Keine Möglichkeit zur legalen Ausreise

25. Oktober 2012

Der Begriff Zwickmühle liegt einem unweigerlich auf der Zunge, wenn man sich die Situation einer armenischen Flüchtlingsfamilie vor Augen führt. Durch die Ablehnung der Asylanträge hielten sich alle Familienmitglieder unrechtmäßig in Österreich auf, durch Probleme mit den armenischen Behörden erhielten sie allerdings auch keine neuen Reisedokumente. Die Polizei verhängte dennoch nach einer Grundversorgungskontrolle Strafen in Höhe von 1000 Euro. inzwischen wurden die Strafen vom UVS aufgehoben – alle bis auf eine. Deswegen sprach das Kollegium der Volksanwaltschaft eine Missstandsfeststellung aus und empfahl die Aufhebung des Strafbescheides.

Eine einzige Strafe über 1000 Euro wegen unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich blieb bestehen – jene gegen eine Tochter der Familie. Die noch minderjährige Betroffene war gerade in der Schule, als die Polizei Villach eine Kontrolle der Grundversorgung bei Asylwerbenden durchführte und alle Familienmitglieder wegen unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich anzeigte. In der Folge bekamen ihre Eltern und Geschwister die Strafbescheide zugestellt, lediglich das Schreiben an die Betroffene wurde nicht vom Postamt abgeholt und zeigt dadurch bis heute Konsequenzen.

Gegen die zugestellten Strafbescheide ergriff der Rechtsbeistand der Familie Rechtsmittel. Der Fall kam vor den Unabhängigen Verwaltungssenat Kärnten (UVS), der die Strafen aufhob. In der Begründung dazu wurde erklärt, dass sich die armenische Familie nach der Ablehnung des Asylantrages zwar unrechtmäßig in Österreich aufhielt, die Familie an diesem Umstand jedoch keine Schuld treffe. Zu diesem Zeitpunkt sei nämlich die Abklärung der Staatsbürgerschaft noch nicht abgeschlossen gewesen, wodurch die Familienmitglieder auch keine gültigen Reisedokumente besessen hätten. Da die Republik Armenien die Identität der Betroffenen nicht feststellen habe können, könnten die Beschuldigten das Bundesgebiet nicht auf legale Weise verlassen.

Die Volksanwaltschaft ist der Ansicht, dass die Begründung des UVS, mit der die Strafbescheide gegen die restliche Familie aufgehoben wurden, auch auf die minderjährige Tochter zutrifft. Warum der Betroffenen die behördlichen Schreiben nicht zugestellt wurden bzw. warum diese nicht vom Postamt abgeholt wurden, konnte nicht abschließend geklärt werden. Da jedoch alle übrigen Familienmitglieder ihre Strafen beeinsprucht haben, ist davon auszugehen, dass die Erhebung der Berufung nicht bewusst unterlassen wurde, sondern möglicherweise aufgrund eines Versehens unterblieben ist.

In der Begründung der Strafe verweist die Bundespolizeidirektion (BPD) Villach lediglich darauf, dass die Betroffene im Verfahren keine Rechtfertigung abgegeben habe, und das Verfahren dadurch ohne weitere Beweisaufnahme habe abgeschlossen werden können. Auf die persönliche Situation und Geschichte der Minderjährigen ging die BPD Villach überhaupt nicht ein.

Hätte die Tochter wie der Rest der Familie Berufung eingelegt, hätte der UVS auch in ihrem Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Bestrafung aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, da die Erwägungen des UVS Kärnten in allen Bescheiden der anderen Familienmitglieder im Wesentlichen die gleichen waren und sich jeweils auf die familiäre Gesamtsituation bezogen. Eine Gleichbehandlung aller Familienmitglieder würde daher mit einer Aufhebung der Bestrafung der Beschwerdeführerin sichergestellt.

Die Bestrafung der Beschwerdeführerin stellt somit einen Missstand in der Verwaltung dar. Das Kollegium der Volksanwaltschaft, Mag.ª Terezija Stoisits, Dr. Peter Kostelka und Dr. Gertrude Brinek, machte von der ihr zustehenden Möglichkeit Gebrauch, der Bundesministerin für Inneres die Aufhebung der Bestrafung zu empfehlen, um damit den Missstand zu beheben.