unzumutbar weiter Weg.

Mit dem am 05.12.2009 in Kraft getreten Postmarktgesetz hat der Gesetzgeber keine Vorgabe einer Mindestanzahl an eigenbetriebenen Post-Filialen vorgenommen. Auch in entlegeneren ländlichen Gemeinden muss aber zumindest eine Post-Geschäftsstelle (Postfiliale oder Postpartner) für 90% der Bevölkerung in maximal 10 000 Metern erreichbar sein. Damit – und darauf wies Volksanwalt Kostelka schon im Juni 2010 hin – "liegt der Ball in Marchegg eindeutig wieder bei der Post AG, die sich als Universaldienstleister selber verstärkt darum kümmern muss, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen".

Ende August 2010 hat die Post AG einen neuen Partner gefunden: Die Trafik im Ort.

Volksanwalt Kostelka gibt trotz der Lösung keine Entwarnung: „Man muss die Post AG immer wieder an ihre gesetzliche Verpflichtung als Universaldienstleiter erinnern. Seit Ende 2009 sind 490 Postämter zur Schließung angemeldet worden, bei 298 ist es bereits durch die Post-Controll-Kommission zu einer abschließenden Beurteilung gekommen, 250 Postämter wurden bereits geschlossen, 38 dürfen laut Behörde nicht geschlossen werden. Bei 192 Postämtern ist die Prüfung noch nicht abgeschlossen. Aktuell gibt es österreichweit nur mehr 880 echte Postämter, aber bereits 901 Postpartner. Von der Post AG muss erwartet werden, dass sie die Qualität bei den Postpartnern sicherstellt, bevor sie weitere Postpartner installiert. Zweitens sollte sie sich überlegen, ob es nicht doch Sinn macht, deutlich mehr Postämter mit qualifiziertem Personal, guter Qualität, und angemessenen Öffnungszeiten zu belassen.