Volksanwälte diskutierten Wien Bericht mit dem Wiener Landtag

29. Jänner 2021

Am 29. Jänner diskutierten die Volksanwälte Werner Amon, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz den Bericht der Volksanwaltschaft an den Wiener Landtag 2019 im Plenum im Wiener Rathaus. Mit dem Bericht präsentierten die Volksanwälte die Ergebnisse ihrer Kontrolle der Wiener Landes- und Gemeindeverwaltung. Neben dieser Kontrolltätigkeit ist die Volksanwaltschaft für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zuständig und prüft öffentliche und private Einrichtungen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt werden (Gefängnisse, Pflegeheime, Polizeianhaltezentren, u.a.).

Im Jahr 2019 wandten sich insgesamt 1.198 Wienerinnen und Wiener mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Damit ist das Beschwerdeaufkommen gegenüber 2018 um 12 Prozent gestiegen. 1.259 Prüfverfahren wurden abgeschlossen. In 283 Fällen stellte die Volksanwaltschaft einen Missstand in der Verwaltung fest, was einem Anteil von rund 22 Prozent aller erledigten Verfahren entspricht. Keinen Anlass für eine Beanstandung sah die Volksanwaltschaft bei 471 Beschwerden, in 505 Fällen war die Volksanwaltschaft nicht zuständig. Inhaltlich fiel der Großteil der Beschwerden auf die Bereiche Mindestsicherung und Kinder- und Jugendhilfe (376 Beschwerden), Staatsbürgerschaft – Wählerevidenz – Straßenpolizei (278 Beschwerden) und Gemeindeangelegenheiten (208 Beschwerden) gefolgt von Bau- und Raumordnungsthemen (94 Beschwerden).

Die wichtigsten Ergebnisse sind im Bericht zusammengefasst.

 

Volksanwalt Amon: Wieder Armenbegräbnis aufgrund unterbliebener Verständigung der nahen Angehörigen

Volksanwalt Werner Amon, der auf Landesebene unter anderem für die Gemeindeverwaltung und alle kommunalen Angelegenheiten sowie die Friedhofsverwaltung zuständig ist, betonte: „Im Jahr 2019 sahen wir uns mit den unterschiedlichsten Beschwerden konfrontiert, die Wienerinnen und Wiener haben die Hilfe der Volksanwaltschaft zahlreich in Anspruch genommen. Das zeigt deutlich, wie wichtig unsere Arbeit ist, und dass die Bürgerinnen und Bürger unser Angebot der Unterstützung schätzen.“

Die Volksanwaltschaft wurde zum Beispiel mit einem Fall eines Armenbegräbnisses konfrontiert, der mit einer Abfrage des Zentralen Personenstandsregisters hätte vermieden werden können. Ein 44 Jahre alter Wiener wurde von der Polizei tot in seiner Wohnung aufgefunden. Die Gemeinde Wien veranlasste die Beisetzung in einer Grabstelle am Wiener Zentralfriedhof, und erst danach erhielten die Eltern im Wege des Gerichtskommissärs die Verständigung, dass ihr Sohn verstorben und in einem Armengrab am Zentralfriedhof beigesetzt worden war. „Wir fordern die Gemeinde Wien auf, vor einer Beisetzung in einem Armengrab nahe Angehörige zu verständigen und ihnen die Gelegenheit zu geben, ihrer Beerdigungspflicht nachzukommen“, so Volksanwalt Amon. Hierzu bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage im Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz. Im vorliegenden Fall hätte eine zeitgerechte Information der Eltern diesen nicht nur seelisches Leid, sondern auch die Kosten einer Exhumierung und der Überführung des Leichnams ihres Sohnes in das Familiengrab erspart.

Weitere Themen, die die Wienerinnen und Wiener veranlasste, sich an die Volksanwaltschaft zu wenden, waren unter anderem Grabdeckelgebühren bei Friedhofsdauergräbern, die mangelhafte Instandhaltung von Friedhofsanlagen, Laufstrecken am Zentralfriedhof und unzureichende Transparenz bei Wohnbeihilfe.

 „Viele Wienerinnen und Wiener wandten sich schriftlich an uns, aber es ist der Volksanwaltschaft auch ein Anliegen, vor Ort für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein“, betonte Volksanwalt Amon. Aus diesem Grund bietet die Volksanwaltschaft im Rahmen von Sprechtagen in den Gemeinden die Möglichkeit, Anliegen auch persönlich vorzubringen.

Dieses Angebot wurde in Wien im Rahmen von 58 Sprechtagen von den Wienerinnen und Wienern genutzt, um ihr Anliegen persönlich mit den Volksanwälten zu besprechen.

Volksanwalt Achitz: Entschädigung für Menschen, die als Kind am Steinhof misshandelt wurden

Im Pavillon 15 des Psychiatrischen Krankenhauses am Steinhof wurden viele Jahrzehnte lang, bis in die 1980er Jahre, Kinder und Jugendliche seelisch und körperlich gequält. Im Jahr 2010 begannen Länder und Heimträger, an Betroffene von Gewalt in Heimen und bei Pflegefamilien Entschädigungen auszuzahlen und die Kosten für eine Psychotherapie zu übernehmen. Auch Wien schuf ein solches Entschädigungsprojekt, das jedoch 2016 wieder eingestellt wurde. Wien ist das einzige Bundesland, in dem es derzeit keine Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder gibt, und in dem Betroffene keinen unbürokratischen und niederschwelligen Zugang zu Therapien haben, hatte die Volksanwaltschaft noch im Juni bei der Präsentation des heute im Landtag diskutierten Wien Berichts kritisiert.

„Seitdem ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Es gibt eine Zusage, dass Steinhof-Opfer künftig wieder eine Entschädigung einfordern und bekommen können“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Auch Heimopfer, die so traumatisiert sind, dass sie sich erst jetzt um eine Entschädigung bemühen können, sollen so zu ihrem Recht kommen. Derzeit laufen Gespräche zwischen Wiener Gesundheitsverbund und Volksanwaltschaft über die konkrete Abwicklung.“ Achitz zeigt sich optimistisch, dass das Entschädigungsprojekt auch für andere Einrichtungen im Wiener Einfluss wieder aufgemacht wird, unter anderem für Gewaltopfer im Kinderheim Wilhelminenberg, im Erziehungsheim Hohe Warte, im Durchzugsheim Im Wird und in der Kinderübernahmestelle (Julius-Tandler-Heim).

Volksanwalt Rosenkranz: Beanstandungen bei Einrichtungen des Freiheitsentzugs, Musikschul-Gebührenerhöhung, Säumigkeit der Gewerbebehörden

Beschwerden im Bereich der MA 35 gehörten mitunter auch 2019 zu den häufigsten Beschwerdegründen in der Bundeshauptstadt. Auch bei den Kontrollbesuchen im Sinne des präventiven Menschenrechtsschutzes in Einrichtungen, in denen es zu einer Beschränkung oder zum Entzug der Freiheit kommen kann, lag Wien unangefochten an der Spitze, was naturgemäß an der hohen Dichte an dafür in Frage kommenden Einrichtungen lag. „Bei Beanstandungen der Volksanwaltschaft in insgesamt rund 77 Prozent der Fälle gibt es aber auch in Wien noch Luft nach oben und einen Ansporn, unsere Liste einmal abzuarbeiten“, weist Volksanwalt Walter Rosenkranz auf das künftige Arbeitspensum hin.

„Ein vorgegebenes Wirkungsziel der Volksanwaltschaft ist, dass der österreichweite Frauenanteil bei den Beschwerdeführern gehoben wird. Hier ist das Verhältnis von 1.159 Frauen zu 1.287 Männern bei den Beschwerden schon relativ ausgewogen. Das heißt, dass die Volksanwaltschaft in Wien fast von so vielen Frauen wie Männern angerufen wird“, erklärt Rosenkranz. In anderen Bundesländern reiche der Anteil weiblicher Beschwerdeführer noch lange nicht an jenen der Männer heran.

Beanstandungen im Prüfbereich von Volksanwalt Walter Rosenkranz gab es außerdem etwa aufgrund einer drastischen Erhöhung der Unterrichtsgebühren an der Musikschule Wien um 65 Prozent. Auch in punkto Säumigkeit der Gewerbebehörde kam es zu mehreren Fällen, etwa wo Anrainerinnen und Anrainer z. B. durch Lärm oder Geruch belästigt wurden.

SERVICE: Die Volksanwaltschaft ist unter post@volksanwaltschaft.gv.at sowie unter der kostenlosen Servicenummer 0800 223 223 erreichbar.