11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderung
Diesmal nahm sich die Sendung „Bürgeranwalt“ der Thematik von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) an, die keinen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr haben. Mehrere Familien hatten sich darüber bei Volksanwalt Walter Rosenkranz beschwert. Der längere Besuch einer Sonderschule oder allgemeinen Schule sei nur über Antrag möglich und an eine Bewilligung von Schulerhalter und zuständiger Schulbehörde gebunden. Werde diese Bewilligung nicht erteilt, so ende für die Kinder der Schulbesuch schon ein Jahr, nachdem die Schulpflicht erfüllt ist, also mit dem 10. Schuljahr. Zu- und Absagen der Verlängerung erfolgten zum Ärgernis der Eltern teils erst spät, am Ende des vorangehenden Schuljahres, sodass wenig Zeit für Reaktionen bleibe. In Wien würden die Anträge außerdem kaum genehmigt. Ein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof wegen Diskriminierung sowie eine von 40.000 Menschen unterschriebene Petition beim Parlament seien bereits eingebracht worden.
Der anwesende Generalsekretär des Bildungsministeriums zeigte sich einerseits zufrieden, dass das öffentliche Schulsystem tatsächlich liefere, was die betroffenen Kinder brauchten. Von rund 800 Anträgen auf ein freiwilliges 11. Schuljahr seien nur 240 abgelehnt worden, großteils funktioniere das System daher. Das Ministerium stelle sich Anträgen nicht in den Weg. Das Gesetz sehe andererseits bei Pflichtschulen eine Zustimmung des Schulerhalters vor. Rechtsanspruch auf ein 11. oder 12. Schuljahr hätten Kinder mit Behinderung somit keinen. Mit der Wiener Bildungsdirektion sei man über die künftige Vorgehensweise bereits im Gespräch. In Wien gebe es zweifellos den stärksten Zuzug, weswegen auch hier die Problematik eine größere sei als in anderen Bundesländern.
Der Wiener Bildungsdirektor stellte die Frage in den Raum, warum es nicht grundsätzlich ein Recht auf Bildung gebe. Bei einer eventuellen Schulpflicht würden die Kinder in der Mittelschule in einer Schulform bleiben, die gar nicht mehr für das Alter vorgesehen sei. Geld sei vorhanden, aber Anträge könnten nicht genehmigt werden, wenn es an Lehrkräften oder Räumen mangle oder etwa, wenn das 10. Schuljahr positiv abgeschlossen worden sei.
Eine betroffene Mutter und Vertreterin der Bürgerinitiative „Recht auf Bildung für alle“ zitierte die UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf Bildung für alle bis 18 enthalte sowie die gesetzlich verankerte Ausbildungspflicht bis 18. Warum gerade Kinder, die es ohnehin schwerer hätten als andere davon ausgenommen seien, sei ihr unverständlich. Sie plädierte deshalb für die Verankerung eines Rechts auf Bildung für Kinder mit SPF im Schulunterrichtsgesetz. Wegen der Entwicklungsverzögerung der Kinder wäre es sinnvoll, die Schulpflicht um zwei Jahre nach hinten zu verschieben. Daraus würde sich automatisch ein längerer Schulbesuch ergeben. Ihr Rechtsanwalt verwies auf bestehende Rechtsgrundlagen, Kinder hätten bereits jetzt einen Anspruch auf einen über das 9. Schuljahr hinausgehenden Unterricht.
Volksanwalt Walter Rosenkranz verwies auf die vom Parlament beschlossene Bildungspflicht bis 18, um junge Leute für den künftigen Beruf zu ertüchtigen: „Das Thema wäre dazu geeignet, dass sich die Landeshauptleute und die Bildungsdirektionen zusammensetzen und darüber einigen. Der Föderalismus darf bei diesem wichtigen Thema kein Hindernis sein“, sagte Rosenkranz. Einen Mangel im Gesetz müsse das Parlament beseitigen, einen Mangel in der Vollziehung die Verwaltung. „Wenn eine Genehmigung des 11. und 12. Schuljahres daran scheitert, dass Ressourcen schlecht verteilt sind und der Eindruck einer ‚Restplatzbörse‘ entsteht, dann werden Kinder vom österreichischen Schulsystem behindert. Eine Lösung ist dringend notwendig“, so der Volksanwalt.
Nachgefragt: Lärm von Gewerbepark in Neulengbach
In „Nachgefragt“ wurde wieder in Neulengbach Nachschau gehalten: Anrainerinnen und Anrainer des Gewerbeparks hatten sich schon 2021 über eine andauernde Lärmbelästigung durch LKW-Anlieferungen bei zwei großen Unternehmen beschwert, etwa durch Laufenlassen der Motoren im Stand oder Rückfahrwarnsignale, auch an Wochenenden. Die Einhaltung von Auflagen kontrolliere die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten als Gewerbebehörde nicht.
Der Geschäftsführer eines Unternehmens berichtete damals, dass man freiwillig eine 71 m lange und 3 m hohe Lärmschutzwand errichtet habe und auf Nachtanlieferungen ganz verzichte.
Auch knapp zwei Jahre später berichten Betroffene, dass sich die Situation nicht wesentlich gebessert habe. Weiterhin gebe es Belästigungen durch laufende Motoren, Warnsignale und Beleuchtungen.
Das Unternehmen, welches die Lärmschutzwand errichtet hatte, konnte die neuerliche Kritik nicht nachvollziehen und berichtete von weiteren Verbesserungen, beispielsweise der Schließung des Gastronomie-Außenbereichs.
Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten führte eine geänderte Verkehrsführung auf den Parkflächen sowie ein lärmtechnisches Projekt, bei dem auch schützenswerte Interessen berücksichtigt würden, als Verbesserungsmaßnahmen an.
Volksanwalt Walter Rosenkranz zufolge liege das Hauptproblem darin, dass etwa eine neue Papierpresse genehmigt worden sei, wobei nur die Lärmemission des einzelnen Geräts beurteilt wurde, nicht aber jene der gesamten Betriebsanlage. Die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft habe das Landesverwaltungsgericht daher aufgehoben. Es sei zu hoffen, dass die Bezirkshauptmannschaft in ihren neuen Bescheiden die Nachbarschaft besser schützt.
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