Kostelka: Konflikt ums Pflegegeld

4. Dezember 2010

Konflikt ums Pflegegeld

Der 25-jährige Sascha N.N. leidet seit seiner Geburt an einer genetisch bedingten Erbkrankheit, die Nervenbahnen und das Rückenmark schädigt. Er ist in allen Bereichen auf seine Eltern angewiesen und kann sich selber nicht fortbewegen, hat keinerlei Kontrolle über seine Körperfunktionen und muss mindestens einmal pro Stunde gewickelt werden. Mehrmals pro Woche treten epileptische Anfälle auf, dies auch mitten in der Nacht. Seit zwei Jahren muss Sascha über eine Sonde ernährt werden. Zur Sicherstellung der Atmung musste ihm die Luftröhre operativ geöffnet werden. Kanülen am unteren Hals bilden seither den Ein- und Ausgang für die Atemluft, die von dort direkt in die Luftröhre gelangt. Frau N.N. hat noch drei minderjährige Kinder zu versorgen, von denen ein weiteres an der gleichen Erbkrankheit leidet. Der älteste Sohn ist bereits verstorben. Die gesunden Geschwister (ein 11 jähriges Mädchen und ein 13- jähriger Bub) werden nach Schulschluss in den Pflegealltag eingebunden, weil Frau N.N. am Nachmittag fallweise als 'Reinigungskraft arbeitet, um die Familie zu erhalten. Nur bei einer höheren Pflegestufe würde der Verdienst des Vaters ausreichen und Frau N.N. könnte sich ganz um den schwerst pflegebedürftigen Sascha kümmern. Eine Heimunterbringung lehnen die Eltern ab auch wenn Frau N.N. zugesteht, dass sie allmählich überfordert ist.

Sascha wurde vor Jahren Pflegegeld der Stufe 6 ( derzeit  € 1.242,-- mtl) zuerkannt. Schon 2009 wurde unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Sondenernährung und der Tracheostomapflege Pflegegeld der Stufe 7 beantragt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Weil Sascha körperlich immer schwächer wird und die epileptischen Anfälle zunehmen, brachte Frau N.N. 2010 auf Empfehlung des Krankenhauses erneut einen Pflegegelderhöhungsantrag ein. Abermals stellte die Bezirkshauptmannschaft Tulln einen abweisenden Bescheid aus.

In der Sendung erklärte der Leiter der Sozialabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung, dass gegen den Bescheid Klage eingebracht worden war. Das Verfahren sei beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht anhängig, weshalb dazu keine Stellungnahme abgegeben werden könne. Er verteidigte die Entscheidung des Gutachters und der Behörde, ein Gerichtsgutachten werde aber bald eine Entscheidung bringen.

Volksanwalt Kostelka kritisierte sowohl das zuletzt erstellte ärztliche Gutachten als auch den mangelhaft begründeten Bescheid: „Der Bescheid enthält widersprüchliche Angaben zum Pflegebedarf von Sascha. Außerdem fehle eine nachvollziehbare Begründung, warum nicht Pflegestufe 7 gewährt wird. Es wäre auf Grundlage der Judikatur des OGH die Aufgabe des Gutachters gewesen, zu überprüfen, ob es Sascha möglich ist, die Gliedmaßen kontrolliert zu bewegen und bei der Pflege so wenigstens minimal mitzuhelfen. Diese Überprüfung ist jedoch nicht erfolgt; das ärztliche Gutachten enthält keinerlei Ausführungen dazu. Die Bezirkshauptmannschaft hat sich diesem Gutachten kritiklos angeschlossen, obwohl der Begründungstext im Pflegegelderhebungsbogen zu diesem Punkt gar nicht ausgefüllt wurde.“ Volksanwalt Kostelka forderte aber auch eine Unterstützung der Familie durch Familienhilfe, Hauskrankenpflege oder Heimhilfe. „Eine so schwer belastete Familie darf nicht alleine gelassen werden.“

Nachgefragt: Endloser Kampf gegen Gericht und PVA

Seit acht Jahren kämpft Frau N.N. für eine Berufsunfähigkeitspension, die ihr rund 1.000 € pro Monat und etwas mehr Lebensqualität verschaffen würde. Sie leidet an Morbus Bechterew.

Ihre Tätigkeit als Bilanzbuchhalterin hat sie schon vor 10 Jahren aufgeben; langes Sitzen und Arbeiten am PC sind ihr medizinisch nicht mehr zumutbar. 2002 stellte Frau N.N. einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension bei der PVA. Diese lehnte jedoch ab. Seit März 2003 ist das Gerichtsverfahren vor dem Arbeits-und Sozialgericht anhängig. In den letzten sieben ½  Jahren sind unzählige Gerichtsgutachten erstellt und erörtert worden.

Die PVA hat Frau N.N. jetzt nach nochmaliger Durchsicht des Pensionsaktes ein Vergleichsanbot unterbreitet und würde die unbefristete Berufsunfähigkeitspension rückwirkend ab 1.1. 2004 auszahlen. Volksanwalt Kostelka: „Ich freue mich, dass die PVA zu einem Vergleich bereit ist.  Das ist ein faires Angebot und ein fast achtjähriger Prozess könnte jetzt endlich zu fairen Bedingungen abgeschlossen werden.“