Behinderung ist nicht gleich Behinderung

24. März 2014

Ein junger Oberösterreicher erlitt bei seiner Geburt einen Schlaganfall, der eine Gehirnblutung zur Folge hatte und insgesamt 15 Operationen am Kopf nach sich zog. Jetzt leidet der 23-Jährige an einer körperlichen Behinderung und hat zudem Einschränkungen in seinen kognitiven Fähigkeiten.

Nach dem Besuch der Volks- und Sonderschule erlernte er in einer geschützten Werkstätte den Umgang mit einem Computer. Seit dem Abschluss der Ausbildung ist er beim Verein Datenhighway beschäftigt. Zurzeit wohnt der Oberösterreicher bei seiner Mutter, die ihn, trotz ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes, zuhause pflegt.

Damit dem jungen Mann eine Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ermöglicht werden kann, wünscht sich die Mutter eine Bezugs- oder Betreuungsperson im Rahmen einer persönlichen Assistenz. Dieser Wunsch bleibt dem Oberösterreicher jedoch verwehrt. Die Oberösterreichische Landesregierung verweist auf das oberösterreichische Chancengleichheitsgesetz (Oö. ChG), wonach eine persönliche Assistenz nur jenen Personen zusteht, die eine körperliche Beeinträchtigung haben. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt es zwar eine Unterstützung in Form der Mobilen Betreuung, diese steht aber am Abend nur eingeschränkt zur Verfügung.

In der ORF Sendung „Bürgeranwalt“ diskutierten Volksanwalt Dr. Günther Kräuter und der Leiter der Abteilung Soziales in der Oberösterreichischen Landesregierung, Dr. Alfred Roller,  über eine mögliche Lösung.

„Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen. Somit ist es für die Volksanwaltschaft selbstverständlich, dass dem jungen Mann eine Begleitperson zur Seite gestellt wird“, so Volksanwalt Dr. Günther Kräuter.

Laut Dr. Roller plane die Oberösterreichische Landesregierung im Rahmen einer Gesetzesänderung eine Verbesserung für Menschen mit Lernbeeinträchtigung. Die Umsetzung der geplanten Änderung werde sich aber aufgrund der angespannten budgetären Situation verzögern.

Für Volksanwalt Dr. Günther Kräuter ist klar, dass der Familie geholfen werden muss, weil der junge Mann und seine Mutter ein Recht darauf haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Nachgefragt: Netcoaching

Das Neugeborene eines jungen Ehepaares aus Niederösterreich musste aufgrund eines Herzfehlers gleich nach der Geburt durch eine Sonde ernährt werden. Nach einer erfolgreichen Operation konnte der Herzfehler korrigiert und die Sonde entfernt werden. Das Mädchen hatte jedoch das eigenständige Trinken verlernt, sodass eine Abhängigkeit von der Magensonde eintrat.

Für die Umstellung von der künstlichen Ernährung per Sonde auf eine orale Ernährung braucht es eine sogenannte Sondenentwöhnung. Diese hätte zwar am LKH Graz durchgeführt werden können, die Wartezeit lag jedoch bei fünf Monaten. Um ihre Tochter so bald wie möglich wieder von der Sonde zu entwöhnen, entschieden sich die Eltern schließlich für ein im Internet angebotenes „Netcoaching“. Dabei handelt es sich um ein von Spezialisten entwickeltes Programm, mit dem die Familie per Videodarstellung und -kommunikation mit den Ärztinnen und Ärzten, Hilfe bei der Sondenentwöhnung erhalten. Die Freude des niederösterreichischen Paares war groß, als die Therapie nach drei Wochen erfolgreich beendet werden konnte. Für die Kosten des Netcoachings in der Höhe von rund 3.800 Euro wollte die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) jedoch nicht aufkommen.

Schließlich wurde bereits in der Sendung im Jänner 2013 bekanntgegeben, dass die Kosten aus einem Katastrophenfonds des Landes Niederösterreich und von der BVA getragen werden. Zusätzlich gab die BVA an, bei ähnlich gelagerten Fällen, die Finanzierung in Zukunft ebenso zu handhaben.  

„Bei etwa 20 Fällen der Sondenentwöhnung im Jahr ist es unbedingt notwendig, eine dauerhafte Lösung für die Finanzierung zu finden“, so Volksanwalt Dr. Günther Kräuter.

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger stellte nun in Aussicht „die Qualität des Netcoachings und die damit verbundenen Rechtsfragen und die derzeitige Vollzugspraxis der Krankenversicherungsträger bis Juni 2014 vertieft zu erheben und zu prüfen.“

 „Telemedizin kann sowohl der Prävention, der Behandlung als auch der Rehabilitation dienen und ist kostengünstiger als eine stationäre oder ambulante Behandlung im Krankenhaus“, schließt Volksanwalt Dr. Günther Kräuter ab.