Barrierefreiheit oder Denkmalschutz?
Noch immer kommen Menschen mit Behinderungen sehr schwer in öffentliche Gebäude. Die Volksanwaltschaft sieht sich mit zahlreichen Beschwerdefällen wegen mangelnder Barrierefreiheit konfrontiert: So wandte sich beispielsweise ein älterer Herr nach einem beschwerlichen Museumsbesuch in Wien an Volksanwältin Gertrude Brinek.
Menschen mit Behinderungen haben das Recht, gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Die rechtliche Grundlage in Österreich bildet nicht nur das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, sondern auch die UN-Behindertenrechts-konvention. Alle Ministerien sind verpflichtet einen Etappenplan zur Beseitigung baulicher Barrieren in öffentlichen Gebäuden zu erstellen und zu veröffentlichen. Die Umsetzung sollte bis spätestens 2020 erfolgen.
Im Rahmen der Sendung Bürgeranwalt machten sich zwei Testpersonen, ein junger Mann im Rollstuhl und Behindertenanwalt Hansjörg Hofer, auf den Weg durch Wiens Museen. Das Betreten des Kunsthistorischen Museums sowie des Naturhistorischen Museums war nicht barrierefrei, d.h. ohne fremde Hilfe möglich. Menschen im Rollstuhl können die Museen nur durch Nebeneingänge und mit Hilfe des Portiers betreten, was jedoch nicht einem barrierefreien Zugang im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes entspricht. Auch bei anderen Museen scheiterte das selbständige Betreten des Gebäudes an der Steigung der Rampe, am Kopfsteinpflaster des Vorplatzes, an fehlenden Handläufen oder langsamen Treppenliften, die insbesondere im Brandfall die Fluchtmöglichkeiten erschweren.
Volksanwältin Brinek diskutierte im Rahmen der Sendung mit Burghauptmann Reinhold. Sahl, zuständig für die Verwaltung und den Erhalt aller historischen Gebäude des Bundes österreichweit, und Bernd Euler-Rolle, Fachdirektor des Bundesdenkmalamtes (BDA). Man gebe sich nicht mit den Zwischenlösungen zufrieden, so Sahl, und setze etappenweise verschiedene Projekte um, um mobilitätseingeschränkten und Menschen mit Behinderungen den Zugang zu allen öffentlichen Gebäuden zu ermöglichen. Der Denkmalschutz verhindere dies nicht, so Euler-Rolle: „Veränderungen, die einen Einfluss auf Substanz, überlieferte Erscheinung oder künstlerische Wirkung haben können, bedürfen zwar der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, dieses hat jedoch abzuwägen zwischen den Gründen, die für eine Veränderung sprechen, und jenen, die für die unveränderte Erhaltung sprechen.“ Das BDA kann so auf berechtigte Anliegen entsprechend eingehen.
Volksanwältin Brinek kritisiert insbesondere fehlende öffentliche Etappenpläne: „Es geht um eine Form von transparenter Kultur und Politik, die wir vermissen. Die Etappenpläne geben Betroffenen eine Orientierung. Und das ist kein Minderheitenprogramm. Es betrifft immer mehr Menschen, die im hohen Alter oder auch kurzzeitig Unterstützung brauchen.“ Außerdem könne es nicht am entweder Barrierefreiheit oder Denkmalschutz scheitern, sondern es müssen praktikable Lösungen gefunden werden, so Brinek.
Nachgefragt: Blutpflaume auf dem Friedhof
Auf einem Waldviertler Friedhof sorgt eine Blutpflaume für Ärger. Der Baum befindet sich in unmittelbarer Nähe eines Familiengrabes am Friedhof von Groß-Siegharts. Die Blüten, Blätter und Früchte des Baumes verschmutzen die Steinplatten und Einfassungen des Grabes derart massiv, dass das Grab ständig gereinigt werden muss. Die Familie wandte sich mit ihrem Problem an die Gemeinde. Bislang scheiterten alle Lösungsversuche. Volksanwältin Brinek fordert die Gemeinde auf, den Baum zu entfernen, und sich bei der Familie für die bisherigen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. „Es gibt eine Sorgfaltspflicht der ʻVermieterʼ des Grabes, also der Gemeinde, jedwede Beeinträchtigung der Ausübung des Nutzungsrechts zu beseitigen. Das sieht nicht nur das Gesetz so vor sondern auch die Friedhofsordnung der Gemeinde“, so Brinek. Die Gemeinde müsse also aktiv werden. Der Baum gehöre entfernt.
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