„Bürgeranwalt“: 24-Stunden-Betreuung braucht Systemwechsel

18. April 2020

Nur unter erschwerten Bedingungen gelangen derzeit die für die 24-Stunden-Betreuung dringend benötigten Pflegekräfte aus Osteuropa nach Österreich. Der turnusmäßige Wechsel der Betreuerinnen funktioniert wegen der Grenzschließungen bereits seit Wochen nicht mehr. Während viele Betreuerinnen seither ohne Pause durcharbeiten, müssen die anderen in ihren Heimatländern warten und verdienen kein Geld. Betroffene Pflegebedürftige und ihre Angehörigen haben Volksanwalt Bernhard Achitz in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 18. April um Hilfe gebeten.

Achitz sieht kurzfristig die Diplomatie gefordert: Sie müsse sich bei den anderen EU-Ländern dafür einsetzen, dass die Betreuerinnen nach Österreich kommen können. Denn es scheitere oft nicht an der österreichischen Rechtslage, sondern an der der Herkunftsländer. Korridorzüge und Coronavirus-Tests wären Möglichkeiten, dem Engpass zu begegnen. Aber langfristig, so Achitz, müsse sich die Politik ein belastbareres System überlegen, wo es für die Pflegekräften mehr Wertschätzung gibt, auch in Form von mehr Geld. „Das System ist jetzt so aufgestellt, dass die so wichtige Pflegetätigkeit so schlecht bezahlt ist, dass man davon in Österreich nicht leben kann“, kritisierte Achitz.

Risikopatientinnen und -patienten: Gesetzesvollzug verunglückt

Eine Apothekerin, die der Hochrisikogruppe angehört, wandte sich an die „Bürgeranwalt“-Redaktion, weil sie trotz ihrer Gefährdung durch das Coronavirus weiter arbeiten muss. „Es gibt zwar ein Gesetz zum Schutz von Risikopatienten, aber der Vollzug ist verunglückt“, kritisierte Volksanwalt Achitz. Eigentlich sollten die Betroffenen bereits seit Mitte März freigestellt sein oder im Homeoffice arbeiten können, aber sie warten bisher vergeblich auf Behördenentscheidungen, ob sie offiziell unter die Risikogruppe fallen. „Zusätzlich ärgerlich ist, dass Risikopatientinnen, die in der kritischen Infrastruktur arbeiten, von diesem Gesetz ausgeschlossen sind und weiter arbeiten müssen“, so Achitz. Das betrifft wohl auch die genannte Apothekerin.

Corona-Kollateralschäden, weil Vorsorgeuntersuchungen nicht stattfinden?

Ganze Patientengruppen fürchten derzeit, aufgrund des fokussierten Ressourceneinsatzes für das COVID-19-Krisenmanagement zu Schaden zu kommen. Der herzkranke Herr G. befürchtet, dass ein Aufschub seiner Behandlung seine Lebenserwartung verkürzen würde, Herr P. beklagt, dass er seit der Verschiebung seiner Hüftoperation unter unerträglichen Schmerzen leidet. Achitz: „Es ist jetzt höchst notwendig, wieder zum Normalbetrieb zurückzukehren. Ich hoffe, dass Herr G. und Herr P. rasch zu ihrer Versorgung kommen.“

Pflegeheimwechsel: Barrieren zwischen den Bundesländern

Frau G. versuchte verzweifelt, ihre Freundin aus einem Pflegeheim in Kärnten in ihre Nähe, in ein Pflegeheim in Frauenkirchen im Burgenland, zu übersiedeln. Im Jänner 2020 ist ihr das zwar gelungen, aber seit eine Vereinbarung zwischen den Bundesländern über den „Kostenersatz“ gekündigt wurde, sind Bundesländergrenzen für Sozialhilfeträger offenbar unüberwindbare Barrieren geworden. Weder Kärnten noch das Burgenland wollen die Kosten übernehmen. Bernhard Achitz fordert österreichweit einheitliche Regelungen: „Die Bundesländer müssen sich zu einer Lösung durchringen, die es den Menschen ermöglicht, in ein anderes Bundesland zu übersiedeln.“

Frau G. hat mittlerweile aber ein weiteres Problem: Die Freundin kann sie aus zwei Gründen nicht besuchen. Erstens wohnt sie in Ungarn und kann nicht so einfach nach Österreich einreisen, und zweitens gilt in Pflegeheimen ein Besuchsverbot, um die BewohnerInnen vor Covid-19-Infektionen zu schützen. Diese Einschränkung sei zwar prinzipiell mit gutem Grund erfolgt, aber „sie dauert jetzt schon sehr lang, und es ist jetzt Zeit, dass sich die Pflegeheimbetreiber Alternativen zum persönlichen Besuch überlegen“, verlangt Achitz. Vorstellbar seien etwa Besuche mit Schutzkleidung oder mit Plexiglas-Abtrennungen.